GRB 111209A - SN 2011kl

... eine extrem leuchtkräftige Magnetar-getriebene Supernova bei einem ultra-langen Gammablitz


Original-Publikation:
A very luminous magnetar-powered supernova associated with an ultra-long gamma-ray burst
Link to Nature 523, 189 (2015) or preprint Version (Text nicht identisch; 2 Abb. weniger)

Was sind Gammablitze und Supernovae?

Kurze und lange Gammablitze

Gammastrahlen-Ausbrüche (kurz Gammablitze; engl.: Gamma-Ray Bursts; GRBs) sind die stärksten Explosionen im Universum. Etwa einmal pro Tag detektieren unsere wissenschaftlichen Experimente auf Satelliten in der Erdumlaufbahn einen typisch nur Sekunden dauernden Blitz von Gammastrahlung. Das derzeitige Standardmodell der Gammablitze beruht auf zwei entgegengesetzt gerichteten Jets, die mit fast Lichtgeschwindigkeit ausgestossen werden, und in internen Schockwellen die Gammastrahlung erzeugen. Wenn diese Jets mit der umgebenden interstellaren Materie kollidieren, wird das sog. Nachleuchten (engl.: afterglow) der GRBs erzeugt.

Ein Jet kann durch zwei verschiedene Szenarien erzeugt werden: Einerseits durch einen zu einem Schwarzen Loch kollabierenden massereichen Stern (ca. 30 bis 50mal die Masse der Sonne) am Ende seines Lebens - dies ist das bisherige Standardmodell für die langen GRBs, mit Gammaemission über einen Zeitraum von 2-2000 Sekunden. Andererseits können zwei umeinander kreisende, schliesslich verschmelzende Neutronensterne auch einen Jet erzeugen - dies ist das Standardmodell für die kurzen GRBs, mit Gammaemission über einen Zeitraum kleiner als 2 Sekunden.

Ultra-lange Gammablitze

In den letzten Jahren wurden vier GRBs mit besonders langer Dauer gefunden - die Emission hielt zwischen 10000 bis 25000 Sekunden an. Solche GRBs sind mit Satelliten in einer nahen Erdumlaufbahn extrem schwierig zu finden, weil nach typisch 2000 Sekunden die Erde die Sicht zu dem GRB blockiert. Wenn die Sicht nach ca. 6000 Sekunden wieder frei ist, hat sich der Strahlungshintergrund so stark geändert, dass man schwache zusätzliche Emission nicht vom Hintergrund unterscheiden kann.

Wegen der extremen Länge dieser GRBs wurde spekuliert, dass sie von entsprechend grösseren Sternen, nämlich blauen Überriesen, stammen könnten.

Kernkollaps-Supernovae

Kernkollaps-Supernovae entstehen, wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebens allen Kernbrennstoff verbraucht hat. Der fehlende Strahlungsdruck führt zum Kollaps der äusseren Sternhülle, und schliesslich zur Explosion des Sternes. Anhand des Vorhandenseins von Wasserstoff und Helium, gemessen durch optische Spektroskopie, unterscheidet man verschiedene Sub-Typen von Kernkollaps-Supernovae. Die einige Wochen bis Monate lang-andauernde Emission im Optischen und Infraroten wird im wesentlichen durch den radioaktiven Zerfall von 56Ni → 56Co → 56Fe gespeist. Energetische Abschätzungen zeigen, dass etwa 0.1 Sonnenmasse an 56Ni notwendig ist, um die in den Supernova-Lichtkurven sich manifestierende Strahlungsleistung zu erklären.

Nach Gammablitzen auftretende Supernovae

Bei etwa einem Dutzend GRBs mit besonders kleiner Entfernung (Rotverschiebung kleiner als ca 0.5) konnte nach Abklingen des Nachleuchtens die Emission einer Supernova spektroskopisch untersucht werden. Allen diesen Supernovae von GRBs ist gemeinsam, dass sie weder Wasserstoff noch Helium in ihren optischen Spekten zeigen, und deshalb ihre äussere Hülle in einer vor der Explosion durchlaufenen Wind-Phase (ähnlich einem Wolf-Rayet-Stern) verloren haben (engl.: stripped envelope supernova). Die mit GRBs einhergehenden Supernovae sind typisch einen Faktor 2-5 leuchtkräftiger als klassische Kernkollaps-Supernovae, daher der früher geläufige Name "Hypernovae".

"Super-leuchtkräftige" Supernovae

Seit einigen Jahren beobachten Astronomen eine neue Sub-Klasse von Supernovae, die einen Faktor 10-100 heller sind als die klassischen Kernkollaps-Supernovae, sog. super-leuchtkräftige (engl.: super-luminous) Supernovae. Ausserdem sind die Anstiegs- und Abklingzeiten deutlich länger. Da diese extremen Leuchtkräfte nicht mehr nur durch den radioaktiven Zerfall von 56Ni erklärt werden können, beinhaltet das Standardmodell einen Magnetar, der zusätzliche Energie in die Supernova-Hülle einspeist.

Die Beobachtungen

Von unserer internationalen Kollaboration wurden zwei verschiedene Beobachtungen durchgeführt: (1) Zum einen eine über 70 Tage andauernde Serie photometrischer Messungen mit dem GROND-Instrument des Max-Planck Instituts für extraterrestrische Physik in sieben Farbkanälen gleichzeitig. Die Kombination der Helligkeiten in den verschiedenen Farbbändern erlaubt die Konstruktion der bolometrischen Lichtkurve des GRB-Nachleuchtens und der Supernova. (2) Zum anderen eine spektroskopische Beobachtung mit dem X-shooter Instrument an einem der vier 8.2m VLT-Teleskope der ESO auf Paranal (Chile) kurz vor dem Maximum der Supernova-Lichtkurve, etwa zwei Wochen nach dem GRB-Ausbruch. Daraus lässt sich auf den Supernova-Typ und auf die Expansionsgeschwindigkeit der Supernova-Hülle schliessen.

Diese bodengebundenen Beobachtungen wurden primär durch die Detektion des Gammablitzes durch den Swift Satelliten initialisiert. Am 9. Dezember 2011 registrierte das "Burst-Alert Teleskop" (BAT) auf Swift einen etwa 300 Sekunden langen GRB. Swift begann ein Schwenkmanöver, um sein Röntgen- und optisches Teleskop auf den GRB auszurichten und das Nachleuchten zu vermessen. Soweit nichts Ungewöhnliches. Aber zwei Minuten später schlug der Detektor schon wieder an. Und kurze Zeit später meldeten auch zwei andere Satelliten das Anschlagen ihrer Detektoren auf diesen GRB. Die kombinierten Daten ergaben eine Emissionsdauer der Gammastrahlung von ca. 15000 Sekunden.

Was ist daran neu?

Zum ersten Mal wurde eine zu einem ultra-langen GRB gehörige Supernova entdeckt. Die beobachteten Eigenschaften (Fehlen von Wasserstoff sowie die Form der Lichtkurve) schliessen definitiv einen Blauen Überriesen als Vorläuferstern aus. Bisherige Suchen nach Supernovae von ultra-langen GRBs waren entweder nicht empfindlich genug oder mit zu schlechter zeitlichen Abdeckung erfolgt.

Neben der simplen Entdeckung sind aber die beobachteten Eigenschaften von GRB 111209A / SN 2011kl das eigentlich interessante Ergebnis: die grosse Leuchtkraft der Supernova erfordert etwa das 10fache der sonst üblichen Nickelmasse, also 1 Sonnenmasse bei der Explosion freigesetztes 56Ni. In In der explodierenden Sternhülle würde dies (wegen der Mischung mit vielen Sonnenmassen leichterer Atome) eine signifikante Absorption des ultravioletten und blauen Spektralbereiches verursachen. Das mit dem X-shooter Instrument aufgenommene Spektrum zeigt aber besonders viel ultraviolette Strahlung, d.h. die Interpretation der Supernova-Leuchtkraft mit 1 Sonnenmasse 56Ni kann nicht korrekt sein.

Deshalb wurde eine neue Interpretation der hohen beobachteten Leuchtkraft notwendig. Die Ähnlichkeit des Spektrums unserer Supernova mit jener der ultra-langen Supernovae legte die bei diesen geläufige Interpretation der Magnetare als primäre Energiequelle nahe. Der Magnetar regt die ausgestossene Sternhülle durch weitere Energiezufuhr an und erzeugt somit eine Supernova, deren Energieausstoss grösser ist als die bei dem Zerfall von 56Ni freiwerdende Energiemenge.

Es ist weiterhin naheliegend, dass auch die ultra-lange Dauer der Gammaemission durch die Aktivität des Magnetars verursacht wird.

Wie gelangen diese Beobachtungen?

Diese Arbeit gelang als geniale Synthese zweier einmaliger Instrumente mit besonders breiter Wellenlängenabdeckung. "Die mit dem auch nach 8 Jahren Betriebszeit immer noch weltweit einmaligen GROND-Instrument gewonnenen Daten haben die Erstellung einer bolometrischen Lichtkurve erlaubt und damit die extreme Leuchtkraft der Supernova aufgezeigt." sagt Jochen Greiner vom MPE Garching, Erst-Autor dieser Publikation sowie Erfinder und Erbauer von GROND. "Und ohne das X-shooter Spektrum wäre es unmöglich gewesen, den radioaktiven Zerfall von 56Ni als Hauptenergiequelle eindeutig ausschliessen zu können." ergänzt Thomas Krühler von der Europäischen Südsternwarte (ESO), Mitautor dieser Studie.

Was sind die Konsequenzen für unser Verständnis von Gammablitzen und Supernovae?

Bislang gab es keine wirklich aussagekräftigen Fakten zu der Natur der Vorläufersterne der GRBs. Ebenso war die Natur des zentralen kompakten Objektes, welches nach der Explosion übrig bleibt, weitestgehend Spekulation. Dies galt natürlich auch für die ultra-langen GRBs. Da nur jede etwa 30.000ste Supernova einen GRB erzeugt, muss der Vorläuferstern irgendeine besondere Eigenschaft haben: dies kann eine besonders grosse Masse sein, oder eine besonders schnelle Rotation, oder auch ein besonders starkes Magnetfeld. Bisher war die allgemeine Annahme, dass GRBs nur von besonders massereichen Sternen (mehr als das 30-50fache der Sonnenmasse) erzeugt werden. Dementsprechend sollte ein GRB die Entstehung eines Schwarzen Loches anzeigen. Mit der Supernova 2011kl von GRB 111209A ist diese Annahme widerlegt, zumindest für ultra-lange GRBs.

Eine ganz offensichtliche Folgefrage ist die nach dem Zusammenhang zwischen den normalen langen sowie den ultra-langen GRBs? Falls dies zwei verschiedene Objektklassen sind, dann ist es erstaunlich, eine dritte Klasse zu haben (zusätzlich zu den kurzen GRBs), die GRBs erzeugen können. Wenn dagegen ultra-lange GRBs nur Extreme der langen GRBs sind, dann ist der Unterschied in den Explosionen verblüffend: welche Eigenschaft bestimmt, ob die Supernova-Lichtkurve hauptsächlich durch 56Ni angetrieben wird, oder aber durch einen Magnetar?

Schliesslich bleibt die Frage nach dem entscheidenden Parameter, der über die Produktion eines GRB entscheidet, d.h. wann wird ein Jet gebildet, der dann die Gammastrahlung erzeugt? Wenn es nicht eine besonders grosse Masse des Vorläufersternes ist (entsprechend unserer neuen Befunde), ist es dann eher schnelle Rotation oder ein starkes Magnetfeld?

Auch für die Supernova-Forscher gibt es eine neue Frage: was ist der Zusammenhang zwischen klassischen Kernkollaps-Supernovae (ohne Wasserstoff und Helium) und den super-leuchtkräftigen Supernovae? Bilden sich in allen diesen Supernovae Neutronensterne, aber nur manche davon werden zu Magnetaren (siehe unten)?

Was ist daran so spannend?

Diese Frage hat zwei Komponenten:

Wissenschaftlich gesehen zeigt der Beobachtungsbefund einen unerwarteten Zusammenhang zwischen GRBs, super-leuchtkräftigen Supernovae und Magnetaren. Teilaspekte wurden aus theoretischen Überlegungen schon früher vermutet, aber die Verbindung zwischen allen drei Objekttypen ist eine neue Qualität." sagt Paolo Mazzali, Ko-Autor dieser Arbeit. Der Fall von SN 2011kl/GRB 111209A zwingt uns, ernsthaft nach einer Alternative zum Kollapsar Szenario zu suchen. schlussfolgert Jochen Greiner.

Dieser Befund ist eng verbunden mit der nicht verstandenen Ursache der Variabilität im Gammabereich. Das Kollapsar-Szenario, mit Akkretion von zurückfallendem Material auf das zentrale Schwarze Loch als Grundidee, hat schon seit vielen Jahren Probleme mit einigen Beobachtungsfakten. Warum erstreckt sich z.B. die Dauer der GRB-Emission über drei Grössenordnungen, während die die GRB Dauer bestimmende Freifallzeit des Vorläufersternes nur um einen Faktor 2-3 variiert, abhängig von seiner Masse? Oder wie lassen sich spektral identische Gamma-Pulse erklären, zwischen denen minutenlang absolute "Gamma-Ruhe" besteht, also keine noch so kleine Gamma-Emission nachweisbar ist? Der klare Hinweis auf Neutronensterne als die zentral kompakte Komponente könnte uns einem kohärenten Bild über die Ursachen und den Mechanismus der GRBs ein Stück näher gebracht haben. hofft Jochen Greiner.

Technisch gesehen war die breite Wellenlängenabdeckung ganz wesentlich, sowohl mit GROND für die Erstellung der bolometrischen Lichtkurve, als auch mit X-shooter für das Spektrum im nahen Ultraviolett-Bereich. Diese Entdeckung demonstriert wieder einmal, wie wichtig die Kombination kleiner Teleskope (systematischen Überwachung) mit den empfindlichen Instrumenten der Grossteleskope (Spektroskopie schwacher Objekte) wie des VLT der ESO sind. sagt Sylvio Klose von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg, Mitautor dieser Studie und Mitglied der GROND-Gruppe.


Zusätzliche Informationen

Was ist GROND?

GROND steht für "Gamma-Ray Burst Optical Near-Infrared Detector". Es ist eine Instrumentenentwicklung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) Garching unter Mitarbeit der Thüringer Landessternwarte Tautenburg. GROND benutzt optische Teilerplatten, um das Sternlicht in sieben photometrische Bänder aufzuteilen. Es ist damit weltweit die erste astronomische Kamera, welche simultane Beobachtungen von rund 400 bis 2300 nm Wellenlänge erlaubt, d.h. vom optischen bis in den nahen infraroten Spektralbereich. Man kann GROND als eine Fotokamera beschreiben, mit der gleichzeitig Aufnahmen in sieben Regenbogenfarben gemacht werden.

GROND ist in seiner technischen Spezifikation (Gesichtsfeld, Software-Ansteuerung, Teleskop-Anbindung) optimiert für Nachfolgebeobachtungen von GRBs. GROND reagiert dabei primär auf die Detektion solcher Ereignisse mit dem Ende 2004 gestarteten NASA-Satelliten Swift. Was Swift im Erdorbit im Gammastrahlenband detektiert und geortet hat, wird dann von GROND am Erdboden im Optischen/Nahen Infrarot weiterverfolgt. Aus der in sieben photometrischen Bändern simultan beobachteten Lichtkurve einer Explosion können dann deren physikalische Details aufgeklärt werden.

Die GROND-Kamera ist seit Sommer 2007 im regulären Beobachtungsbetrieb am 2.2-m-Teleskop der Max-Planck-Gesellschaft in den chilenischen Anden. Pro Jahr werden mit GROND zwischen 50 bis 100 Gammaburst-Explosionen untersucht. Viele Ergebnisse werden dabei durch die Mitglieder der Arbeitsgruppe noch in der Nacht ihrer Beobachtung ausgewertet und in Form von elektronischen Zirkularen unter der astronomischen Wissenschaftlergemeinde weltweit verbreitet. Ob an Sonn- oder Feiertagen, GROND kennt dabei keine Pausen und ist zum weltweit datenträchtigsten Instrument für rasche GRB-Nachfolgebeobachtungen geworden.

Was sind Magnetare

Aus Radiobeobachtungen kennen wir in unserer Galaxis etwa 2000 Pulsare. Diese schnell rotierenden Neutronensterne strahlen gerichtet in Kegelform, und wie beim Leuchtturmeffekt sehen wir die Emission immer nur dann, wenn der Kegel die Sichtlinie des Beobachters streift. Diese Neutronensterne haben einen Radius von 10-20 km, und Magnetfelder von etwa 10⁸ Tesla (oder 10¹² Gauss). Dieses entsteht durch Flusserhaltung beim Kollaps des Vorläufersterns ("Kompression" des Magnetfeldes des Vorläufersterns).

Hat der Vorläufersterns ein besonders starkes Magnetfeld, und ist die Rotationsperiode direkt nach dem Kollaps kleiner als ein bestimmter Grenzwert (etwa 10 ms), kann sich ein Magnetar bilden. Bei diesen Neutronensternen ist das Magnetfeld etwa 100-1000x stärker. Ein Teil der Energie wird der Rotationsenergie des Neutronensternes entnommen, sodass Magnetare viel schneller abgebremst werden als Pulsare.


Abbildungen


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Jochen Greiner
Last modified: Fri Dec 9 12:00:24 MET 2016