Euclid bringt Licht in die Entstehung und Entwicklung von Galaxien

Das Weltraumteleskop der ESA erfasst die erstaunliche Vielfalt der Galaxien – und Wissenschaftler des MPE verfolgen, wie Verschmelzungen ihre Kerne formen.

5. November 2025

Das Weltraumteleskop Euclid der ESA enthüllt die Muster der Galaxienentwicklung und erfasst die Formen, Größen und Strukturen von Millionen von Galaxien im Laufe der kosmischen Zeit. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) nutzen diese Daten, um nachzuvollziehen, wie Galaxien wachsen, verschmelzen und sich verändern, und identifizieren dabei Hunderte von Systemen mit sekundären Kernen, die Hinweise auf die Entstehungswege von supermassereichen Schwarze-Loch-Doppelsternen geben. Euclid entdeckt auch seltene Systeme mit stark ionisierten Emissionslinien und Tausende von bisher verborgenen Zwerggalaxien und liefert damit wichtige Erkenntnisse über die Bausteine größerer Systeme wie der Milchstraße. Zusammen bieten diese Beobachtungen einen umfassenden Überblick darüber, wie sich Galaxien und ihre zentralen Schwarzen Löcher im Universum gemeinsam entwickeln.

Zusammenfassung:

Euclid-Teleskop: Das Weltraumteleskop der ESA erfasst die Vielfalt der Galaxien und deren Entwicklung im Universum.

Galaxienwachstum: Forschende des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik untersuchen, wie Galaxien wachsen und fusionieren, und identifizieren Systeme mit sekundären Kernen, die auf supermassereiche Schwarze-Loch-Doppelsterne hinweisen.

Datenanalyse: Die erste Datenveröffentlichung umfasst Millionen von Galaxien und ermöglicht es Astronom*innen, die Zusammenhänge zwischen Galaxienmorphologie und Umweltfaktoren zu untersuchen.

Forschungsergebnisse: Euclids hochauflösende Bilder fördern das systematische Studium der zentralen Strukturen von Galaxien und enthüllen seltene Phänomene, darunter stark ionisierte Emissionslinien und zuvor verborgene Zwerggalaxien.

Umfassender Überblick: Die Erkenntnisse zeigen, wie die Struktur von Galaxien, ihre Sternentstehungsgeschichte und das kosmische Umfeld miteinander verbunden sind, und bieten einen ganzheitlichen Blick auf die galaktische Evolution.

Nach nur einem Jahr Beobachtungen wirft das Weltraumteleskop Euclid der ESA neues Licht auf eine der ältesten Fragen der Astronomie: Warum enthält das Universum eine so erstaunliche Vielfalt an Galaxien? Genau wie Blumen gibt es Galaxien in einer Vielzahl unterschiedlicher Farben, Größen und Formen – zusammengefasst unter dem Begriff „Morphologie”.

Hängen diese unterschiedlichen Morphologien zusammen? Inwiefern steht die Entwicklung blauer Spiralgalaxien mit der Entwicklung riesiger elliptischer Galaxien in Verbindung? Und inwieweit beeinflusst die Umgebung einer Galaxie – ob sie nun in einem dichten Cluster oder in kosmischer Einsamkeit existiert – ihre Form und ihr Schicksal? Mit Millionen von Galaxien, die nun in der ersten Datenveröffentlichung von Euclid (Q1, März 2025, ESA) katalogisiert sind, erhalten Astronominnen und Astronomen Zugang zu einer neuen Fundgrube an Daten, um diese Fragen zu beantworten. 

Das scharfe Weitwinkelbild von Euclid markiert einen Durchbruch in der extragalaktischen Astronomie. Seine Bilder verbinden außergewöhnliche Tiefe und Auflösung, sodass Forschende allein im ersten Jahr mehr als 1,2 Millionen große Galaxien untersuchen können – und während der sechsjährigen Mission insgesamt mehrere zehn Millionen. 

Heute wissen wir, dass die Vielfalt der Galaxien – von majestätischen Spiralgalaxien wie unserer Milchstraße bis hin zu riesigen elliptischen Galaxien wie der mächtigen Messier 87 – eine Folge ihrer Entwicklungsgeschichte ist. Galaxien beginnen ihr Leben auf der rechten Seite des Hubble-Diagramms (siehe Abbildung oben) als scheibenförmige, blaue, sternbildende Systeme. Sie bewegen sich im Diagramm nach links, während sie wachsen, ihre Gasvorräte allmählich erschöpfen und mit anderen Systemen verschmelzen, um schließlich große elliptische Galaxien zu bilden.

Auf der Spur des verborgenen Wachstums von Galaxien und ihren Schwarzen Löchern

„Euclid bietet eine beispiellose Kombination aus Schärfe und Himmelsabdeckung – es wird den gesamten extragalaktischen Himmel kartografieren“, sagt Maximilian Fabricius, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), das wesentliche Teile der Optik des Teleskops gebaut hat. „Zum ersten Mal können wir systematisch untersuchen, wie die Formen und zentralen Strukturen von Galaxien mit ihrer Entstehungsgeschichte auf wirklich kosmischen Skalen zusammenhängen.“

Mit ihrem Team haben Maximilian Fabricius und Roberto Saglia Hunderte von Kandidatensystemen identifiziert, die potenzielle sekundäre Kerne in frühen Galaxientypen aufweisen – auf dem Weg, zukünftige supermassereiche Schwarze-Loch-Doppelsterne zu werden. Diese Entdeckungen liefern wichtige Erkenntnisse darüber, wie Galaxien verschmelzen und wie ihre zentralen Strukturen während der Verschmelzungen dezimiert oder umgestaltet werden.

„Die massereichsten Schwarzen Löcher befinden sich im Zentrum riesiger elliptischer Galaxien und wachsen vermutlich in erster Linie durch Verschmelzungen mit anderen supermassereichen Schwarzen Löchern“, erklärt Fabricius. „Durch die Erkennung und Analyse sekundärer Kerne ermöglicht uns Euclid zu erforschen, wie diese riesigen Schwarzen Löcher weiter wachsen – und wie ihr Wachstum die Galaxien beeinflusst, in denen sie sich befinden.“

Ein umfassender Blick auf die kosmische Evolution

Die erste Veröffentlichung von Euclid umfasst 63 Quadratgrad des extragalaktischen Himmels – nur etwa 0,5 % des gesamten Datensatzes, den die Mission letztendlich liefern wird. Doch selbst dieser kleine Ausschnitt ermöglicht bereits eine bemerkenswerte Bandbreite an hochkarätigen Studien in allen Bereichen der extragalaktischen Astronomie und demonstriert damit eine der größten Stärken von Euclid: seine Fähigkeit, riesige Regionen des Himmels effizient zu vermessen und seltene astronomische Phänomene aufzudecken.

Ein weiteres Beispiel ist die Studie von Daniela Vergani et al. unter der gemeinsamen Leitung von Christoph Saulder (MPE), in der eine seltene Population von 65 Galaxien identifiziert wird, die stark ionisierte Emissionslinien aufweisen – Signaturen extremer astrophysikalischer Phänomene wie aktive Galaxienkerne, Stoßfronten oder Wolf-Rayet-Sterne –, die einen neuen Einblick in die energetischen Rückkopplungsmechanismen geben, die die Entwicklung von Galaxien prägen.

Mit seiner bemerkenswerten Empfindlichkeit zeigt Euclid auch, dass die häufigsten Galaxien im Universum nicht die majestätischen Spiralen sind, sondern winzige Zwerggalaxien – schwache Systeme mit geringer Oberflächenhelligkeit, die einst zu schwer zugänglich waren, um sie im Detail zu untersuchen. Von den bisher identifizierten 2.674 Zwerggalaxien sind etwa 58 % elliptische Zwerggalaxien und 42 % irreguläre Zwerggalaxien, von denen einige kompakte blaue Kerne oder Kugelsternhaufen enthalten. Diese Zwerggalaxien gelten als Bausteine größerer Systeme wie unserer eigenen Milchstraße und liefern wichtige Hinweise auf die kosmische Strukturierung im kleinsten Maßstab.

Diese Arbeiten – von winzigen Zwerggalaxien bis hin zu riesigen elliptischen Galaxien – zeigen die außergewöhnliche Fähigkeit von Euclid, einen vollständigen, multiskaligen Überblick über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien zu liefern. Seine Daten offenbaren die physikalischen Zusammenhänge zwischen der Struktur einer Galaxie, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrer kosmischen Umgebung und verbinden alle Phasen des galaktischen Lebens zu einem einzigen, kohärenten Bild.
Euclid verändert unser Verständnis der „Stimmgabel“ des Universums und zeigt, wie Galaxien durch Sternentstehung zum Leuchten kommen, kollidieren und verblassen – und wie sich in ihrem Inneren Schwarze Löcher und stellare Kerne gemeinsam entwickeln.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht