Interview mit Jason Dexter

Sofja Kovalevskaja-Preisträger am MPE

24. März 2015
Vergangenes Jahr, im Oktober 2014, kam Jason Dexter ans Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Ein Stipendium der Humboldt-Stiftung, der Sofja Kovalevskaja-Preis, einer der höchst dotierten Wissenschaftspreise in Deutschland, ermöglicht es dem theoretischen Astrophysiker, der zuvor an der Universität von Kalifornien in Berkeley arbeitete, in den nächsten fünf Jahren am MPE zu arbeiten um die Daten von neuartigen Monitoring-Instrumenten zu interpretieren und die allgemeine Relativitätstheorie in der Nähe von Schwarzen Löchern zu testen.

Wie wurde Ihr Interesse an Schwarzen Löchern geweckt?

Die Allgemeine Relativitätstheorie gibt es schon seit 100 Jahren, und sie leistet großartige Arbeit die Schwerkraft in Systemen zu erklären, in denen sie "schwach" ist, also in Bereichen in denen die allgemeine Relativitätstheorie nur eine kleine Korrektur an Newtons Theorie der Schwerkraft ist. Alle Tests, die in unserem Sonnensystem durchgeführt werden, fallen in diese Kategorie.

Faszinierend für mich ist jedoch eine der exotischsten Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie: die Existenz von Schwarzen Löchern; Objekten, die so weit kollabiert sind, dass ihre Masse hinter einem Ereignishorizont verborgen bleibt. Nichts kann von dort entkommen! Einige der stärksten Gravitationsfelder treten in der Nähe des Ereignishorizonts von Schwarzen Löchern auf, so dass das Studium dieser Objekte die Möglichkeit bietet, die allgemeine Relativitätstheorie in einer völlig neuen Art und Weise zu testen.

Was meine Arbeit betrifft: Ich untersuche die Physik hinter dem Prozess, wenn Gas in ein schwarzes Loch fällt. Ein Großteil meiner Forschung beschäftigt sich damit die Eigenschaften des Lichts zu berechnen, das dieses Gas auf seinem Weg abstrahlt diese Prognosen mit Beobachtungen von bodengebundenen und Weltraumteleskopen zu vergleichen.

Sie sind jetzt bereits ein paar Monate hier. Wie gefällt es Ihnen?

Bisher ist es toll! Ich mag das wissenschaftliche Umfeld am MPE und dem Campus Garching insgesamt. Besonders beeindruckt bin ich von den MPE-Einrichtungen (insbesondere der mechanischen und der Elektrowerkstatt) und der Erfolgsbilanz des Instituts, das selbst Instrumente baut und dann mit ihnen Wissenschaft betreibt.

München ist schön; auch wenn dieser Winter ziemlich kalt und dunkel war, nachdem ich einige Jahre in Kalifornien zugebracht habe. Aber ich mag den Schnee - und die Nähe zu den Bergen. Außerdem finde ich es schön, dass die Leute im Winter so oft im Freien sind, selbst in der Stadt. Trotzdem freue ich mich jetzt auf den Sommer.

Gab es Überraschungen, als Sie hierher kamen?

Das Meiste ist im Grunde schon so, wie ich es mir vorgestellt und erhofft hatte. Natürlich ist die Umstellung auf ein neues Land immer mit Arbeit verbunden, aber ich hatte wirklich nicht erwartet, dass der Anfang dermaßen reibungslos verlief. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um allen Mitgliedern der Verwaltung und der MPE-Infrarotgruppe für ihre Unterstützung beim Umzug zu danken.

Für mich als Theoretiker ist interessant nun in einer Gruppe von Beobachtern zu sein. Bisher habe ich in der Regel mit einem oder zwei anderen Leuten gearbeitet, während die Teams bei großen Beobachtungsprojekten oder speziell Instrumentenprojekten viel größer sind. Außerdem finde ich breite Erfahrung vieler Kollegen hier ein wenig einschüchternd. Die Arbeit im Labor, um neue Instrumente zu bauen, und dann mit ihnen Wissenschaft zu betreiben ist sehr beeindruckend.

Im Alltag werden mir einige meiner amerikanischen Gewohnheiten immer mehr bewusst, wie zum Beispiel über Menschen hinwegzureden, zu übertreiben, oder das Gefühl zu haben, ein Gesprächspause unbedingt füllen zu müssen. So versuche ich, diese Dinge weniger zu tun. Auf der anderen Seite arbeite ich daran mein Deutsch zu verbessern. In der Schule habe ich einige Jahre Deutsch gelernt, es aber nicht wirklich viel gesprochen, bevor ich in München ankam. Ich bin dankbar, dass die Menschen hier so geduldig mit mir waren und weiter mit mir Deutsch sprechen, auch wenn ich zu kämpfen habe.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich beginne damit, ein kleines Theorie-Team in der Infrarotgruppe aufzubauen, und bin deshalb vor allem mit der Rekrutierung beschäftigt. Ich bin froh, dass wir einen Doktoranden gefunden haben, der diesen Sommer anfängt, und hoffentlich werden es im Laufe des nächsten Jahres noch ein paar mehr Kollegen werden.

Was meine Forschung angeht, so ist dies eine wirklich aufregende Zeit für mein Hauptarbeitsgebiet. Das „Event Horizon Telescope“ und das „GRAVITY“-Experiment werden bald ganz nah an das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße heran zoomen können und das Gas am Ereignishorizont beobachten. Das Ziel für die nächsten paar Jahre ist es deshalb zu verstehen, was die Daten bedeuten und wie sie verwendet werden können , um etwas über die allgemeine Relativitätstheorie auszusagen. Mitglieder des MPE IR-Gruppe leiten das GRAVITY-Experiment; das war einer meiner wichtigsten Beweggründe um ans MPE zu kommen.

Und langfristig gesehen?

Ich möchte auch weiterhin in der Astrophysik arbeiten und ich mag besonders Forschungsprobleme an der Grenze zwischen Theorie und Beobachtung. Astrophysik ist ein Feld, das von neuen Daten gesteuert wird, deshalb müssen Theoretiker bei ihren langfristigen Forschungsvorhaben flexibel sein. Es ist aber auch spannend, weil Theoretiker Vorhersagen machen können, die nur wenige Jahre später getestet werden können. Ich werde auch weiterhin nach Möglichkeiten Ausschau halten, um genau das zu tun.

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