Ein tiefer Blick ins frühe Universum: Erste Infrarot-Interferometrie eines Quasars bei Rotverschiebung 4

Neue GRAVITY+ und ERIS Beobachtungen enthüllen überraschende Eigenschaften des zentralen Schwarzen Lochs und zeigen starke Gasströme im frühen Kosmos.

17. September 2025

Mithilfe modernster Technologie am Very Large Telescope in Chile gelang es dem GRAVITY+ Team, den leuchtstärksten bekannten Quasar detailliert in den Blick zu nehmen. Diese Galaxie im frühen Universum ist mehr als zwölf Milliarden Lichtjahre entfernt. Die Astronomen konnten seine innere Struktur auflösen und die Masse des zentralen Schwarzen Lochs deutlich präziser bestimmen - diese ist viel geringer als nach den gängigen Beziehungen zu erwarten wäre. Darüber hinaus fanden sie einen markanten Ausfluss, und nicht etwa dass das meiste Gas um das Schwarze Loch herum rotiert. Dies zeigt, dass man mit GRAVITY+ nun aktive Galaxien aus derselben Epoche wie mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) untersuchen kann.

Diese bahnbrechende Beobachtung – die erste ihrer Art bei einer so hohen Rotverschiebung – wurde durch die neuen adaptiven Optiksysteme (AO) ermöglicht, die kürzlich am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) installiert wurden. Das vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und dem GRAVITY+-Konsortium entwickelte AO-Upgrade verbessert die Korrektur der atmosphärischen Unschärfe erheblich – unter Anpassung der zuvor im ERIS-Instrument implementierten Technologie – und ermöglicht so tiefere und empfindlichere Beobachtungen des fernen Universums.

Ziel der aktuellen Beobachtung war der leuchtstärkste bekannte Quasar (QSO) bei einer Rotverschiebung von 4 – mehr als 12 Milliarden Lichtjahre entfernt und damit weit vor der Epoche, die als „kosmischer Mittag” bekannt ist. Der hier untersuchte Quasar ist ein extremes Objekt, das erst 2024 durch ein Team australischer Astronomen entdeckt wurde. Mithilfe des GRAVITY+-Instruments konnten die Astronomen jetzt seine „Broad Line Region“ (BLR) auflösen – den Bereich, in dem Gas um das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie wirbelt. Somit war es ihnen möglich, die Bewegung der Materie im Schwerefeld des Schwarzen Lochs direkt zu beobachten. Durch die Kombination dieser Daten mit einem Spektrum des ERIS-Instruments analysierte das Team gleichzeitig die H-Beta- und H-Gamma-Emissionslinien und erhielt so ein robustes und detailliertes kinematisches Modell der Gasdynamik in dieser Region.

Schwarzes Loch leichter als erwartet

Trotz der extremen Leuchtkraft des Quasars fand das Team heraus, dass das Schwarze Loch in seinem Zentrum „nur” eine Masse von 800 Millionen Sonnenmassen hat – ein Zehntel weniger als Schätzungen auf der Basis traditioneller Skalierungsbeziehungen.

„Unser Ergebnis ist zuverlässig, da es auf der tatsächlichen Bewegung des Gases basiert“, sagt Ric Davies, leitender Wissenschaftler am MPE. „Viele JWST-Studien verwenden Skalierungsgesetze, die in diesen frühen Zeiten möglicherweise nicht gelten. Wenn unsere Ergebnisse typisch sind, bedeutet dies, dass die Massen von Schwarzen Löchern im frühen Universum systematisch überschätzt worden sein könnten.“

Das Team plant, weitere Quasare mit ähnlichen Rotverschiebungen zu beobachten, um festzustellen, ob diese Diskrepanz ein allgemeiner Trend ist.

Ein starker Gasfluss

In einem zweiten überraschenden Ergebnis fand das Team außerdem heraus, dass 80 % des Gases in der BLR nicht um das zentrale Schwarze Loch rotieren, sondern mit Geschwindigkeiten von bis zu 10.000 km/s nach außen geblasen werden.  „Dies ist der stärkste Ausfluss, den wir je beobachtet haben. Anstatt das Gas in größeren Maßstäben zu untersuchen, nachdem es mit dem Gas in der Wirtsgalaxie in Interaktion getreten ist, konnten wir anhand dieser Daten seinen Ausgangspunkt bestimmen“, erklärt Taro Shimizu, der die Beobachtungen leitete und an der Analyse beteiligt war. Man nimmt an, dass diese Ausflüsse eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Galaxienwachstums und der Akkretion von Schwarzen Löchern spielen. Daher ist es ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Galaxienentwicklung, ihren Ausgangspunkt zu bestimmen.

Diese Ergebnisse wurden in Zusammenarbeit mit der neuen Max-Planck-Partnergruppe in Peking unter der Leitung von Jinyi Shangguan erzielt. Sie zeigen, dass die Infrarot-Interferometrie nun dieselbe Epoche wie das JWST erreichen kann und ergänzende Erkenntnisse mit einer weitaus höheren räumlichen Auflösung liefert.

Spektro-Astrometrie mit GRAVITY+

Der Weg des Lichts von den inneren Regionen der fernen Galaxie bis zum GRAVITY-Instrument. Zudem veranschaulicht sie das Prinzip, wie die Bewegung der BLR aus dem Lichtspektrum extrahiert werden kann. Bitte beachten Sie, dass es sich um eine künstlerische Darstellung handelt, die nicht die tatsächliche Galaxie abbildet;  am Ende werden reale Daten gezeigt.

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