Erster künstlicher Stern leuchtet am südlichen Nachthimmel

Neuartige Laserleitstern-Anlage verbessert Beobachtungsmöglichkeiten am Very Large Telescope

23. Februar 2006

In der Atacamawüste Chiles, dem Standort des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Wissenschaftler einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Erforschung feinster Details im Universum erreicht. Nach mehrjährigem Forschen und Entwickeln gelang es ihnen jetzt erstmalig, einen künstlichen Stern am Himmel der südlichen Hemisphäre zu erzeugen. Dieser künstliche Laserleitstern wird die verschiedenen am Very Large Telescope betriebenen Adaptiven Optikgeräte mit Licht versorgen. Mit Adaptiver Optik lassen sich die durch Luftturbulenzen bedingten Unschärfen in Himmelsaufnahmen in Echtzeit korrigieren. War diese Korrekturtechnik bisher auf die Beobachtung weniger Himmelsauschnitte beschränkt, so ist diese nun dank des Laserleitsterns fast am ganzen Nachthimmel einsetzbar.

Das Teleskop Yepun am Paranal-Observatorium mit der ersten aktiven Laserleitstern-Anlage.

Am 28. Januar 2006 um 23:07 Uhr lokaler Zeit in Chile war es so weit: Ein Laserstrahl mit einer Leistung von einigen Watt wurde von Yepun, einem der vier Teleskope des Very Large Telescope VLT, in den Nachthimmel projiziert und erzeugte in einer Höhe von 90 Kilometern einen künstlichen Stern. Dass dies nun erstmals an einem der besten Observatorien der Welt gelungen ist, wurde mit großer Freude von den im Kontrollraum anwesenden Wissenschaftlern und Ingenieuren begrüßt.

Fünf Jahre gemeinsamer Arbeit eines Teams von Wissenschaftlern der Max-Planck-Institute für extraterrestrische Physik in Garching und für Astronomie in Heidelberg sowie der Europäischen Südsternwarte ESO fanden an diesem Tag ihren erfolgreichen Abschluss. Das Resultat: Ein 50 Zentimeter im Durchmesser und im gelben Natriumlicht leuchtender Laserstrahl verließ die VLT-Laserleitsternanlage des Yepun-Teleskops und erzeugte in der Natriumschicht der Atmosphäre in einer Höhe von 90 Kilometern einen künstlichen Laserstern.

Der Laserstrahl des Yepun-Teleskops auf dem Weg zur 90 Kilometer hohen Natriumschicht in der Atmosphäre.

"Wir erleben damit den Beginn einer neuen Generation von ESO-Teleskopen, die mit Laserleitsternen und Adaptiver Optik ausgestattet sind", so Domenico Bonaccini Calia, Leiter der Laserleitstern-Gruppe der ESO.

Herkömmliche Teleskope, die von der Erde aus das Universum betrachten, sind in ihrer Fähigkeit, scharfe Bilder vom Nachthimmel aufzunehmen, durch die "störende" Erdatmosphäre stark eingeschränkt. Eine Adaptive Optik ermöglicht es jedoch, Bilder in einer solchen Schärfe aufzunehmen, als befände sich das Teleskop im Weltraum. Dies erlaubt es den Astronomen, wesentlich feinere Details in ihren Beobachtungsobjekten wie fernen Sonnensystemen zu studieren.

Damit die Adaptive Optik arbeiten kann, benötigt sie ein Referenzsignal, welches von einem hellen Stern nahe dem Beobachtungsobjekt, oder falls ausreichend hell, vom Beobachtungsobjekt selbst stammt. Dadurch wird allerdings der Einsatzbereich der Adaptiven Optik sehr stark eingeschränkt, da in den meisten Fällen keine ausreichend hellen Referenzsterne im Gesichtsfeld zu finden sind. Dieser Mangel lässt sich mit Hilfe eines geeignet starken Lasers überwinden, der an jeder Stelle am Himmel einen Kunststern erzeugen kann. Das Licht dieses Laserleitsterns wird dann letztlich von der Adaptiven Optik zur Bildkorrektur genutzt.

Inbetriebnahme der Laserleitsternanlage auf dem Paranal-Observatorium in Chile. Yepuns Laserleitstern am südlichen Nachthimmel mit Sternbild Orion.

Nun ist nicht jeder Laser dafür geeignet, die in 90 Kilometer Höhe befindliche Natriumschicht zum Leuchten anzuregen. Dies gelang nun mit dem von den beiden Max-Planck-Instituten gebauten PARSEC-Laser, der kontinuierlich Licht mit einer Wellenlänge von 589 Nanometern erzeugt. Die Entwicklung von PARSEC baut auf Erfahrungen auf, die von den Max-Planck-Wissenschaftlern mit dem Prototypen ALFA (Adaptive Optics with a Laser For Astronomy) am Calar Alto Observatorium in Spanien in den Jahren 1996 bis 1999 gesammelt wurden. Der PARSEC-Laser befindet sich in einem Reinraum-Labor unterhalb des Teleskops. Eine Lichtfaser überträgt das Laserlicht zu einem Projektionsteleskop, das sich in der Mitte über dem VLT befindet. "Es ist ein sehr erhebendes, ja begeisterndes Gefühl zu sehen, wie präzise und stabil die ganze Nacht über dieser Laser arbeitet", so Ric Davies, der PARSEC Projektleiter.

Dem ersten Laserlicht folgten zwölf Tage intensiver Tests, die hauptsächlich dem Zusammenspiel zwischen Laserleitstern und den beiden am Yepun-Teleskop vorhandenen Adaptiven Optiken NAOS und MACAO dienten.

In den frühen Morgenstunden des 9. Februars war es schließlich so weit: Die MACAO Adaptive Optik mit Laserleitstern versorgte den am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik gebauten 3D-Spektrographen SPIFFI mit korrigiertem Sternenlicht. Eine Nacht später gelang die Korrektur mit Laserstern und NAOS, wovon die an den Max-Planck-Instituten für Astronomie und extraterrestrische Physik gebaute Kamera CONICA profitieren konnte.

"Ein derartiger Erfolg in solch kurzer Zeit ist hervorragend und eine Anerkennung für alle, die in den vergangenen Jahren hart dafür gearbeitet haben", so Ric Davies.

In der zweiten Phase der Inbetriebnahme, die im Frühjahr 2006 beginnt, wird man sich darum kümmern, den Betrieb der gesamten Anlage - Adaptive Optik, Laserleitstern, wissenschaftliche Kamera bzw. Spektrograph - weiter zu optimieren. In dieser zweiten Phase wird auch das am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg gebaute LIDAR-Gerät zur genauen Vermessung der Natriumschicht in der Atmosphäre erstmals eingesetzt. Wird diese zweite Phase ebenfalls erfolgreich abgeschlossen, steht die Laserleiteinrichtung ab Herbst 2006 allen Astronomen zur Verfügung.

Die am VLT gemachten Erfahrungen beim Betrieb eines künstlichen Laserleitsterns sind von essentieller Bedeutung für das Design von Teleskopen der nächsten Generation mit Spiegeln von 30 bis 60 Metern im Durchmesser.

Die Laserleitstern-Anlage wurde entwickelt und gebaut vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München (MPE), dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg (MPIA) und der Europäischen Südsternwarte (ESO).

Die Mitglieder des Forschungs- und Entwicklungsteams

Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik:

R. Davies, S. Rabien, T. Ott, J. Li, S. Kellner, S. Huber, W. Zaglauer, A. Goldbrunner, R. Genzel.

Max-Planck-Institut für Astronomie:

S. Hippler, U. Neumann, D. Butler, R.-R. Rohloff, B. Grimm, H.-W. Rix, T. Henning.

ESO:

D. Bonaccini Calia, W. Hackenberg, M. Cullum, M. Dimmler, I. Guidolin, C. Araujo, E. Allaert, D. Popovic, M. Comin, M. Quattri, E. Brunetto, F. Koch, A. Silber, J-L. Alvarez, M. Tapia, E. Bendek, J. Quentin, G. Fischer.

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