Beobachtungen einer weit entfernten, gewaltigen Explosion zeigen überraschende Bestandteile früher Galaxien

2. November 2011
Ein internationales Astronomenteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik benutzte das kurze aber helle Aufleuchten eines weit entfernten Gammastrahlenausbruchs (GRB vom englischen Gamma-Ray Burst) um den Aufbau entfernter Galaxien zu untersuchen. Überraschenderweise zeigten die Beobachtungen, dass zwei Galaxien im jungen Universum mehr schwere Elemente enthalten als die Sonne. Die beiden Galaxien könnten gerade miteinander verschmelzen. Derartige Vorgänge im jungen Universum dürften zur Entstehung von vielen neuen Sternen führen und könnten Gammastrahlenausbrüche auslösen.

Gammastrahlenausbrüche (GRB vom englischen Gamma-Ray Burst) sind die hellsten Explosionen im Universum. Sie werden zuerst von Observatorien im Weltraum aufgespürt, die den anfänglichen, kurzen Gammastrahlenblitz aufzeichnen. Nachdem ihre genaue Position bestimmt ist, werden sie sofort mit großen, bodengebundenen Teleskopen beobachtet, die das sichtbare und infrarote Nachglühen der GRBs über Stunden und Tage hinweg aufzeichnen können. Ein derartiger Blitz, mit der Bezeichnung GRB 090323 wurde zuerst vom "Gamma-ray Space Telescope" der NASA entdeckt. Schon bald danach fingen der Röntgendetektor auf dem Swift-Satelliten und das GROND-System am MPG/ESO-2,2m-Teleskop das Signal auf. Mit den GROND-Daten konnten die Astronomen einen Mindestwert für die Sternentstehungsrate abschätzen, die ein Vielfaches derjenigen in unserer Galaxie betragen muss. Dieser Minimalwert rührt daher, dass die beobachtete Strahlung durch den Staub der Galaxien beeinflusst (genauer gesagt absorbiert) wird. Die tatsächliche Sternentstehungsrate könnte, wenn man die (unbekannte) Absorption durch Staub berücksichtigt, leicht 50 Mal höher sein, als in unserer Milchstraße.

Der GRB wurde auch im Detail mit dem "Very Large Telescope" (VLT) der ESO untersucht, nur einen Tag nach der Explosion. Diese Beobachtungen zeigen, dass das helle Licht des GRB durch seine eigene Galaxie und eine weitere, nahe Galaxie hindurch scheint. Man sieht diese Galaxien, wie sie vor etwa 12 Milliarden Jahre ausgesehen haben. Derart weit entfernte Galaxien werden nur selten vom Licht eines Gammastrahlenausbruchs angestrahlt. "Als wir das Licht dieses GRB analysierten, wussten wir noch nicht, was wir finden würden. Es war eine große Überraschung für uns, dass das kalte Gas in diesen beiden Galaxien im frühen Universum solch eine unerwartete chemische Zusammensetzung hatte", erklärt Sandra Savaglio (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik), die Erstautorin des Artikels, der die neuen Ergebnisse beschreibt. "Diese Galaxien enthalten mehr schwere Elemente als man je in einer Galaxie so früh im Universum gesehen hat. Wir haben nicht erwartet, dass das Universum sich so früh chemisch schon so weit entwickelt hat."

Als das Licht des GRB durch die Galaxien hindurchschien, fungierte das dort vorhandene Gas wie ein Filter und absorbierte das Licht bei bestimmten Wellenlängen. Ohne den GRB wären diese schwach leuchtenden Galaxien unsichtbar. Durch eine sorgfältige Analyse der charakteristischen "Fingerabdrücke" der unterschiedlichen chemischen Elemente konnte das Team die Zusammensetzung des kühlen Gases in diesen weit entfernten Galaxien bestimmen, insbesondere wie reich sie an schweren Elementen waren.

Man erwartet, dass Galaxien im jungen Universum geringere Mengen an schweren Elementen enthalten als die Galaxien heute, wie die Milchstraße. Diese schwereren Elemente werden von Generationen an Sternen während ihres Lebens und Sterbens produziert und reichern sich im Gas der Galaxien an. Astronomen können anhand der chemischen Anreicherung in Galaxien bestimmen, wie weit sich diese bereits entwickelt haben. Die neuen Beobachtungen zeigen allerdings überraschenderweise, dass einige Galaxien bereits weniger als zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall einen sehr großen Anteil an schweren Elementen enthalten - etwas, das bis vor Kurzem undenkbar gewesen wäre.

Das neu entdeckte Galaxienpaar muss in ungeheurem Tempo neue Sterne bilden, um das kalte Gas so schnell und stark anreichern zu können. Da die beiden Galaxien sich sehr nahe sind, könnten sie gerade miteinander verschmelzen, was zu Sternentstehung führen würde, wenn die Gaswolken zusammenstoßen. Die neuen Ergebnisse bestätigen auch die Theorie, dass Gammastrahlenausbrüche mit heftiger Sternentstehung einhergehen.

Die energiereiche Sternentstehung in Galaxien wie diesen könnte schon früh in der Geschichte des Universums zum Erliegen gekommen sein. Zwölf Milliarden Jahre später, also heute, würden die Überbleibsel derartiger Galaxien eine große Zahl an Sternüberresten, wie Schwarze Löcher und kühle Zwergsterne, enthalten. Damit würden sie eine schwer zu entdeckende Population an "toten Galaxien" bilden, die nur blasse Schatten ihrer strahlenden Jugend sind. Derartige Leichen heute aufzuspüren würde eine große Herausforderung darstellen.
"Wir können uns glücklich schätzen, dass wir GRB 090323 beobachten konnten, als er noch hell genug geleuchtet hat. So war es uns möglich diese spektakulären, detaillierten Beobachtungen mit dem VLT zu machen. Gammastrahlenausbrüche sind nur sehr kurze Zeit so hell und qualitativ hochwertige Daten zu erhalten ist sehr schwer. Wir hoffen, dass wir diese Galaxien in Zukunft wieder beobachten können, wenn wir sehr viel empfindlichere Instrumente haben - sie wären eine perfekte Aufgabe für das E-ELT", sagt Savaglio.

Weitere Informationen :   Das Wissenschaftlerteam besteht aus S. Savaglio (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching bei München [MPE]), A. Rau (MPE), J. Greiner (MPE), T. Krühler (MPE; Technische Universität München, Garching, Germany [TUM]; Dark Cosmology Centre, Niels Bohr Institute, University of Copenhagen), S. McBreen (University College Dublin, Ireland; MPE), D. H. Hartmann (Clemson University, Clemson, USA), A. C. Updike (Clemson; Dickinson College, Department of Physics and Astronomy, Carlisle), R. Filgas (MPE), S. Klose (Thüringer Landessternwarte Tautenburg), P. Afonso (MPE), C. Clemens (MPE), A. Küpcü Yoldas (ESO, Garching), F. Olivares E. (MPE), V. Sudilovsky (MPE; TUM) and G. Szokoly (Eötvös University, Budapest, Ungarn).


letzte Änderung 2011-11-09 durch H. Steinle

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