Die hier vorgestellten Messungen mit dem Very Large Telescope (ESO Chile) zeigen erstmals zirkulare Polarisation im Nachleuchten eines GRBs. Durch unterstützende photometrische Messungen mit dem GROND-Instrument des Max-Planck Instituts für extraterrestrische Physik können alternative Erklärungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden mit dem Resultat, dass die gemessene zirkulare Polarisation intrinsisch im GRB-Jet erzeugt worden sein muss. Daraus folgt der verblüffende Befund, dass entweder die Verteilung der das Nachleuchten erzeugenden Elektronen sehr anisotrop sein muss, oder der Jet hohl und mit einem helikalen Magnetfeld umwickelt ist, beides entgegen der bislang üblichen Annahmen des Standardmodells. Dementsprechend sind neue Modelle zur Erklärung des GRB-Nachleuchtens nötig.
Diese Ergebnisse, heute in der Zeitschrift "Nature" veröffentlicht, schliessen die meisten derzeitigen Modelle für den Emissionsmechanismus des Nachleuchtens dieser Explosionen aus.
Erstmals wurde die sog. zirkulare Polarisation (siehe zusätzliche Informationen am Ende) im Nachleuchten eines GRBs entdeckt. Die Messungen gelangen mit dem FORS2 Instrument am 8.2m VLT Teleskop der ESO in Chile. Massgeblich unterstützt wurde die Interpretation durch gleichzeitige Messungen mit GROND am 2.2m Teleskop der Max-Planck Gesellschaft in La Silla (ESO, Chile).
Keine der verschiedenen Modelle des Nachleuchtens von GRBs hat zirkulare Polarisation vorhergesagt. Die nun signifikant gemessene zirkulare Polarisation bedeutet, dass unsere Vorstellungen über die Beschleunigung der Elektronen in der Schockwelle sowie die Struktur der Jets und des Magnetfeldes substantiell überarbeitet werden müssen." sagt Jochen Greiner, Mitautor der Arbeit.
Wie im Detail dieser Beschleunigungsprozess funktioniert, ist weitgehend unklar. Entsprechende Vorgänge sind auf der Erde im Labor nicht nachvollziehbar, und auch mit Computermodellen schwierig zu untersuchen. Deshalb versuchen Forscher alle Eigenschaften des emittierten Lichtes zu messen -- in zunehmendem Masse auch die Polarisationseigenschaften.
Es gibt mehrere Modelle für die Beschleunigung von Elektronen und den Emissionsmechanismus des Nachleuchtens. Alle diese Modelle sagen lineare Polarisation in einem bestimmten Masse voraus, aber alle sind sich einig darin, dass keine zirkulare Polarisation entsteht.
"Unsere Kollaboration ist die erste weltweit, welche die Wichtigkeit dieser technisch schwierigen Messungen erkannt hat, und systematisch auf besonders geeignete (helles Nachleuchten) GRBs wartet, um möglichst tiefe Grenzwerte zu erreichen", sagt der Erstautor der Studie, Klaas Wiersema, niederländischer Astronom an der University of Leicester (GB). Zu unserer aller Überraschung haben wir deutlich grössere zirkulare Polarisation gemessen als jemals vorhergesagt.
"Die mit dem auch nach 7 Jahren Betriebszeit immer noch einmaligen GROND-Instrument gewonnenen Daten haben die für die Interpretation der Polarisationsdaten entscheidenden Parameter geliefert. Ohne diese Zusatzinformationen wäre die vorliegende Arbeit unmöglich gewesen, weil man zwisachen dem Dutzend alternativen Interpretationsmöglichkeiten nicht hätte unterscheiden können." sagt Jochen Greiner vom MPE Garching, Erfinder und Erbauer von GROND.
Diese intrinsische Natur der zirkularen Polarisation erlaubt eine
erste sehr interessante Schlussfolgerung: Da zirkulare
Polarisation nicht in einem Elektronen-Positronen-Plasma erzeugt werden
kann, muss der GRB Jet aus einem Protonen-Elektronen-Plasma bestehen.
Dies ist insofern interessant, als durch die kürzlichen IceCube
Messungen, bei denen keine Neutrinos von GRBs nachgewiesen werden
konnten, starke
Zweifel an dem Vorhandensein von Protonen in den
GRB-Jets aufgekommen sind.
"Die Entdeckung von zirkularer Polarisation in GRB 121024A gibt
neue Hoffnung, dass die zukünftigen IceCube Messungen
doch noch die heiss ersehnten Neutrinos nachweisen werden."
sagt Jochen Greiner.
Der Ursprung der zirkularen optischen Polarisation im Nachleuchten des GRB 121024A ist ein aufregendes Puzzle. Intrinsische Polarisation von der in das interstellare Medium laufenden Schockwelle sollte umgekehrt proportional zu dem Lorentzfaktor der chaotisch sich bewegenden Elektronen sein, die die optische Strahlung aussenden - unter der Annahme einer isotropen Winkelverteilung der Elektronen relativ zur Expansionsrichtung des Jets. Die grosse beobachtete zirkulare Polarisation bedeutet deshalb extrem kleine Werte für den Lorentzfaktor der Elektronen, völlig inkonsistent mit dem Standardszenario des Nachleuchtens. Diese Schlussfolgerung ist unabhängig davon, ob das Magnetfeld grossräumig geordnet ist oder nicht (Abb. 6), da ein ungeordnetes Feld sowohl die lineare als auch die zirkulare Polarisation gleichermassen beeinflusst.
Unsere GROND Daten sowie die gleichzeitige Messung von linearer und
zirkularer Polarisation lassen deshalb nach derzeitiger Kenntnis
nur zwei Erklärungsmöglichkeiten übrig:
(1) Die Winkelverteilung der Elektronen ist anisotrop.
Dies ist ebenfalls entgegen der üblichen Annahme im Standardmodell,
allerdings schon für andere unerklärliche Effekte bei
GRBs vorgeschlagen worden, für die aber keine keinerlei
experimentellen Beweise erbracht werden konnten.
(2) Der Jet ist nicht homogen, sondern innen hohl, und hat ein
sich aussen um den Jet wickelndes helikales Magnetfeld (Abb. 7),
in der Form ähnlich wie ein Korkenzieher, nur mit zunehmendem
Durchmesser der Windungen.
Auch hohle Jets sind in der Vergangenheit schon als eine von mehreren
Möglichkeiten vorgeschlagen worden,
aber auch dafür liessen sich keine experimentellen Beweise
erbringen.
Soweit wir derzeit wissen, erfordert die gemessene zirkulare Polarisation eine dieser beiden Alternativen. Beide Fälle ziehen jeweils weitere unvermeidliche Konsequenzen nach sich, die es jetzt gilt, systematisch gegen die vorhandenen vielfätigen Beobachtungsbefunde zu testen. Mit dieser Messung ist eine neue Runde in der Iteration unseres Standardmodelles des GRB Nachleuchtens eingeläutet, und man darf mit Spannung die Neuerungen erwarten.
"Diese Entdeckung demonstriert wieder einmal, wie wichtig die kleinen Teleskope für die Interpretation der Daten der Grossteleskope wie des VLT der ESO sind." sagt Sylvio Klose von der Landessternwarte Thüringen, Mitautor dieser Studie und Mitglied der GROND-Gruppe.
Abb. 6: Schema eines GRB-Jets (nur eine Seite des zweiseitigen Jets gezeigt),
dessen Konus vollständig mit Materie gefüllt ist (links).
Das mittlere und rechte Bild zeigen die Ansicht von rechts in den Jet hinein,
wobei es für die Struktur des Magnetfeldes zwei Alternativen gibt:
entweder das Magnetfeld ist geordnet (Mitte), oder es ist chaotisch (rechts).
Aber in beiden Fällen sehen wir nur kleine Volumina des Jets (gelbe
Kreise), die von einem Zeitpunkt zum nächsten variieren), aber nicht
grosse Teile des Jets (lila Kreise).
Abb. 7: Schema eines GRB-Jets mit hohlem Kern, und einem in der
äusseren Schicht helikal aufgewickelten Magnetfeld (rote und
grüne Linien).
Zirkular polarisiertes Licht:
Zirkular polarisiertes Licht kann man sich als Lichtwellen vorstellen,
bei denen
die Schwingungsebene nicht konstant im Raum fixiert ist, sondern sich
entlang der Ausbreitungsrichtung der Welle wie ein Korkenzieher dreht,
und dabei seine Amplitude nicht ändert.
Vorkommen auf unserer Erde:
In unserer natürlichen Umgebung kommt linear polarisiertes Licht vor, wenn
Lichtwellen unter bestimmten Winkeln reflektiert oder an sehr kleinen
Teilchen gestreut werden. Zum Beispiel ist das blaue Licht des Himmels
teils linear polarisiert. Zirkular polarisiertes Licht ist in der Natur noch
weniger häufig vertreten. Es kann jedoch bei der Mehrfachreflexion von Licht
auftreten, sofern geeignete Reflexionswinkel vorkommen. Auch einige
organische Materialien können zirkular polarisiertes Licht emittieren.
Allerdings wird es regelmässig in 3D Filmen benutzt, um die Illusion
von Tiefe zu erzeugen: durch spezielle Brillen bekommt jedes Auge ein anderes
Bild zu sehen.
GROND ist in seiner technischen Spezifikation (Gesichtsfeld, Software-Ansteuerung, Teleskop-Anbindung) optimiert für Nachfolgebeobachtungen von GRBs. GROND reagiert dabei auf die Detektion solcher Ereignisse mit dem Ende 2004 gestarteten NASA-Satelliten Swift. Was Swift im Erdorbit im Gammastrahlenband detektiert und geortet hat, wird dann von GROND am Erdboden im Optischen/Nahen Infrarot weiterverfolgt. Aus der in sieben photometrischen Bändern simultan beobachteten Lichtkurve einer Explosion können dann deren physikalische Details aufgeklärt werden.
Die GROND-Kamera ist seit Sommer 2007 im regulären Beobachtungsbetrieb am 2.2-m-Teleskop der Max-Planck-Gesellschaft in den chilenischen Anden und arbeitet seither höchst zuverlässig. Pro Jahr werden mit GROND zwischen 50 bis 100 Gammaburst-Explosionen untersucht. Viele Ergebnisse werden dabei durch die Mitglieder der Arbeitsgruppe noch in der Nacht ihrer Beobachtung ausgewertet und in Form von elektronischen Zirkularen unter der astronomischen Wissenschaftlergemeinde weltweit verbreitet. Ob an Sonn- oder Feiertagen, GROND kennt dabei keine Pausen und ist zum weltweit datenträchtigsten Instrument für rasche GRB-Nachfolgebeobachtungen geworden.
Karla Varela
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
81379 Garching
Tel.: 089-30000-3359
E-Mail: kvarela@mpe.mpg.de
Sylvio Klose
Thüringer Landessternwarte
07778 Tautenburg
Tel.: 036427-863-53
E-Mail: klose@tls-tautenburg.de