MPE Jahresbericht 2001 /MPE Annual Report 2001

II

Wissenschaftliche Ergebnisse / Scientific Results


2.4 Großräumige Struktur und Kosmologie / Large-Scale Structure and Cosmology

Die Erforschung des Universums auf großen Skalen und zu sehr großen Entfernungen erlangt eine immer größere Bedeutung, da die modernen Großteleskope der verschiedenen Wellenlängen einen immer tieferen Blick in unser Universum gestatten. Mit diesen Mitteln kann man sich wesentlichen offenen Fragen widmen, wie z.B.: Was sind die größten Strukturen im Universum? Wann haben sich die ersten Galaxien und Galaxienhaufen gebildet? Wie haben sie sich weiterentwickelt und an Masse zugenommen? Wie integriert sich die Strahlung aus vergangener Sternbildung und Galaxienentwicklung im beobachtbaren Universum zum heute registrierten Himmelshintergrundlicht in verschiedenen Wellenlängenbereichen? The exploration of our Universe on very large scales and to very large distances gains an increasing importance, since modern telescopes at all wavelengths allow us to look deeper and deeper into the Universe and to address some very essential questions: What are the largest structures in the Universe? When did the first galaxies and galaxy clusters form? How did they evolve and grow in mass? How is the radiation from the star formation and galaxy evolution of past epochs integrated to the sky background light at various wavelengths that we register today?
Auch am Institut ist diese kosmologische Forschung in allen Wellenlängenbereichen mit wachsender Aktivität vertreten. Die großräumige Struktur vermessen Wissenschaftler des Instituts anhand der Verteilung von Galaxienhaufen aus der ROSAT Himmelsdurchmusterung und finden signifikante Strukturen bis 500 Mpc. Röntgenbeobachtungen mit XMM-Newton zur Physik einzelner Galaxienhaufen geben uns Aufschluss über die Kühlung und Heizung des intergalaktischen Gases, über die Herkunft der schweren Elemente und über die Entwicklungsgeschichte der Galaxienhaufen. Mit Stichproben sehr entfernter Galaxien im jungen Universum bei Rotverschiebungen um 3 untersuchen wir im Sub-mm-Bereich die Sternbildungsrate und finden eine wichtige Galaxienpopulation in der sich in kurzer Zeit sehr viel mehr Sterne gebildet haben als in vergleichbaren nahen Galaxien. Im Infrarotbereich beobachten Wissenschaftler am MPE massive Scheibengalaxien ähnlich unserer Milchstraße bis zu Entfernungen oberhalb z=1.


At MPE cosmological research is represented by an increased activity at all wavelengths. Scientists at the institute use the distribution of galaxy clusters from the ROSAT All-Sky-Survey to measure the large-scale structure of the matter distribution of the Universe. They find significant structures up to scales of 500 Mpc. Using X-ray observations with XMM-Newton to study the physics of individual galaxy clusters we learn how the intergalactic medium cools and is heated, from where the heavy elements originate and how galaxy clusters as a whole develop. For very distant galaxy samples in the young Universe at redshifts around 3, we study the star formation rates in the sub-mm-region. We find a population of galaxies where many more stars form in a shorter time interval than in any comparable nearby galaxy. In the infrared scientists at MPE observe massive disk galaxies comparable to the Milky Way out to distances above z=1.

2.4.1   Röntgenbeobachtung von Galaxienhaufen /
X-ray Observation of Clusters of Galaxies

Galaxienhaufen, die größten klar definierten Objekte im Universum, lassen sich besonders gut im Röntgenlicht untersuchen. Die Röntgenstrahlung wird dabei von einem mehrere zehn Millionen Grad heißen Gas emittiert, das den ganzen Haufen erfüllt. Röntgenbeobachtungen bieten daher die beste Möglichkeit, wichtige Eigenschaften von Galaxienhaufen zu bestimmen und machen diese Objekte zu wohldefinierten astrophysikalischen Laboratorien. Als neue hervorragende Beobachtungsinstrumente stehen seit kurzem die beiden Weltraum-Observatorien XMM-Newton und Chandra für das Studium von Galaxienhaufen im Röntgenlicht zur Verfügung. Im letzten Jahr wurde über die ersten vielversprechenden Beobachtungen berichtet; jetzt liegen detaillierte Ergebnisse vor, die wichtige neue Schlussfolgerungen zulassen. Studies of Galaxy clusters, the largest clearly defined objects in the Universe, are particularly effective in the X-rays regime. The X-ray emission originates in the hot gas with a temperature of several ten million degrees, which extends throughout the cluster. X-ray studies are therefore the best means to determine important properties of galaxy clusters, and make these objects well-defined astrophysical laboratories. Two new and outstanding satellite observatories for X-ray studies are now available, Chandra and XMM-Newton. We reported last year on the first very promising results. Now we present the first detailed studies which provide important new conclusions.
Die besonders detailreiche Beobachtung der elliptischen Riesengalaxie, M87, im uns am nächsten gelegenen Virgo-Galaxienhaufen erlaubt vor allem eine genaue Rekonstruktion der thermischen Struktur des Haufengases und der Verteilung der schweren Elemente. Damit lassen sich wichtige astrophysikalische Hypothesen testen. Die von XMM beobachtete Region um M87 enthält ein klassisches Beispiel eines sogenannten "cooling flows": Haufengas, das innerhalb von wenigen Milliarden Jahren abkühlen, kondensieren und ein Einströmen neuen heißen Gases aus der Umgebung nach sich ziehen sollte. Dabei sollten etwa 10 Sonnenmassen pro Jahr auskühlen. Die in M87 rekonstruierte Temperaturstruktur des Haufengases steht nun in zweierlei Hinsicht im Gegensatz zu diesem klassischen cooling flow Modell. Erstens nimmt die Temperatur des Haufengases zum Zentrum hin zwar wie erwartet ab, aber nur bis zu einer Grenztemperatur von etwa 1 keV, und weiter abkühlendes Material wird nicht nachgewiesen. Zweitens wird für einen cooling flow ein lokales mehr-Phasen-Medium mit einer breiten Temperaturverteilung erwartet, während die beobachteten Röntgenspektren für jede radiale Zone im cooling flow sehr viel besser mit einer einheitlichen Temperatur oder einem sehr engen Temperaturintervall konsistent sind, wie Abb. 2-64 deutlich zeigt. Darüber hinaus finden wir keinen Hinweis auf Absorption der Röntgenstrahlung innerhalb des cooling flows, wie sie aus den früheren Beobachtungen postuliert wurde. The particularly rich observation of the giant elliptical galaxy, M87, in the most nearby Virgo cluster allows us to obtain a detailed reconstruction of the thermal structure of the hot intracluster medium as well as of the distribution of heavy elements. This provides tests of important astrophysical paradigms. The observed region in M87 contains a classical example of a so-called cooling flow: intracluster gas which should cool and condense within a few Gyrs and cause an inflow of new hot gas from the surroundings. This is expected to result in a central mass deposition of about 10 solar masses per year. The observed temperature structure in M87 is in conflict with this model in two ways. First,  we find the expected decrease of the temperature towards the center, but this decrease stops at a lower limit of about 1 keV and there is no evidence for material cooling any further. Second, the cooling flow region is predicted to be characterized by a multi-phase medium with a broad range of temperatures, while the X-ray spectrum is clearly only consistent with a locally single temperature or a very narrow temperature range as shown in Fig. 2-64. In addition we did not find any evidence for excess absorption of the observed X-ray spectrum due to internal absorption in the cluster, as previously found.
Abb. 2-64: XMM-Newton pn-Spektrum aus der cooling flow Region (r = 1 - 2 Bogenminuten) um den Kern von M87. In der linken Abbildung wird an das beobachtete Spektrum ein Plasmamodell mit einem sehr engen Temperaturintervall angepasst (1.44-2 keV). Rechts zeigt das gleiche Spektrum, wobei das Modell eines klassischen cooling flow mit einer breiten Temperaturverteilung überlagert ist.

Fig. 2-64: XMM-Newton pn-spectrum from the cooling flow region (r = 1 - 2 arcmin) around the core of M87. The left figure shows the observed spectrum and overlayed a fitted plasma model with a narrow temperature distribution (1,4-2 keV). The right figure shows the same spectrum upon which is overlayed the model of a classical cooling flow having a wide temperature distribution.


Diese neuen Beobachtungsbefunde versuchen wir in einem neuen Modellansatz zu erklären, in dem das Auskühlen des Gases mit Hilfe einer Heizung durch die Jets aus dem aktiven Kern von M87 verhindert wird. Wichtige Voraussetzung für ein konsistentes Heizungsmodell ist eine ausreichende Leistung der Jets, eine intensive Wechselwirkung der Jets mit dem Haufengas und ein fein abgestimmtes Regulativ, das die Heizung genau auf den benötigten Bedarf einregelt. Bereits unsere frühere Entdeckung, dass die Radiojets in einem inneren Bereich das heiße Gas verdrängen, zeigt, dass eine intensive Wechselwirkung stattfindet. Eine genauere Modellierung zeigt, dass die obigen Voraussetzungen im wesentlichen erfüllt werden. Die Radio-Jets treten mit dem Haufengas als aufsteigende, sich mit dem Gas mischende Blasen in Erscheinung und liefern mehr Leistung als der cooling flow abstrahlt. Die beobachtete Leistung der Jets kann durch Massenakkretion aus dem Haufengas im Bondi-Modell erzeugt werden, wobei im Falle zu starker Heizung das Gas aus dem Zentrum verdrängt und die Akkretion vermindert wird. Umgekehrt führt zu geringe Heizung zu einer stärkeren Verdichtung des Gases im Zentrum, was eine verstärkte Heizung nach sich zieht. Damit ist ein neuer Modellansatz für die kühlenden Zentralregionen von Galaxienhaufen gefunden, der nun durch Beobachtungen an weiteren Objekten getestet werden soll. In a new model we attempt to explain these findings by a balance between the energy loss due to cooling and the heating of the intracluster medium by the jets emerging from the nucleus of M87. An important requirement for a consistent heating model is that the jets supply sufficient power, that there is a tight interaction between the jets and the ambient gas and that the heat input is exactly regulated to balance the cooling. Already our earlier discovery, that radio jets can displace the hot intracluster gas in cluster centers, has shown that an intense interaction exists. Now more detailed modelling of the observed effects shows that most of the requirements are essentially fulfilled. The radio jets interact with the surrounding gas as expanding, rising and mixing bubbles, which supply more energy than is radiated by the cooling flow. The energy for the jets can in turn be supplied by accretion of intracluster gas by the central black hole in a classical Bondi-accretion model. In case of a too strong heating rate gas will be displaced from the center which reduces the accretion rate. An insufficient heating rate will on the other hand lead to cooling and an increase of the central gas density which will boost the accretion rate. This provides the required self-regulated model for the cooling core regions of clusters. We can now test this model with observations of other objects.
Abb. 2-65: Das aus den XMM-Newton Beobachtungen abgeleitete Temperaturprofil des röntgenleuchtenden Gases im Galaxienhaufen A1795 (blau) im Vergleich zur "Temperatur" der Dunklen Materie im Haufen (rot). Der rote Bereich zeigt den erlaubten Temperaturbereich für die Dunkle Materie für das am besten passende Gastemperaturprofil, und die gestrichelten Linien geben die Unter- und Obergrenze für extreme Modelle. Die schwarzen Datenpunkte mit Fehlerbalken zeigen die in eine Virial-Temperatur umgerechnete Geschwindigkeitsdispersion der Haufengalaxien.

Fig. 2-65: Temperature profile of the X-ray emitting gas in the galaxy cluster A1795 as deduced from the XMM-Newton observations (blue) in comparison to the "temperature" of the dark matter in the cluster (red). The red area shows the allowed temperature range for the best fitting gas temperature profile, and the dashed lines indicate the lower and upper limits for extreme models. The black data points with error bars show the velocity dispersion of the cluster galaxies translated into a virial temperature.


Eine ähnliche Temperaturstruktur mit einer unteren Temperaturgrenze, findet man auch im Galaxienhaufen A1795, einem weiter entfernten Galaxienhaufen (z=0.06), der nach klassischen Vorstellungen einen sehr massiven cooling flow enthalten sollte. Auch hier findet man eine untere Grenztemperatur und ein Temperaturprofil, das dem abgeleiteten Modellprofil der spezifischen kinetischen Energie (der "Temperatur") der Dunklen Materie recht genau folgt (Abb. 2-65). Der Grund für diese Koinzidenz wird gegenwärtig in Modellrechnungen genauer untersucht und wir hoffen daraus weitere Hinweise auf die Struktur der sogenannten cooling flows zu erhalten. A similar temperature structure with a lower temperature limit is also found in the more distant (z=0.06) galaxy cluster A1795, which is predicted to have a strong cooling flow. We find a lower temperature limit and a temperature profile which closely follows the derived profile of the specific kinetic energy ("virial temperature") of the dark matter (Fig. 2-65). The reason for this coincidence is currently being investigated in model calculations and we hope to gain further insights into these so-called cooling flow regions.
Das Röntgenspektrum von M87 zeigt Linien von 9 der astrophysikalisch wichtigsten, schweren Elementen O, Ne, Mg, Si, S, Ar, Ca, Fe und Ni, deren Häufigkeit aus den Spektren bestimmt werden kann. Zur Bestimmung der radialen Abhängigkeit der Häufigkeiten wurden Spektren aus den Radiusintervallen, R = 1-3 und 8-16 Bogenminuten analysiert, in denen die Temperatur nicht zu stark variiert. In der zentralen Zone sind die fast solaren Elementhäufigkeiten charakterisiert durch einen Hauptbeitrag aus der Nukleosynthese von Supernovae Typ Ia. Hohe Häufigkeiten der Elemente um Si (Si, S, Ar, Ca) im Vergleich zu Fe wie in Abb. 2-66 gezeigt, deuten eine unvollständige Verbrennung von Si in der SN Ia Explosion an, was vermutlich auf eine niedrige Explosionsdichte oder ein niedriges C/O Verhältnis vor der Verbrennung zurückzuführen ist. Im Optischen entspricht dies den weniger leuchtkräftigen Supernovae. In der äußeren Zone findet man einen relativ höheren Beitrag aus der Nukleosynthese von Supernovae Typ II. Betrachtet man nur den isolierten Beitrag von SN Typ Ia in der äußeren Zone, findet man ein niedrigeres Verhältnis der Häufigkeiten von Elementen der Gruppe um Si zu Fe, wie es auch schon in den ASCA Spektren anderer Galaxienhaufen und Gruppen gefunden wurde. Dies deutet auf eine Variation im Prozess der Supernova Typ Ia Explosionen hin, so dass vermutlich sowohl Deflagrationsprozesse als auch verzögerte Explosionen vorkommen. Die weitere Analyse von XMM-Spektren von Galaxienhaufen wird daher sehr präzise Tests von Supernova-Nukleosynthesemodellen erlauben. The X-ray spectrum of M87 also shows the lines of 9 of the astrophysically more important heavy elements O, Ne, Mg, Si, S, Ar, Ca, Fe and Ni. Their abundances can be determined from the spectrum. To determine their radial variations we have taken spectra from two radial regions in M87, R = 1-3 and R = 8-16 arcmin, in which the temperature variation is small. The central region, which shows almost solar abundances for most of the elements, is characterized by a dominant contribution of supernovae type Ia to the heavy element enrichment. High abundances of the elements around Si (Si, S, Ar, Ca) in comparison to Fe (as shown in Fig. 2-66) indicate an incomplete Si burning in the SN Ia explosion, which may be related to a low explosion density or a low C/N ratio before burning. This type of explosion corresponds to the less luminous supernovae Ia in the optical. In the outer region the contribution of supernovae type II is relatively high. If we consider only the SN Ia contribution to the element abundances in the outer region, we find an even lower Si/Fe ratio. This has already been observed in ASCA spectra of other clusters and groups of galaxies. This indicates a variation in the SN Ia explosion process, such that deflagrations and delayed detonations may be possible. The further study of XMM spectra of galaxy cluster will thus allow very stringent tests of supernova nucleosynthesis models.


Abb. 2-66: Häufigkeit der durch Supernovae Typ Ia im Halo von M87 produzierten Elementen (rot und rosa: Punkte von MOS- und pn-Messungen) und in Kern des Virgo-Galaxienhaufens (türkis und grüne: Messpunkte von MOS und pn). Modellrechnungen des Nukleosynthesemodells von Numoto et al. sind als blaue Kurven dargestellt. Zum Vergleich stellt die durchgezogene Linie die Supernova 1a Produktion in "star-forming galaxies" dar.

Fig. 2-66: Abundances of elements produced by supernovae type Ia in the halo of M87 (red and pink points from MOS and pn measurements, respectively) and in the Virgo cluster core (turquoise and green points for MOS and pn). Predictions of nucleosysnthesis models of Nomoto et al. are shown as blue curves. For comparison, SN Ia yield in star-forming galaxies are shown by the solid line.

Nahe Galaxienhaufen, wie das Lehrbuchbeispiel eines vollständig entwickelten Galaxienhaufens im Sternbild Coma Berenices, können nur durch ein aufwändiges Mosaik von XMM Belichtungen in Gänze abgebildet werden. Das richtige Zusammenfügen der einzelnen Belichtungen stellt dabei besondere Anforderungen an die Datenkalibration und die Modellierung des instrumentellen und astronomischen Hintergrundes. Abb. 2‑67 zeigt das aus 16 Einzelbelichtungen zusammengesetzte Mosaikbild. Dieses Bild zeigt besonders gut die Detailstruktur des Haufens und es wird z.B. noch deutlicher, dass sich die Galaxiengruppe NGC 4839 (in der Abb. 2-67 rechts unten) auf dem Weg ins Haufenzentrum befindet: durch den Aufprall strömt heißes, röntgenleuchtendes Gas aus der Gruppe und bleibt hinter den Galaxien (nicht in der Abbildung gezeigt) zurück. Durch die sehr hohe Empfindlichkeit des XMM-Newton Teleskops werden zahlreiche Punktquellen sichtbar, viele davon werden mit Galaxien aus dem Coma-Haufen identifiziert. Nearby galaxy clusters, for example the archetype of a well-evolved cluster in the constellation Coma Berenices, can only be observed entirely with XMM by a whole mosaic of exposures. Exact combination of single images to yield a mosaic image requires a very high standard of calibration and modelling of the instrument and sky background. Fig. 2-67 shows an XMM image of the Coma cluster composed of 16 single exposures. It provides a particularly good view of the structure of Coma and clearly shows the galaxy group, NGC 4839 (in the lower right corner of the Fig. 2-67), which is moving toward the main cluster center: due to the collision, hot X-ray emitting gas flows out off the infalling group and remains behind the galaxies (not shown in the displayed image). Due to the very high collecting power of XMM-Newton numerous point sources are also captured in this image, many of which can be identified with galaxies from the Coma cluster.
Abb. 2-67: Mosaik von XMM Röntgenbildern des Coma-Galaxienhaufens. Rechts unten im Bild sieht man Röntgenemission der Galaxiengruppe NGC 4839, die in den Haufen einstürzt.

Fig. 2-67: Mosaic of XMM X-ray images of the Coma cluster. In the lower right X-ray emission from the merging galaxy group NGC 4839 is seen.


Röntgenstudie eines der entferntesten Galaxienhaufen /
X-Ray Study of one of the most distant X-Ray Clusters of Galaxies

In der tiefen ROSAT-Durchmusterung in der Himmelsregion des Lockman Hole wurde ein Galaxienhaufen mit einer interessanten hantelförmigen Röntgenmorphologie gefunden, die auf eine mögliche gravitative Wechselwirkung von zwei Galaxienhaufen hindeutet (Abb. 2-68). Innerhalb der östlichen Röntgenstruktur befindet sich eine, durch eine Gravitationslinse abgebildete, Galaxie bei einer Rotverschiebung von 2.577. Keck-Beobachtungen der Quelle RXJ
105343+5735 haben die Existenz eines massereichen, hochrotverschobenen Galaxienhaufens bestätigt. Tiefe optische und Nah-Infrarotaufnahmen zeigen eine erhöhte Konzentration von Galaxien in beiden Röntgenregionen, im speziellen ist ein signifikanter Überschuss von Galaxien mit einer Farbe von R-K>5 festgestellt worden, ein typisches Merkmal von elliptischen Galaxien mit Rotverschiebungen z>1. Anhand neuer photometrischer Daten konnten die Rotverschiebungen von Mitgliedern des Galaxienhaufens genauer bestimmt werden. Ein Keck-NIRSPEC-Spektrum einer der hellen Zentralgalaxien der östlichen Röntgenstruktur zeigt eine schmale H-alpha-Emissionslinie bei 1.485 µm, woraus sich eine Rotverschiebung von 1.263 ableitet. Das Auffinden einer schmalen [O II]-Emissionslinie im Nah-Infrarotspektrum der Galaxie, die durch die Gravitationslinse abgebildet wurde, führte zur Bestätigung der Rotverschiebung von 2.577. Da eine zufällige räumliche Überlagerung nicht wahrscheinlich ist, sowie die Farben der Galaxien in beiden Röntgenstrukturen konsistent sind, kann von einer Rotverschiebung von 1.26 für die Galaxien der westlichen Röntgenstruktur ausgegangen werden. Das System könnte daher ein Paar von Galaxienhaufen repräsentieren, das sich gerade im Prozess des Zusammenstosses befindet.
In our ROSAT deep survey pointings in the direction of the Lockman Hole we detected a cluster of galaxies with an interesting double-lobed X-ray morphology, indicative of a possible cluster-cluster interaction (Fig. 2-68). Inside the eastern lobe is a gravitationally lensed arc at a redshift of 2.577. Keck observations of RXJ105343+5735 confirmed this to be a massive cluster at high redshift. Deep optical and near-infrared imaging show an overdensity of galaxies in both X-ray lobes, including a significant excess of red galaxies (R-K>5) with colors typical of elliptical galaxies at z>1. We have used new photometry data to place better constraints on the redshifts of the cluster galaxies. A Keck NIRSPEC spectrum of one of the bright central galaxies in the eastern lobe shows a narrow H-alpha emission line at 1.485 microns, yielding a redshift of 1.263. The [O II] 3727Å line from the gravitationally lensed arc is also detected, giving a redshift of 2.577 for the lensed galaxy and confirming prior measurements. The improbability of chance alignment and similarity of colors for the galaxies in the two X-ray lobes are consistent with the western lobe also being at z=1.26. The system may thus represent a pair of clusters in the process of merging.


Abb. 2-68: Röntgenstrukturen des hantelförmigen "lensing" Galaxienhaufens RXJ1053.7+5735. Die Keck-NIRSPEC-Spektroskopie hat dieses Objekt als einen der weitentferntesten röntgenselektierten Galaxienhaufen (z=1.263) bestätigt. Die Röntgenspektroskopie mit XMM-Newton erlaubt zum ersten Mal die Bestimmung der Temperatur und der Leuchtkraft eines so weit entfernten Galaxienhaufens mit signifikanter Präzision.

Fig. 2-68: X-ray contours of the double-lobed lensing cluster of galaxies RXJ1053.7+5735. Keck NIRSPEC spectroscopy confirmed this to be one of the highest redshift X-ray selected clusters (z=1.263). X-ray spectroscopy with XMM-Newton allows for the first time a determination of the temperature and luminosity with significant precision at such high redshift.

XMM-Newton Beobachtungen von RXJ1053.7+5735 mit einer Gesamtbelichtungszeit von ~100 ksec wurden während der "performance verification phase" aufgenommen. Zum ersten Mal konnte für einen so hochrotverschobenen Galaxienhaufen ein hochwertiges Röntgenspektrum gewonnen werden. Die Temperatur des Haufens von Tx=4.9 keV basiert auf einer simultanen Modellanpassung der Spektren aller EPIC-Kameras (pn+MOS). Der Wert der Metallizität wurde mit einer oberen Grenze von 0.62 der solaren Eisenhäufigkeit ermittelt. Anhand der Parameter der besten Modellanpassung haben wir eine bolometrische Leuchtkraft von Lbol=3.4 1044 erg/s abgeleitet. Die neue Haufentemperatur und die bolometrische Leuchtkraft sind konsistent mit einer schwachen bzw. keiner Entwicklung der Lbol - Tx- Relation bis zu Rotverschiebungen von z=1.3. XMM-Newton observations of RXJ1053.7+5735 with a total effective exposure time of ~100 ksec were obtained during the performance verification phase. For the first time at such high redshift a high-quality X-ray spectrum could be obtained. The temperature of the cluster, based on a simultaneous fit of spectra from the all EPIC cameras (pn+MOS) is Tx=4.9 keV. The metallicity could be constrained, with an upper limit on the iron abundance of 0.62 solar. Using the best fit model parameters, we derived a bolometric luminosity of Lbol = 3.4 1044 erg/s. The new cluster temperature and Lbol we have measured for RXJ1053.7+5735 is consistent with a weak or no evolution of the Lbol - Tx relation out to z=1.3.

[Böhringer, Briel, Chen, Finoguenov, Hasinger, Ikebe, Lehmann, Matsushita]


2.4.2  Vermessung der großräumigen Struktur / Assessing the large-scale Structure

Eines der Hauptziele der beobachtenden Kosmologie ist die Vermessung der großskaligen Massenverteilung. Dadurch ergeben sich wichtige Randbedingungen für den Zustand des sehr frühen Universums und seiner Entwicklung. Es hat sich dabei gezeigt, dass die relativ einfache physikalische Struktur röntgen-strahlender Galaxienhaufen sie als besonders geeignete Testobjekte auszeichnet. Basierend auf ROSAT All-Sky Survey-Daten haben die in den vergangenen Jahren abgeschlossene Katalogisierungen der Röntgen-hellsten 378 nördlichen Galaxienhaufen (statistische Stichprobe NORAS) und 452 südlichen Galaxienhaufen (REFLEX) bereits wichtige kosmologische Ergebnisse erbracht. Wohldefinierte Unterstichproben bilden zudem die Basis für systematische und genauere Röntgenbeobachtungen mit XMM-Newton und Chandra sowie für optischen Nachbeobachtungen mit dem ESO/VLT. One of the main goals of observational cosmology is the measurement of the large-scale distribution of matter from which important constraints on the physical states of the very early Universe and its evolution can be deduced. Owing to their comparatively simple physical structure, X-ray clusters of galaxies turned out to be ideal probes. The 378 northern galaxy clusters (NORAS statistical sample) and the 452 southern clusters (REFLEX) are based on the ROSAT All-Sky Survey and have already yield important cosmological results. Well-defined sub-samples provide the basis for systematic and more detailed X-ray observations with the XMM-Newton and Chandra satellites and optical follow-up observations with the ESO/VLT.


Abb. 2-69: Neuentdeckter, massiver Galaxienhaufen aus der NORAS Himmelsdurchmusterung bei einer Rotverschiebung von etwa 0.5. Die Konturlinie zeigen die Helligkeitsverteilung im Röntgenlicht.

Fig. 2-69: Recently discovered massive galaxy cluster from the NORAS survey at the redshift 0.5. The contours show the distribution of the X-ray surface brightness.

Um unsere kosmologischen Untersuchungen auf Skalenbereiche größer als die derzeit erreichten 1000 Mpc auszudehnen, um also in den sogenannten primordialen Bereich vorzustoßen, haben wir die Röntgen-Flussgrenzen der obengenannten Durchmusterungen von etwa 3 10-12 erg s‑1cm-2 (0.1-2.5 keV) auf 1.8 10-12 erg s-1 cm-2 herabgesetzt. Die resultierenden Stichproben, die bisher zu mehr als 80% optisch nachbeobachtet wurden, umfassen insgesamt mehr als 1500 Galaxienhaufen. Während den optischen Nachbeobachtungen haben wir die bisher weit entferntesten Galaxienhaufen in der ROSAT Himmelsdurchmusterung mit Rotverschiebungen um z=0.5 entdeckt. Abb. 2-69 zeigt einen solchen extrem massiven, entfernten Galaxienhaufen aus der nördlichen NORAS-Durchmusterung, für den Nachbeobachtungen am Calar Alto Observatorium durchgeführt werden. Solch seltene, sehr leuchtkräftige und massive Objekte, die bei unserem Vorstoß zu einer tieferen Flussgrenze nun vermehrt gefunden werden, sind besonders interessante Objekte für detaillierte Studien im Röntgen-, Infrarot-und submm-Bereich. In order to extent our cosmological studies beyond the presently reached 1000 Mpc, i.e., to test the primordial regime, we have reduced the X-ray flux limit of the surveys mentioned above from about 3 10-12 erg/s/cm2 (0.1-2.4 keV) to 1.8 10-12 erg/s/cm2. The resulting samples, of which 80% have optical follow-up observations, include more than 1500 clusters. In the course of the optical follow-up observations, we have discovered the hitherto most distant galaxy cluster in the ROSAT survey with a redshift of z=0.5. Fig. 2-69 shows an extremely massive, distant cluster obtained from the northern NORAS survey, for which observations at the Calar Alto Observatory have been performed. Similar rare, very luminous and massive objects, which are expected to be discovered when we go to deeper flux limits, are of special interest for detailed studies in X-rays, IR and sub-mm.  
Die REFLEX- und NORAS-Durchmusterungen konzentrieren sich auf die Untersuchung von Galaxienhaufen mit galaktischen Breiten |b| > 20 Grad. Die dadurch entstehende Beobachtungslücke behindert die genaue Analyse der großskaligen Dichtefluktuationen. Die Erkennung von Galaxienhaufen im dichten Sternfeld der Milchstraße ist jedoch besonders schwierig und stellt hohe Anforderungen an die optische Identifikation. Hierzu werden CCD-Aufnahmen, die vor allem auch am Skinakas-Observatorium durchgeführt werden, mit automatischen Verfahren analysiert und die Signifikanz der Haufenentdeckung ermittelt. The REFLEX and NORAS surveys concentrate on studies of galaxy clusters with galactic latitudes |b|>20 degrees. The resulting gap complicates the detailed analysis of the large-scale density fluctuations. The detection of galaxy clusters in the crowded stellar fields of the Milky Way is quite difficult and requires a high quality of the optical identification. CCD images, obtained mainly at the Skinakas Observatory, are thus automatically analysed and the significance of the cluster detections determined. lang=EN-GB>
Um aus der beobachteten Verteilung von Galaxienhaufen (oder auch Galaxien) Informationen über das zugrunde liegende kosmologische Modell zu gewinnen, muss man zunächst geeignete statistische Maße finden, welche die Beobachtungen beschreiben. Der Vergleich der morphologischen Eigenschaften von Simulationsrechnungen mit der beobachteten Galaxienverteilung liefert dann eine Möglichkeit, kosmologische Modelle auszuschließen oder zu favorisieren. Damit die statistische Beschreibung der Daten mit den immer besser werdenden Survey-Daten (z.B. SDSS) Schritt halten und auch über die etablierten linearen Maße wie Leistungsspektrum oder Zweipunktkorrelationsfunktion hinausgehen, wurden von uns neue Tests wie die N(alpha)-Spektra-Methode entwickelt. In order to get information about the underlying cosmological model from the observed distribution of the galaxy clusters (or galaxies), statistical measures must be found which describe the observations. The comparison of the morphological properties of simulated and observed galaxy distributions offers the possibility of rejecting or favouring certain cosmological models. In order to adapt the statistical description of the data to the increasing quality of the surveys (e.g. SDSS) and to go beyond the description offered by such traditional linear measures as the power spectrum or the two-point correlation function, we developed new tests like the N(alpha) spectrum.  
Abb. 2-70: OCDM Modell und ein dazugehöriges Surrogat. Die Farbcodierung entspricht den jeweiligen Werten in den N(alpha)-Spektren. Das Leistungsspektrum ist in beiden Fällen gleich. Die relative Häufigkeitsverteilungen, die N(alpha)-Spektren, unterscheiden jedoch statistisch signifikant das OCDM-Modell und seine Surrogate.

Fig. 2-70: OCDM model and the corresponding surrogate. The colour coding corresponds to the values of the N(alpha) spectra. In both cases the power spectrum is the same. However, the relative frequency distributions, the N(alpha) spectra, separate the OCDM model and the surrogates with high statistical significance.


Um diese statistischen Maße zu testen, wurden simulierte Galaxienverteilungen und Surrogate erzeugt, die sowohl das Leistungsspektrum der Punktverteilung als auch die Amplitudenverteilung im Ortsraum konstant lassen (Abb. 2-70). Der visuelle Vergleich der Originalverteilung und der Surrogate deutet darauf hin, dass bei den Surrogaten vor allem die feinen filamentartigen Strukturen reduziert sind. Ebenso sind die leeren Gebiete (voids) weniger ausgeprägt. Gemäß der Konstruktion der Surrogate sind aber Leistungsspektrum bzw. Zweipunktkorrelationsfunktion für alle Punktverteilung (nahezu) identisch. Die neue Methode liefert jedoch deutliche Unterschiede. To test these statistical measures, simulated galaxy distributions and surrogates were produced which have the same power spectrum of the point distribution and the same distribution of the amplitudes in configuration space (Fig. 2-70). The visual impression of the original distribution and the surrogates suggests that the surrogates appear less filamentary. In addition, the empty regions (voids) are less pronounced. By construction both the power spectrum and the two-point correlation function are the same for the point distributions. However, the new method shows large differences.
Da das N(alpha)-Spektrum eine strukturelle Dekomposition der zugrunde liegenden Punktverteilung darstellt, können die Unterschiede im N(alpha)-Spektrum eindeutig mit morphologischen Unterschieden in der Galaxienverteilung assoziiert werden. So beschreibt die Verringerung der relativen Häufigkeit bei alpha-Werten von 1 bis 2 quantitativ und statistisch signifikant den erwähnten Verlust von filamentartigen Strukturen. Gleichzeitig erhöht und verschiebt sich das Maximum der N(alpha)-Verteilung bei den Surrogaten zu größeren Werten, was einer größeren Anzahl zufällig verteilter Punkte entspricht. Die Analysemethode birgt schließlich die Möglichkeit, verschiedene Strukturelemente anhand der alpha-Indizes zu identifizieren und zu extrahieren. The N(alpha) spectrum provides a decomposition of the structural features of the underlying point distribution, so that differences in the N(alpha) spectra can be uniquely associated with morphological differences in the galaxy distributions. The reduction of the relative frequencies of the alpha values from 1 to 2 describes quantitatively and statistically significant the loss of filament-like structures mentioned above. In addition, the maximum of the N(alpha) distribution of the surrogates is increased and shifted to higher values, which correspond to a larger number of randomly distributed points. Finally, the method offers the possibility of identifying and extracting different structure elements using the alpha index.


Statistik der Galaxienhaufenpopulation / Statistics of the Galaxy Cluster Population



Abb. 2-71: Mittlere Signifikanz (Wahrscheinlichkeit) für Galaxienhaufen mit regulären, ungestörten Helligkeitsverteilungen als Funktion der relativen lokalen Haufendichte.

Fig. 2-71: Mean significance (probability) for galaxy clusters with regular, undisturbed brightness distributions as a function of the relative local cluster density.

Derzeit diskutierte Modelle zur Beschreibung der Entstehung und Entwicklung der großräumigen Strukturen im Universum legen nahe, dass vereinfacht gesprochen Galaxien zuerst entstehen und erst danach Galaxienhaufen und Haufen von Galaxienhaufen (Superhaufen). In diesen hierarchischen Modellen spielt also das Zusammenfließen von Objekten zu größeren Einheiten eine zentrale Rolle. Die Rate, mit der die größeren Strukturen gebildet werden, hängt dabei entscheidend von der mittleren Materiedichte des Universums ab: je kleiner die Dichte desto geringer die derzeit beobachtbare Bildungsrate. Als Maß für diese Rate kann man das Auftreten von Unterstrukturen in Röntgenbildern von Galaxienhaufen benutzen. Ein verwandter lokaler Effekt wurde im Rahmen einer systematischen Untersuchung der Beobachtungsrate kollidierender Galaxienhaufen gefunden. Dabei wurden Daten von 470 ROSAT-Galaxienhaufen auf Unterstruktur untersucht. Es stellte sich heraus, dass mit steigender lokaler Haufenanzahldichte die Wahrscheinlichkeit für nichtreguläre, durch Zusammenstöße von Haufen gestörte Röntgenbilder deutlich höher wird (Abb. 2-71). Die Struktur eines Galaxienhaufens wird danach entscheidend von seiner lokalen Umgebung bestimmt. Presently discussed models of the formation and evolution of the large scale structure in the Universe suggest that in simple language galaxies were formed first and galaxy clusters and clusters of galaxy clusters (superclusters) thereafter. The merging of objects to larger units thus plays an important role in these hierarchical models. The formation rate of the larger structures is closely related to the mean matter density of the Universe: the smaller the density the smaller the presently observable formation rates. The occurrence rates of substructure in X-ray images of galaxy clusters can be used as a measure of the merger rate. A related local effect was discovered in the course of a systematic study of the frequency of colliding galaxy clusters. 470 ROSAT galaxy clusters were analysed for substructure. It was found that the probability of non-regular X-ray images, distorted by the merging of galaxy clusters, increases with local cluster number density (Fig. 2-71). The structure of a galaxy cluster thus strongly depends on its local environment.
Mit dem endgültigen Ziel eines Verständnisses der Physik der Umgebung eines Galaxienhaufens in dem Sinne, dass wir fähig sind, mit Hilfe der wohl-charakterisierten Erscheinung eines Haufens in einem Wellenlängenbereich (optisch oder Röntgen) seine Eigenschaften in anderen Bereichen vorherzusagen, und zu verstehen, ob Galaxienbildung von Ort zu Ort variiert, haben wir im Rahmen eines Nachbeobachtungsprogramms tiefe, großflächige CCD-Bilder in verschiedenen Farben von Galaxienhaufen einer repräsentativen Stichprobe von REFLEX-Galaxienhaufen aufgenommen. Basierend auf kombinierten Mosaik-Bilddaten des Wide Field Imagers (WFI) am MPEA/ESO 2.2m-Teleskop im La Silla Observatorium in Chile erstellen wir nun eine der umfangreichsten optischen Untersuchungen dieser Objekte (Abb. 2-72), die das gesamte virialisierte Haufenvolumen und die umgebende Einfallregion vollständig überdecken. In diesen Daten sticht die Anreicherung optischer Galaxien und seine Morphologie deutlich heraus. Die Betrachtung dieser Bilder und der neuesten XMM-Newton-Daten dieser Objekte zeigt, dass die Verteilung der optischen Galaxien und des Intrahaufengases einander gleichen. Wir bestätigen auch die Tendenz elliptischer Galaxien, Gebiete erhöhter Galaxiendichte gegenüber den Spiralgalaxien zu dominieren. With the final goal of understanding the physics of the cluster environment, so that we are able to predict from the well-characterized appearance of a cluster in one waveband (optical or X-rays), its properties in another, and so that we are able to understand if galaxy formation has varied from place to place, we perform a programme to follow-up representative samples of selected REFLEX galaxy clusters with deep wide-field multi-color imaging. Based on combined mosaic imaging data from the Wide Field Imager (WFI) at the MPEA/ESO 2.2m telescope at the La Silla observatory in Chile, we are now producing some of the richest optical information on these objects (Fig. 2-72), covering the total virialized cluster volume and the surrounding in-fall region completely. In these data the optical galaxy enhancement and its morphology is clearly standing out. Inspection of these images and the latest XMM-Newton data of these objects reveals that the distributions of the optical galaxies and the intracluster gas follow each other. We also confirm the tendency for elliptical galaxies to predominate over spiral types in high galaxy density environments.
Abb. 2-72: Links: Galaxienverteilung, erhalten mit Wide Field Imaging-Daten, in einer der sehr massiven REFLEX-Haufen. Ellipsen markieren Galaxien; die blauen überlagerten Konturen zeigen die Verteilung der Röntgen-Flächenhelligkeit dieses Haufens. Rechts: XMM-pn-Röntgenbild desselben Haufens.

Fig. 2-72: Left: Galaxy distribution in one of the very massive REFLEX clusters deduced from the Wide Field Imaging data. Ellipses mark the galaxies; the blue over-plotted contours show the X-ray surface brightness distribution of this cluster. Right: XMM-pn X-ray image of the same cluster.


Fragen nach der Beziehung zwischen der Galaxienpopulation und der lokalen Umgebung, nach dem Ursprung der Massenfunktion von Galaxien und Galaxienhaufen, nach den Bildungs-, Überlebens- und Verschmelzungsraten kosmischer Strukturen usw. verlangen ein tieferes Verständnis als man es durch numerische N-Körper-Rechnungen gewinnen kann. Abstrakte Diffusionsprozesse wie sie im Rahmen des erweiterten Press-Schechter-Formalismus von Bond et al. eingeführt wurden, erlauben die analytische Berechnung der oben genannten Größen. Leider konnten die theoretischen Ergebnisse in der Vergangenheit nur mit Hilfe eines im Ortsraum stark oszillierenden Massenfilters gewonnen werden, dessen Form physikalisch nicht begründet werden kann. Die Verallgemeinerung des von Bond et al. betrachteten Diffusionsprozesses ergab im Rahmen unserer analytischen Untersuchungen Filterfunktionen, die nicht mehr oszillieren. Ihre Form umrahmt damit in sehr realistischer Weise Gebiete primordialer Materie, aus denen sich später virialisierte Objekte entwickeln. Zukünftige analytische Betrachtungen sollen Nicht-Markoff-Prozesse einschließen.


Questions concerning the relation between the galaxy population and the local environment, the origin of the galaxy and cluster mass function, the formation, survival and merger rates of cosmic structures etc. require a deeper understanding as obtained with numerical N-body simulations. Abstract diffusion processes as derived within the framework of the extended Press-Schechter formalism of Bond et al. yield analytic relations for the quantities mentioned above. Unfortunately, the theoretical results could only be derived for mass filters strongly oscillating in configuration space, whose profiles cannot physically be justified. Our analytic treatment of more general diffusion processes as discussed by Bond et al. yield non-oscillating filter functions. Their profiles thus frame in a very realistic way those spatial regions of primordial matter from which ultimately virialized objects will be formed. Future studies should include non-Markovian processes.

[Ambros, Böhringer, Bunk, Huber, Komossa, Lynam, Morfill, Räth, Retzlaff, Schuecker, Voges]

2.4.3   Sub-Millimeter Studien der Sternbildung in entfernten Galaxien /
Sub-mm Studies of Star Formation in distant Galaxies

Viele Galaxien bei hoher Rotverschiebung mit Sternentstehung können durch optische Aufnahmen gefunden werden, die auf die Lyman-Kante, im Ruhesystem im Ultraviolet, abgestimmt sind. Einzeln sind diese Lyman-Break-Galaxien (LBGs) schwache Ferninfrarotquellen, da sie relativ wenig Staub enthalten. LBGs sind aber so zahlreich, dass sie einen merklichen Teil zur im Infrarothintergrund widergespiegelten kosmischen Sternentstehung beitragen. Um diesen Beitrag näher zu bestimmen, haben wir mit dem MAMBO-Array am IRAM 30m-Teleskop die Staubemission von 18 Lyman-Break-Galaxien bei z~3 bei 250 GHz gemessen. Unsere Quellen sind meist zu schwach um einzeln detektiert zu werden, werden aber im Mittelwert nachgewiesen. Interessanterweise kommt die gesamte Stichhaltigkeit dieses Nachweises von der Hälfte der Quellen mit roten R-K-Farben. Im Gegensatz dazu wird die Hälfte mit blauen R-K-Farben mit Null verträglich gefunden. Dieser Unterschied legt nahe, dass die (im Ruhesystem) UV-optischen Farben mit der Staubemissivität korrelieren, und dass wir so eine verlässliche Abschätzung machen können, wie viel die LBG-Population zum Ferninfrarothintergrund beiträgt. Dieser Ansatz ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber früheren Versuchen, allein aus den unsicheren UV-Farben die Ferninfrarotemission der LBGs abzuschätzen. Many star-forming galaxies at high redshift can be identified by optical imaging tuned to the (rest frame ultraviolet) Lyman break feature in their spectrum. Individually, these Lyman break galaxies (LBGs) are weak far-infrared sources because they contain relatively little dust. However, LBGs are so numerous that they may account for a substantial fraction of the universe's star formation traced by the far-IR background. To constrain this contribution, we have used the MAMBO array at the IRAM 30m telescope to measure the dust continuum emission from 18 z~3 Lyman break galaxies at 250 GHz. Our sample sources are mostly too faint to be detected individually, but are detected statistically when considered together. Intriguingly, we find that total significance of this detection comes from the half of our sample with red R-K colors. The half of our sample with blue R-K colors, in contrast, is measured at a level consistent with zero. This difference suggests that (rest-frame) UV-optical colors correlate with the dust emissivity of LBGs, and therefore that we can make a robust estimate of how much the full LBG population contributes to the far-IR background. This approach represents an improvement over previous attempts to use highly uncertain UV colors alone to estimate the far-IR emission LBGs.
Abb. 2-73: Links: Mit dem Hubble Space Telescope bei 5550Å aufgenommenes optisches Bild von cB58. Die im Hintergrund stehende Lyman Break-Galaxie wird durch Gravitationslinsenwirkung der massiven elliptischen Galaxie südöstlich von ihr in eine bogenförmige Struktur (mit einem Kreuz markiert) abgebildet. Das weiße Quadrat zeigt das von uns in CO(3->2) kartierte Gebiet von 30" x 30". Rechts: Gesamtintensität der CO(3->2)-Linie in cB58. Konturlinien sind Vielfache von 1 sigma = 0.088 Jy beam-1 km s-1.

Fig. 2-73: Left panel: Hubble Space Telescope optical image of cB58 at a wavelength of 5550Å. The background Lyman break galaxy is gravitationally lensed into the arclike structure (marked with a cross) by the massive elliptical lying to its southeast. The white square indicates the 30" x 30"  field which we have mapped in CO(3->2). Right panel: Integrated intensity of the CO(3->2) line in cB58. Contours are multiples of 1 sigma = 0.088 Jy beam-1 km s-1.


In einem weiteren Projekt haben wir das IRAM Plateau de Bure - Interferometer (PdBI) benutzt, um molekulare Emission in der hellsten bekannten Lyman-Break-Galaxie, der durch Gravitationslinseneffekt verstärkten Quelle cB58, zu suchen. Bei einer Rotverschiebung von 2.77 ist der J = 3->2 Rotationsübergang von CO zu einer Frequenz von 93 GHz verschoben. Abb. 2-73 zeigt den ersten Nachweis einer solchen Linie in einer LBG mit einer Signifikanz von 5.6 sigma. Dies entspricht nach Berücksichtigung der Gravitationslinsenverstärkung einer Gesamtmasse des molekularen Gases von 1.0 x 1010 Msol. Aus dem Verhältnis der H-alpha- und CO(3->2)-Flüsse von cB58 können wir unabhängig von der Gravitationslinsenwirkung abschätzen, wie lange die derzeitige Episode der Sternbildung weitergehen kann, bis sie ihren Treibstoff erschöpft. Diese Zeit ergibt sich zu 440 Millionen Jahre, etwas länger als das aus Populationssynthese abgeschätzte Alter der derzeitigen Episode von etwa 100 Millionen Jahren. Wir folgern, dass cB58 (und vermutlich andere LBGs) in einem solchen Ereignis 1.3 x 1010 Sonnenmassen an Sternen bilden können - ein merklicher Teil der Masse eines heutigen Sphäroids. In a separate project, we have used the IRAM Plateau de Bure Interferometer to look for molecular line emission in the brightest known Lyman break galaxy - the gravitationally lensed source cB58. At a redshift of 2.7, this galaxy has the J = 3->2 rotational transition of the CO molecule redshifted to a frequency of 93 GHz. Fig. 2-73 shows what is in fact the first detection of this line in any LBG, at a 5.6 sigma level which (after correction for lensing magnification) corresponds to a total molecular gas mass of 1.0 x 1010 Msol. By taking the ratio of H-alpha and CO(3->2) fluxes from cB58, we can estimate - independent of lensing or cosmology - how long the present episode of star formation can continue before it exhausts its fuel supply. This "exhaustion time" turns out to be 440 Myr, somewhat longer than the ~100 Myr age of the current episode (as estimated from population synthesis models). We conclude that cB58 (and by extension other LBGs) can form 1.3 x 1010 solar mass of stars in such an event, a significant fraction of the mass of a present-day spheroid.
Zusammen mit Gruppen am MPIfR und NRAO führen wir bei 1.2 mm eine tiefe, große Gebiete abdeckende Durchmusterung mit dem Max-Planck-Millimeter Bolometer Array ("MAMBO") am IRAM 30m-Teleskop durch. Dank der großen räumlichen Abdeckung und der hohen Kartierungsgeschwindigkeit von MAMBO konnten schon mehr als 50 sichere Detektionen von hellen mm-Quellen gemacht werden, die leuchtkräftigen Galaxien bei hoher Rotverschiebung entsprechen. Ein mit MAMBO beobachtetes südliches Feld ist auf das sogenannte NTT Deep Field zentriert, aber größer als dieses. Die Identifikation der Quellen ist wegen der Größe der Antennenkeule des 30m-Teleskops (10.7") und der hohen Dichte der Kandidaten allein auf Grund der Bolometerdaten unmöglich. Um die mm-Quellen verstehen zu können, verwenden wir als ersten wichtigen Schritt mm- und Radio-Interferometrie, mit der Positionen auf besser als eine Bogensekunde bestimmt werden können, wie für eine Identifizierung in sehr tiefen nahinfrarot/optischen Daten benötigt. Für das NTT Deep Field gewannen wir eine empfindliche VLA-Karte bei 1.4 GHz, und für einige der hellsten Quellen mm-Interferometrie mit dem IRAM PdBI. Mit Beobachtungen an ESO-Teleskopen konnten wir bereits tiefe Aufnahmen im nahen Infrarot (KS=22; 3 sigma über das gesamte Feld) und im Optischen gewinnen (B, V, R und I ~ 26.9, 26.2, 25.7, und 24.5, 3 sigma). Für den zentralen Teil des NTT Deep Field existieren noch tiefere optische und Nahinfrarot-Aufnahmen, die öffentlich verfügbar sind. In collaboration with groups at the MPIfR and NRAO we have been conducting a deep wide area survey at 1.2 mm with the Max-Planck-Millimeter Bolometer Array ("MAMBO") on the IRAM 30m telescope at Pico Veleta/Spain. The large areal coverage and high mapping speed of MAMBO have produced more than fifty firm detections of bright mm sources, corresponding to luminous galaxies at high redshift. One region that has been surveyed with MAMBO is a southern field centered on, but larger than, the so-called NTT Deep Field. Since the beam of the 30m telescope is large (10.7") and the density of possible counterparts high, it is impossible to make proper source identifications using the bolometer data alone. Our strategy to characterize the nature of mm sources uses mm and radio interferometry as a first essential step to obtain sub-arcsecond accuracy positions, required for subsequent identification in very deep NIR/optical data. For the NTT Deep Field, we have obtained a sensitive VLA 1.4 GHz map, and IRAM Plateau de Bure (PdBI) mm interferometry of several of the brightest sources. Our observations at ESO telescopes have already provided very significant deep near-infrared imaging (Ks=22; 3 sigma limit over the entire field) and optical imaging (B, V, R and I to 26.9, 26.2, 25.7, and 24.5, 3 sigma). Deeper optical and near-IR images of the central part of the NTT Deep Field are available publically.
Wir verfügen jetzt über PdBI mm-Interferometrie für drei der hellsten MAMBO-Quellen im NTT Deep Field, die zu den hellsten, wahrscheinlich nicht linsenverstärkten (sub)mm Quellen gehören (S1.2mm>
3.0 mJy). Interessanterweise zeigen die interferometrisch bestimmten genauen Positionen, dass keine dieser MAMBO-Quellen ein Gegenstück im KS-Band oder im Optischen hat, bis zu sehr schwachen Magnituden (KS=22). Diese tiefen Grenzen im K-Band bedeuten starke Randbedingungen für Natur und Rotverschiebung dieser Objekte. Wenn die mm-Quellen spektrale Energieverteilungen ähnlich denen naher ultraleuchtkräftiger Infrarotgalaxien haben, dann müssten sie bei Rotverschiebungen über 4.5 liegen. Alternativ könnten sie bei niedrigeren Rotverschiebungen sein, müssten aber im UV und optischen Farben stärker verdunkelt sein als selbst die der extremsten ULIRGs wie Arp220 (Abb. 2-74). Zusammen mit unseren früheren Arbeiten und Resultaten aus der Literatur legen diese Ergebnisse nahe, dass etwa ein Drittel der (sub)mm-Galaxien zu dieser Objektklasse ohne sichtbare Objekte im nahen Infrarot oder Optischen gehören.
We have now obtained PdBI mm interferometry for three of the brightest MAMBO sources in the NTT Deep Field which are among the brightest likely non-lensed (sub)mm sources (S1.2mm>3.0 mJy). Interestingly, the accurate interferometry positions revealed that none of these MAMBO sources has a KS-band (or optical) counterpart down to very faint magnitudes (KS=22). These faint K-band limits for the rather bright 1.2 mm MAMBO sources place stringent constraints on the nature and redshift of these sources. If the mm sources have spectral energy distributions similar to low redshift ultraluminous infrared galaxies, then they must be at redshifts >4.5 - if at lower redshifts they must be more obscured than even the most extreme ULIRGs such as Arp220 (Fig. 2-74). Combination of these results with our previous work and results from the literature suggests that about a third of the (sub)mm galaxy population belong to this class of objects without near-infrared or optical counterparts.

[Baker, Dannerbauer, Genzel, Lehnert, Lutz, Tacconi]

Abb. 2-74: Links: Tiefe K-Band und optische Aufnahmen für drei helle mm-Galaxien. An den interferometrisch bestimmten Positionen befinden sich keine Objekte bis K~22mag. Kreuze geben 2 sigma-Fehler für die interferometrischen Positionen von IRAM-PdBI und VLA an. Rechts: Zu erwartende K-Band-Magnitude als Funktion der Rotverschiebung für eine mm-Quelle mit S1.2mm=5mJy, unter Annahme einer spektralen Energieverteilung ähnlich wie bei lokalen ultraleuchtkräftigen Infrarotgalaxien. Die Nicht-Detektion der drei mm-Galaxien bis zu sehr schwachen K-Magnituden deutet an, dass diese mm-Quellen stark durch Staub verdeckt sind - stärker als die staubreichsten lokalen "Starbursts" - oder dass sie sich bei extrem hohen Rotverschiebungen befinden (z>=4).

Fig. 2-74: Left: Deep K-band and optical images of three bright mm galaxies. No objects are found to K~22mag at the interferometrically determined positions. Crosses indicate the 2 sigma errors of the interferometric positions determined by IRAM-PdBI and VLA. Right: Expected near-infrared (K-band) magnitude of a mm source with S1.2mm=5mJy as a function of redshift, assuming spectral energy distributions similar to local ultra luminous infrared galaxies. The non-detection of the three mm galaxies down to very faint K-magnitudes suggests that these mm sources are highly obscured - more highly obscured than the dustiest local starbursts - or are at extremely high redshifts (z>=4).


2.4.4   Infrarotbeobachtungen der Galaxienentwicklung /
Infrared Observations of the Evolution of Galaxies

Durchmusterungen mit ISOCAM im mittleren Infrarot haben zur Entdeckung infrarotheller Galaxien bei Rotverschiebungen von 0.5-1.5 geführt. Zur Untersuchung von Energiebilanz und Sterngehalt dieser Population haben wir die spektralen Energieverteilungen 55 solcher Galaxien aus dem südlichen Hubble Deep Field untersucht, darunter einige (ultra)leuchtkräftige Infrarotgalaxien. Wir haben mit dem PEGASE-Code die Galaxienspektren simuliert, unter Annahme einer Kombination von Mustersternen und mit verschiedenen auf lokalen Beispielen beruhenden Voraussetzungen für Gas- und Staubverteilung. Unsere Ergebnisse sind wie folgt: ISOCAM-Galaxien sind im Mittel massereiche Systeme, ihre Sterne und ihr Gas entsprechen 1010.5-11.5 Sonnenmassen. Wahrscheinlich sind sie die Vorgänger heutiger massereicher Spiralgalaxien. Die meisten durchlaufen einen starken staubverdeckten Ausbruch von Sternentstehung, der ~15-30% der gesamten Masse erfasst. Der größte Teil ihrer Sternpopulation entstand vor dem jetzigen Ausbruch, zwischen z~0.75 und z~3. Unter Berücksichtigung dieser vergangenen Sternentstehung konnten wir die durchschnittliche Sternentstehungsgeschichte von ISOCAM-Galaxien zwischen z=0 und z=4.5 berechnen. Das Ergebnis ähnelt früheren Abschätzungen der Sternentstehungsgeschichte von Spiralgalaxien aus Zählungen schwacher Galaxien und stützt damit sehr die Vorstellung, dass ISOCAM-Galaxien große scheibendominierte Spiralgalaxien sind. ISOCAM mid-infrared surveys have lead to the discovery of IR-bright galaxies at redshifts 0.5-1.5. In order to investigate the energetics and the stellar content of this population, we have analysed the spectral energy distributions of 55 galaxies drawn from the ISOCAM survey of the Hubble Deep Field South, including a number of Luminous and Ultra-Luminous Infrared Galaxies. For our analysis we used the PEGASE code to simulate the galaxy spectra assuming a combination of stellar templates, and making various assumptions for the gas and dust distribution based on local templates. Our study has resulted in the following: ISOCAM galaxies are on average massive systems, their stellar and gas content represents 1010.5‑11.5 solar masses. It is likely that they are the counterparts of present-day massive spiral galaxies. Most of them undergo an intense dust-enshrouded starburst, which represents ~ 15-30% of their total stellar mass. The bulk of their stellar populations formed before the current burst, between z~0.75 and z~3. Taking into account this past star formation episode, we were able to compute the averaged star formation history of ISOCAM galaxies between z=0 and z=4.5. The result is similar to previous estimates of the star formation history of spirals from faint galaxy counts, strongly supporting the idea that most ISOCAM galaxies are actually large disk dominated spiral galaxies.
Die Ergebnisse der Simulation spektraler Energieverteilungen stimmen gut mit dem Ergebnis unseres Beobachtungsprogramms zur Bestimmung dynamischer Eigenschaften von ISOCAM-Galaxien überein. Unsere neuen Beobachtungen mit VLT-ISAAC bestätigen das letztjährige Ergebnis, dass ISOCAM-Galaxien massereiche Galaxien (M > 1011 Sonnenmassen) bei einer mittleren Rotverschiebung 0.8 sind. Ein großer Teil (~40%) sind wechselwirkende und der Rest große scheibendominierte Spiralgalaxien. Da ISOCAM-Galaxien merklich zum extragalaktischen Infrarothintergrund beitragen, bedeuten unsere Ergebnisse, dass der Infrarothintergrund von relativ wenigen massereichen und leuchtkräftigen Objekten erzeugt wird. Diese sind vermutlich nicht die normalen Infrarotgegenstücke gewöhnlicher und irregulärer Galaxien. The results from modelling of spectral energy distributions are in good agreement with the results of our observational program to characterize the dynamical stage of ISOCAM galaxies. Our recent VLT-ISAAC observations confirmed last year's findings that ISOCAM galaxies are in fact very massive galaxies (M > 1011 solar masses) at a mean redshift of 0.8. A large fraction of them (~40%) are interacting, with the remaining objects being large disk dominated spirals. Since ISOCAM galaxies are contributing significantly to the infrared extragalactic background our results imply that the IR background light is made up by a relatively small number of very massive and IR luminous objects. These objects are probably not the standard IR counterparts of normal and irregular galaxies.
Abb. 2-75: Links: HST I-Band Aufnahme einer z=0.8-Galaxie für die wir eine Rotationskurve gemessen haben. Der weiße Balken entspricht 1". Rechts: Aus dem H-alpha-Spektrum abgeleitete Rotationskurve dieser Galaxie.

Fig. 2-75: Left: HST I-Band image of a z=0.8 galaxy for which we have obtained a rotation curve. The white bar indicates 1". Right: Rotation curve derived from the H-alpha spectrum of this galaxy.


In Zusammenarbeit mit dem SIRTF-IRAC-Team führen wir eine tiefe Nahinfrarotdurchmusterung des südlichen Chandra-Feldes durch. Vergleich der Nahinfrarotdaten mit Röntgenbeobachtungen zeigt, dass wir die dazugehörigen Nahinfrarotquellen für etwa 80% der optisch identifizierten Röntgenquellen gefunden haben und für etwa 13% der optisch nicht identifizierten. Eine spektroskopische Untersuchung der schwachen verdunkelten Quellen wird folgen.

In collaboration with the SIRTF-IRAC team we are carrying out a deep near-IR survey of the Chandra-South field. A comparison of our near-IR data with X-ray observations of the Chandra-S field revealed that we have detected the near-IR counterparts of about 80% of the optically-identified X-ray sources and about 13% of the optically unidentified ones. A spectroscopic investigation of the faint obscured sources will follow.

Die Tully-Fisher-Beziehung ist eine grundlegende empirische Korrelation zwischen Leuchtkraft und Rotationsgeschwindigkeit in Scheibengalaxien. Vermutlich spiegelt sie entweder Selbstregulierung der Sternentstehung in Scheiben unterschiedlicher Masse oder direkt die Äquivalenz zwischen Masse und Umlaufgeschwindigkeit wieder. Zum weitergehenden Verständnis von Entstehung und Entwicklung der Scheiben in Spiralgalaxien haben wir ein Programm zur Bestimmung von Nullpunkt und Steigung der Tully-Fisher-Beziehung und Sternentstehungsraten begonnen. Wir gewinnen mit ISAAC am VLT H-alpha-Rotationskurven von Galaxien in Haufen und im Feld bei hoher Rotverschiebung (0.6<z<1.5) (Abb. 2-75). Unsere Ergebnisse bestätigen, dass H-alpha in der Tat stärker, weniger extinktionsempfindlich und räumlich ausgedehnter als die oft benutzte [OII] 3727Å-Linie ist. The Tully-Fisher relation is a fundamental empirical correlation between luminosity and rotation speed in disc galaxies. It is likely that this relationship either reflects self-regulation of star-formation in discs with different masses, or is a direct consequence of the cosmological equivalence between mass and circular velocity. To take another step towards understanding the formation and evolution of discs in spiral galaxies, we have started a programme to determine the zero-point and slope of the Tully-Fisher relationship and star-formation rates. We obtain H-alpha rotation curves of a sample of high redshift (0.6<z<1.5) field and cluster galaxies using ISAAC on VLT (Fig. 2-75). Our results confirm that H-alpha is indeed stronger, less affected by extinction, and spatially more extended than the [OII] 3727Å line often used to measure high redshift rotation curves.


Abb. 2-76: Tully-Fisher-Beziehung für Galaxien bei hoher Rotverschiebung. Die durchgezogene Linie zeigt die Beziehung für lokale Galaxien, die gestrichelte ist eine Anpassung der Daten mit gleicher Steigung. Wir sehen etwa 1.5 Magnituden Leuchtkraftentwicklung bis z~1.

Fig. 2-76: Tully-Fisher relation for galaxies at high redshift. The solid line is the relation for local galaxies, the dashed line is a fit to the data with the same slope as the local relation. At redshifts z~1 we see about 1.5 magnitudes of luminosity evolution.

Wir finden eine starke Entwicklung in der Tully-Fisher-Beziehung von z=0 bis z=1. Der Nullpunkt hat sich um delta MB~1.5 verschoben, aber die Steigung bei z~1 ist noch mit der der lokalen Beziehung verträglich (Abb. 2-76). Für alle vernünftigen kosmologischen Parameter kann die lokale Tully-Fisher-Beziehung als akzeptable Beschreibung unserer Ergebnisse bei z~1 ausgeschlossen werden. Unsere Statistik genügt noch nicht, um Unterschiede zwischen Haufen und Feld zu untersuchen. Über unsere kleine Stichprobe gemittelt sind die Sternentstehungsraten größer als die bei geringer Rotverschiebung, in etwa entsprechend der H-alpha-Leuchtkraftfunktion bei z~1.3. Die beobachtete Entwicklung der T-F-Beziehung ist verträglich mit einem Modell, in dem die Sternentstehungsrate seit einem Ausbruch bei hoher Rotverschiebung (z~3-5) exponentiell mit Zeitkonstanten von 1-5 Milliarden Jahren abfällt. Solch ein einfaches (aber nicht eindeutiges) Entwicklungsmodell würde mit den geringen Änderungen in der Verteilung von Skalenlängen und dem merklichen Anstieg der Flächenhelligkeit mit der Rotverschiebung übereinstimmen. Ähnliche Verläufe der Sternentstehung wurden zur Erklärung von Eigenschaften naher Spiralgalaxien eingeführt. We have found strong evolution in the Tully-Fisher relation from z=0 to z=1. The zero-point has evolved by delta MB~1.5 but the slope of the Tully-Fisher relation at z~1 is consistent with the slope of the relation for nearby galaxies (Fig. 2-76). Under any reasonable assumption of the cosmological parameters, the T-F relation at zero redshift can be excluded as an acceptable fit to our results for galaxies at z~1. We do not have the statistics yet to gauge differences between cluster and field sample. Averaged over our small sample, the star-formation rates are larger than those at low redshift and are broadly consistent with the H-alpha luminosity function for galaxies at z~1.3. The observed evolution of the T-F relation to z~1 is consistent with a model where the star-formation rate is decaying exponentially with decay time scales of 1-5 Gyrs starting from a burst at high redshifts (z~3-5). Such a simple (but non-unique) evolutionary model would agree with the small change in the distribution of size scales and the substantial increase in surface brightness with redshift. Similar star-formation histories have been invoked to explain the characteristics of local spiral galaxies.

[Barden, Genzel, Lehnert, Moy, Rigopoulou]

MPE Jahresbericht 2001 / MPE Annual Report 2001


HTML version: 2002-06-10; Helmut Steinle