Schwergewicht im All: die protoplanetare Scheibe um TW Hydrae ist schwerer als bisher angenommen

31. Januar 2013
Mit dem PACS-Instrument an Bord des Herschel Weltraumteleskops ist es Astronomen gelungen, die Masse der protoplanetaren Scheibe um den nahe gelegenen Stern TW Hydrae zu messen. In einer internationalen Kollaboration, die von Edwin Bergin von der University of Michigan geleitet wird, konzentrierten sich Ewine van Dishoeck von der Universität Leiden, Niederlande, und MPE Garching, Thomas Henning vom MPIA Heidelberg und ihre Kollegen dabei auf Deuterium, den schwereren Bruder des Wasserstoffs. Mit dieser neuen Methode stellten sie fest, dass die Scheibe eine Masse besitzt, die etwa das 50-fache der Masse des Jupiters beträgt. Damit ist diese protoplanetare Scheibe um ein Vielfaches massereicher als die Scheibe, aus der sich unser Sonnensystem einst bildete.

Der Stern TW Hydrae ist ein interessantes Studienobjekt für die Planetenentstehung: Der junge Stern mit einer Masse ähnlich unserer Sonne ist von einer protoplanetaren Scheibe umgeben, in der Gas, Staub und Körner verklumpen und schließlich zu Planeten anwachsen könnten, ähnlich denen in unserem Sonnensystem. Aber obwohl TW Hydrae relativ nahe ist - es hat einen Abstand von nur 176 Lichtjahren von der Erde – war es bisher sehr schwierig, eine wichtige Eigenschaft des Systems zu messen: die Gesamtmasse der protoplanetaren Scheibe. Das Problem besteht darin, dass die Hauptkomponente der Scheibe, molekularer Wasserstoff, kaum Strahlung emittiert, und somit nicht direkt gemessen werden kann. Die Masse der Scheibe ist jedoch von zentraler Bedeutung um bestimmen zu können, wie viele und welche Planeten gebildet werden können.

Für bisherige Massenbestimmungen verwendeten die Astronomen andere Moleküle (z. B. CO) oder Staubteilchen als Indikator, waren dabei aber stark von Modellannahmen abhängig. Die neuen Messungen nutzen nun eine besondere Unterart der Wasserstoff-Moleküle, den so genannten schweren Wasserstoff. Dieser besteht aus einem normalen Wasserstoffatom (mit einem einzelnen Proton im Kern) und einem Deuteriumatom (mit einem zusätzlichen Neutron im Kern). Die relative Häufigkeit von Deuterium und Wasserstoff ist aus Messungen in unserer kosmischen Nachbarschaft sehr gut bekannt und dieser "schwere molekulare Wasserstoff" oder "Wasserstoff-Deuterid" emittiert aufgrund der Molekülrotation signifikant im Infrarotbereich.

Diese Strahlung wurde nun mit dem ESA-Weltraumteleskop Herschel gemessen. "Es ist das erste Mal, dass wir Strahlung von schwerem molekularem Wasserstoff in einer protoplanetaren Scheibe beobachten konnten, und überhaupt erst das zweite Mal, dass dieses Signal im Weltraum nachgewiesen wurde", sagt Co-Autorin Ewine van Dishoeck von der Universität Leiden, Niederlande, und MPE Garching. Sie ergänzt: "Die große Empfindlichkeit von Herschel-PACS war für diese Entdeckung von grundlegender Bedeutung."

Die jetzigen Beobachtungen zeigen, dass die protoplanetare Scheibe mindestens eine Masse von etwa 50 Jupitermassen besitzen muss, wobei die Messungenauigkeit zehnmal kleiner ist als für bisherige Ergebnisse. Auch wenn das geschätzte Alter von TW Hydrae für ein Sternsystem mit einer Scheibe relativ hoch ist (zwischen 3 und 10 Mio. Jahre), zeigt diese Messung, dass in der Scheibe noch reichlich Material vorhanden ist, um ein Planetensystem größer als unser eigenes zu bilden. (Das Sonnensystem entstand aus einer viel leichteren Scheibe).

Anmerkungen:

Die Herschel-Beobachtungen wurden als Teil des Herschel-Programms " A New Method to Determine the Gas Mass in Protoplanetary Disks " unter der Leitung von Edwin Bergin durchgeführt. Für die Beobachtungen wurde das Instrument PACS ("Photodetector Array Camera & Spectrometer") verwendet, eine Kombination aus Kamera und Spektrograph für Wellenlängen zwischen 57 und 210 µm.

Herschel ist ein ESA-Weltraumobservatorium mit wissenschaftlichen Instrumenten, die unter europäischer Führung gebaut wurden, und mit wichtigen Beiträgen der NASA. PACS wurde von einem Konsortium von Instituten entwickelt und gebaut, das von Albrecht Poglitsch am MPE (Deutschland) geleitet wird: KU Leuven, CSL, IMEC (Belgien); CEA, LAM (Frankreich); MPIA (Deutschland); UVIE (Österreich) INAF- IFSI/OAA/OAP/OAT, LENS, SISSA (Italien); IAC (Spanien). Diese Arbeit wurden durch die Förderorganisationen BMVIT (Österreich), ESA-PRODEX (Belgien), CEA/CNES (Frankreich), DLR (Deutschland), ASI/INAF (Italien) und CICYT/MCYT (Spanien) unterstützt.

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