Mutterwolke füttert junges Sternentstehungssystem

27. Juli 2020
Erstmalig haben Astronomen ein „Förderband“ beobachtet, das Material vom äußeren Bereich einer dichten Gaswolke in die Nähe eines jungen Sternpaares transportiert. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und dem französischen Institute de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) fanden heraus, das die Gasbewegungen im „Förderband“ dem gravitativen Einfluß des Kerns um das Protosternpaar folgen. Das Band befördert eine große Menge an Gas, das auch von der Mutterwolke frisch produzierte Moleküle enthält, direkt zu den jungen Protosternen.  Dieses Ergebnis ist ein eindrucksvoller Nachweis, dass die weitere Umgebung um junge Protosterne eine wichtige Rolle bei der Bildung und Entwicklung von stellaren Scheiben spielt.

Bei der Sternentstehung bildet sich innerhalb einer viel größeren und luftigen Molekülwolke ein dichter, kalter Kern – die „Hülle“ um den zukünftigen Stern. Material von der Mutterwolke fließt ins Zentrum dieses Kerns, wo das Material noch dichter wird und eine Scheibe ausbildet, welche die jungen Protosterne im Zentrum der Scheibe füttert. Erstmalig wurde nun in der Perseus Molekülwolke ein leuchtendes Band beobachtet, welches den Außenbereich der Hülle mit der inneren Region verbindet, wo sich die Scheibe bildet. Mit Hilfe eines derartigen „Förderbandes“ ist die Mutterwolke in der Lage, die protostellare Scheibe mit weiterem Material zu versorgen, das für das Wachstum der jungen Protosterne und ihre protoplanetaren Scheiben benötigt wird.

“Numerische Simulationen der Scheibenentstehung betrachten zumeist einzelne Protosterne”, erklärt Jaime Pineda (MPE), der Leiter der Studie. “Unsere Beobachtung geht einen Schritt weiter und untersucht ein ‚Förderband‘, das chemisch frisches Material aus großer Entfernung in die Nähe der protostellaren Scheibe transportiert.” Die Astronomen verwendeten das Northern Extended Millimeter Array (NOEMA) um das protostellare Doppelsystem Per-emb-2 (IRAS 03293_3039) zu untersuchen. In vergangenen Beobachtungen zeigte das Doppelsternsystem Variabilität, was es zu einem interessanten Objekt für Folgebeobachtungen machte.

Die Beobachtung mehrerer Moleküle erlaubte dem Team die Messung der Gasbewegung und die Entdeckung des Materialflusses entlang des „Förderbandes“. Dieser reicht vom Außenbereich der Hülle in einer Entfernung von ca. 10.500 AE bis hin zur Scheibe. Sowohl die Lage als auch die Gasgeschwindigkeit werden gut von einem theoretischen Modell reproduziert, in dem sich Material im freien Fall befindet. Dies belegt, dass die Dynamik des Förderbandes vom dichten Zentrum des Systems kontrolliert wird. “Es passiert nicht oft, dass Theorie und Beobachtung so gut zusammenpassen. Wir waren begeistert diese Bestätigung zu sehen”, sagt Koautorin Dominique Segura-Cox (MPE). Abschätzungen zufolge transportierte das Band 0,1 - 1,0 Sonnenmassen in das Innere des Kerns. Dies ist ein signifikanter Teil der Gesamtmasse des dichten Kerns (ca. 3 Sonnenmassen).

“Das ‚Förderband‘ muss innerhalb kürzester Zeit chemisch frisches Material zum Zentrum transportieren”, fügt Pineda hinzu. “Der klare Nachweis eines so großen, sich fast im freien Fall befindlichen Gasvorrates ist beachtlich.” Dies zeigt, dass neues Material die Morphologie und Gasbewegung in dem jungen stellaren System beeinflussen könnte.

“Die chemische Zusammensetzung der sich entwickelnden protoplanetaren Scheibe wird ebenfalls von diesem neuen Phänomen beeinflusst”, folgert Paola Caselli, Direktorin am MPE und Teil der Forschungsgruppe. “Das Molekül, mit dem wir das Förderband entdecken konnten, hat 3 Kohlenstoffatome (HCCCN). Diese sind nun verfügbar um die organische Chemie (auf dem Weg zu vor-biotischen Komponenten) im Laufe der Planetenentstehung zu bereichern.”  Dieser neue Weg Material in das Zentrum zu transportieren hat wichtige Auswirkungen auf die Art und Weise wie junge Scheiben entstehen und wachsen. Jedoch bleibt unklar, wie oft und lange dieser Prozess während der Entwicklung junger Sternsysteme eintreten kann, mehr Beobachtungen von jungen Protosternen sind daher nötig.

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