Mit dem
Gammastrahlen-Observatorium INTEGRAL sind neue Einblicke möglich
geworden in
die Welt kosmischer Quellen sehr energiereicher Strahlung. Bisher
unbekannte
Quellen wurden entdeckt, da nur energiereiche Gammastrahlungs-Anteile
die sie
umgebenden interstellaren Wolken durchdringt. Unerwartete
Hochenergie-Emission
wurde bei kompakten Sternen mit extrem hohen Magnetfeldern erkannt, in
dem Bereich,
in dem das thermische Emissionsspektrum normalerweise selbst für
höchste
Temperaturen leuchtschwach wird. Damit wird der relative Anteil
wahrhaft
diffuser Hochenergie-Emission aus dem interstellaren Raum im Vergleich
zu
einzelnen Quellobjekten neu definiert. Diese diffuse Emission spiegelt
die
kosmische Strahlung wider, auf ihrem Weg durch den interstellaren Raum
der
Galaxie. Hochauflösende Spektroskopie der diffusen Strahlung zeigt
zudem zwei
spezielle Spektrallinien: Antimaterie zerstrahlt in Licht bei 511 keV
Energie,
und ist überraschend symmetrisch im Innenbereich der Milchstrasse
konzentriert;
das radioaktive Isotop 26Al zerfällt galaxienweit im
interstellaren
Medium unter Ausendung einer Linie bei 1809 keV; als Nebenprodukt
kosmischer
Element-Synthese in der Endphase der Entwicklung sehr massereicher
Sterne wurde
es in den interstellaren Raum geschleudert, und zeigt uns nun dessen
kinematischen Zustand in Bereichen, die mit anderen Mitteln nur schwer
messbar
sind.
The
INTEGRAL Gamma-Ray Observatory has provided novel insight into the
nature of
sources of high-energyradiation. New embedded sources were discovered,
because
only the high-energy part of radiation can penetrate clouds. Unexpected
emission at high energies where thermal emission usually fades was
found for
sources with extremely high magnetic fields. Together, this leads to a
re-evaluation of the relative contributions of source objects and
intrinsically-diffuse emission from interstellar space. Such diffuse
emission
reflects cosmic radiation penetrating the interstellar gas in the
Galaxy.
High-resolution spectroscopy of diffuse emission addresses mainly two
prominent
gamma-ray lines: Antimatter annihilates into electromagnetic radiation
with a
line at 511 keV, and was found to have a surprisingly symmetric spatial
distribution in the inner Galaxy; radiactive 26Al decays in the
interstellar medium of the Galaxy, emitting a line at 1809 keV; being a
by-product of cosmic element synthesis from terminal evolutionary
phases of
very massive stars, it was ejected into interstellar space, and thus
reveals
the kinematics of the interstellar gas in such regions, which are
hardly
accessible through other means.
Die
Temperatur-Regionen kosmischer Objekte reichen von nahe dem absoluten
Nullpunkt
der Temperaturen für interstellaren Staub , über warme Planeten und
heisse
Sterne, bis zu Plasma-Temperaturen oberhalb Millionen K in
Supernova-Explosionen oder in der Nähe des Urknalls. Besonders heisse
Körper
strahlen in Energiebereichen hochenergetischer Strahlung, der
Röntgenstrahlung.
Noch höhere Strahlungsenergien können kaum durch thermische Prozesse
erzeugt
werden. Solche Strahlung entsteht in exotischen kosmischen Regionen
durch
Elementarteilchen-Wechselwirkungen, relativistisch-schnelle Atomkerne
und
Elektronen, oder radioaktiven Zerfall – hier verliert der Begriff der
Temperatur seine Grundlage. Die auch in der Erdatmosphäre beobachtbare
kosmische Strahlung legt unmittelbar Zeugnis davon ab, dass im
Universum Energien
weit oberhalb des thermischen Bereiches (Millionen K entsprechen
Strahlungsenergien von 103 eV) bis hinauf zu 1020
eV
erzeugt werden, weit mehr als in Beschleunigerlabors auf der Erde je
erreichbar
sein wird. Dem Studium solch nicht-thermischer Strahlung widmet sich
die
Gamma-Astronomie mit Spezialteleskopen, die oberhalb der für diese
Strahlung
undurchlässigen Lufthülle im Weltraum betrieben werden.
Abb 1:
Das ESA Satellitenobservatorium INTEGRAL wird seit Oktober 2002 zur
Erforschung des noch relativ ungenau bekannten Gammastrahlungs-Himmels
betrieben. Dabei werden Strahlungsquellen erforscht, in denen Energien
supra-thermische Energien entstehen: Kosmische Teilchen-Beschleuniger,
Entstehungsgebiete radioaktiver Elemente, und Quellen von Antimaterie. |
Die europäische
Weltraumorganisation ESA koordiniert grosse wissenschaftliche
Satellitenmissionen, und hat mit INTEGRAL im Oktober 2002 ein
Observatorium zur
Erforschung kosmischer Gammaquellen im erdnahen Weltraum plaziert
(Abbildung 1)
[Referenz: MPG Jahrbuch 2004, Beitrag von V. Schönfelder]. Am INTEGRAL
Projekt
sind neben allen ESA Mitgliedsnationen auch Russland und die USA sowie
Tschechien und Polen beteiligt. Der Satellit wurde mit einer Russischen
Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus in eine
elliptische
Umlaufbahn mit einer erdfernsten Distanz von 150000 km befördert. Die
beiden
Hauptinstrumente des Observatoriums sind Teleskope, die als
Abbildungsprinzip
den Schattenwurf einer Lochmaske nutzen, um den Gamma-Himmel
einzufangen. Dabei
ist eines der Teleskope (genannt
„IBIS“) optimiert für ein möglichst hochauflösendes Bild, das andere
(genannt
„SPI“) für möglichst hochauflösende Spektroskopie. Licht im Bereich von
Gammastrahlung ist sehr durchdringend und kann nicht mit Linsen oder
Spiegeln
konzentriert werden; daher dieses primitiv anmutende
Lochkamera-Prinzip.
Kosmische Partikelstrahlung, die den Satelliten trifft, erzeugt zudem
störende
Gammastrahlung im Observatorium selbst, so dass die Wissenschaftler
zunächst einmal
in mühevoller Kleinarbeit diese Störstrahlung genau kennenlernen
müssen, bevor
sie der kosmischen Bedeutung eventueller Signale nachgehen können. Aus
diesen
Gründen sind astrophysikalische Messungen eines solchen
Gammastrahlen-Observatoriums eher abhängig von der Arbeit der
Spezialisten als
vergleichweise die Nutzung eines optischen Observatoriums, und selbst
erste
grobe wissenschaftliche Auswertungen nehmen deutlich mehr Zeit in
Anspruch.
Nach 2 Jahren sind nun aber wichtige Resultate erarbeitet worden, die
neue und
teilweise überraschende Erkenntnisse brachten in Bezug auf die
Quell-Objekte
solch hochenergetischer Strahlung.
Die
Beschleunigung von geladenen Teilchen ist möglich über starke
elektromagnetische Felder geeigneter Anordnung. Supernova-Explosionen
erzeugen
solche kosmischen Beschleuniger – dies wurde im vergangenen Jahr
erstmals
eindrucksvoll direkt bewiesen durch Messungen von Gammastrahlung
solcher
Objekte bei Energien von 1015 eV durch das HESS
Teleskopsystem in
Namibia [Referenz: MPE Heidelberg]. Kosmische Teilchenbeschleunigung
muss aber
ausgehen von bereits supra-thermischen Energien, die gleichsam
„injiziert“
werden in Beschleunigungsgebiete wie solche Supernova-Überreste. Mit
Gammateleskopen wie INTEGRAL lassen sich Teilchen-Injektoren aufspüren
durch
charakteristische Strahlungsemission oberhalb thermischer Energien,
also
bei Energien von 100 keV – MeV (106
eV). INTEGRAL fand etliche Quellen solcher Strahlung in der Form von
Doppelsternszstemen, wobei einer der Sterne aus “entarteter“ Materie
besteht
und extrem kompakt ist – etwa wie wenn die Sonne auf eine Grösse von
6000 km
oder gar 15 km komprimiert würde (“weisse Zwergsterne” oder
“Neutronensterne”).
Sternenwind des Begleitsterns fällt auf diesen Kompaktstern und setzt
wegen der
immensen Schwerkraft gewaltige Energien frei. Unter solchen Bedingungen
entstehen vermutlich Plasma-Jets mit hinreichend hohen Energien, und
die jungen
Begleitsterne mit genügend starken Sternwinden sind eben oft noch
umgeben von
den Molekülwolken, aus denen sie gebildet wurden. Eine typische solche
neuartige Gammaquelle trägt den Namen „IGR J16318-4848“.
Abb. 2:
INTEGRAL Messung des Gammastrahlen-Ausbruchs von SGR 1806-20, einem
Neutronenstern mit starkem Magnetfeld |
Eine andere
Beschleunigervariante kann das starke Magnetfeld in der Nähe eines
solchen
Kompakststerns sein: Wie auf der Sonne magnetische Feldumordnungen zu
Teilchenstürmen, den „Sonnenflares“, führen, so stellt man sich die
Entstehung
von Gammastrahlenausbrüchen auf stark magnetischen Neutronensternen,
den
“Magnetaren” vor. Im Dezember 2004 registrierte zuerst INTEGRAL das
gewaltigste
derartige Ereignis von einem Objekt mut Namen „SGR 1806-20“ (Abbildung
2)
[Referenz: MPG Pressenotiz]. Die gewaltige Energie des
Gammastrahlungs-Ausbruchs entspricht der Sonnenenergie von einer
Million Jahre,
hier freigesetzt innerhalb von Sekunden. Solche gewaltigen Ausbrüche
sind eher
selten; INTEGRAL fand nun aber bei verwandten Objekten, den „anomalen
Röntgenpulsaren”, eine überraschend starke, bisher unbekannte
Hochenergie-Strahlungskomponente. Deren Ursache wird ebenfalls im
starken
Magnetfeld solcher Objekte vermutet. Mit HESS, INTEGRAL, und SWIFT
stehen
derzeit Instrumente zur Erforschung der Teilchenbeschleunigung über den
weiten
Gammabereich zur Verfügung. Im Jahr 2007 soll der GLAST Satellit den
Energiebereich 0.1-300 GeV (109 eV) empfindlicher vermessen
– dann
bleibt noch eine wichtige Lücke bei 1-100 MeV zu schliessen, um die
Entstehung
der mysteriösen kosmischen Strahlung 100 Jahre nach ihrer Entdeckung
hoffentlich zu verstehen.
Die Symmetrie von
Materie und Antimaterie ist ein wesentliches Element des
„Standardmodells“ der
Physik, mit dem aus zwei Teilchensorten, den Quarks und Leptonen, und
ihren
jeweils 3 Unterfamilien der Aufbau der Elementarteilchen und Atomkerne
sowie
deren Wechselwirkungen beschrieben werden. Antiteilchen wandeln sich
bei der
Begegnung mit ihren „normalen“ Teilchen-Äquivalenten komplett in
Strahlung um.
Antiteilchen entstehen bei hohen Energien von mindestens MeV Grösse,
entweder
durch Kollisionen energiereicher Teilchen oder z.B. durch den
radioaktiven
Zerfall. Das Antiteilchen des Elektrons ist das Positron, es entsteht
im
radioaktiven b+-Zerfall oder bei Plasmaenergien oberhalb 1.022
MeV, und zerstrahlt bei der
Begegnung mit einem Elektron meist in zwei Lichtquanten der Energie 511
keV.
INTEGRAL hat nun erstmals unsere Galaxis im zentralen Bereich vermessen
im
Licht dieser 511 keV Emission, und Überraschendes gefunden: Die
Emissionkarte
unterscheidet sich deutlich von der scheibenartigen Verteilung der
vermuteten
Quellen von Positronen in der Galaxis, man findet ein sehr symmetrisch
um das
Zentrum der Milchstrasse angeordnetes Emissionsgebiet, dessen
Ausdehnung
allerdings weit hinausreicht über den von einem einzigen zentralen
Objekt
beeinflussbaren Bereich (Abbildung 3). Vermutete einzelne
Positronenquellen
treten nicht hervor – diese gleichförmige Verteilung der Emission ist
ein neues
Rätsel. Möglicherweise sind grossräumige Felder die Ursache, etwa
Magnetfelder,
die die Bahnen der Positronen geeignet sammeln, oder das Schwerefeld
dunkler
Materie, die Positronen auf ganz andere Art durch Zerstrahlung
exotischer
Teilchen erzeugen.
Abb. 3:
INTEGRAL Kartographierung des Annihilationsstrahlung von Positronen in
der Galaxis. |
Radioaktiver
Zerfall und die ihn begleitende charakteristische Gammastrahlung dient
uns auch
zum Studium der Entstehung der chemischen Elemente im Universum.
Langlebige
Isotope werden zusammen mit den übrigen neu erzeugten Atomkernen aus
den
Entstehungsorten (wie z.B. Supernova-Explosionen) herausgeschleudert:
So zeigen
uns radioaktive Gammastrahlungs-Linien diese Entstehungsorte, und bei
besonders
langlebigen Isotopen lässt sich der Weg der neu erzeugten Elemente im
interstellaren Raum verfolgen. Mit den Gammalinien der Isotope 56Co
und 44Ti wurde dieses Bild unmittelbar bestätigt bei den
Supernova-Explosionen „SN1987A“ in der Nachbargalaxie „Grosse
Magellansche
Wolke“, und der Supernova „Cassiopeia A“, die sich vor 350 Jahren in
unserer
Galaxis ereignete. Anhand der Gammalinie radioaktiven 26Al
(Zerfallszeit ca. 1 Million Jahre) wurde gezeigt, dass solche
Elementsynthese
Teil der jüngeren Historie in unserer ca. 12 Milliarden Jahre alten
Galaxie
ist. Die Emissionkarte von 26Al Gammastrahlung zeigte uns
auch, in
welchen Regionen der Galaxis die massereichen Sterne sich befinden, die
die
Hauptquelle neuer Elemente sind – wegen der Absorption energieärmerer
Strahlung
in interstellaren Wolken und Staub sind diese Regionen und ihre Sterne
uns nur
sehr unvollkommen sichtbar. Mit INTEGRAL ist erstmals empfindliche
Spektroskopie in hoher Auflösung möglich bei Gamma-Energien; so konnte
INTEGRAL
zeigen, dass die Form der Gammalinie die Kinematik der zerfallenden 26Al
Atome bestimmt: Die Linie erscheint nur wenig breit wenn viele Regionen
unterschiedlichen Alterns beitragen (wie im Zentralbereich der
Milchstrasse),
hingegen etwas mehr verbreitert wenn die Region besonders jung ist und
die
Verwirbelungen des interstellaren Gases durch ihre Sterne frisch und
noch nicht
abgeklungen ist [Referenz: Jahrbuch 2004, Beitrag V. Schönfelder]. In
diesem
Jahr konnte die Messgenauigkeit weiter verbessert werden, und damit
eine
frühere Messung widerlegt werden, die eine breite Linienform berichtet
hatte –
Theoretiker hatten keine Erklärung für eine derartig breite Linie mit
Gasgeschwidigkeiten von 500 km pro Sekunde gefunden. Mit den neuesten
Messungen
ist sogar das Rotationsverhalten der Galaxis in der Gamma-Linienform
sichtbar:
Wenn die emittierenden Regionen sich im Mittel auf uns zubewegen,
erscheint die
Linie zu höheren Energien verschoben, bei Bewegung weg vom Beobachter
zeigt
sich eine Verschiebung zu niedrigeren Energien (Abbildung 4). Dies ist
eine direkte
Bestätigung, dass die 26Al Quellregionen sich im
Innenbereich der
Milchstrasse befinden, und nicht im Vordergrund näher zur Sonne, wie
manche
früheren Theorien vermutet hatten. Derartige Entfernungsbestimmungen
durch
kinematische Messungen sind in anderen astronomischen Bereichen sehr
erfolgreich, und können bei genauen Messungen mit INTEGRAL nun sogar im
Gammabereich hilfreich werden.
Abb. 4:
Signatur galaktischer Rotation in der Gammalinie radioaktiven 26Al. |