Ideale Bedingungen für Studien am Schwarzen Loch

Erfolgreiche Beobachtungen von GRAVITY mit den 8m VLT Teleskopen der ESO

21. Juni 2016
Ein Team europäischer Astronomen ist einen entscheidenden Schritt weiter um die Allgemeine Relativitätstheorie mit dem uns nächstgelegenen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße zu testen. Zum ersten Mal wurde jetzt das neu installierte GRAVITY-Instrument zusammen mit den 8-Meter VLT-Teleskopen der ESO verwendet, um einen Stern zu beobachten, der das Schwarze Loch in nur 16 Jahren einmal umkreist. Diese Tests demonstrierten eindrucksvoll die Empfindlichkeit von GRAVITY, mit dem dieser Stern in nur wenigen Sekunden Belichtungszeit nachgewiesen werden kann – ein Rekord für optische Interferometrie um mehrere Größenordnungen. Dies macht den Weg frei, Einsteins Theorie in Aktion zu sehen, direkt um ein schwarzes Loch. Sowohl das Zielobjekt als auch ein Referenzstern in der Nähe zeigen keine Hinweise darauf, Teil eines Doppelsternsystems zu sein; dies macht zukünftige Messungen viel weniger komplex. Damit wird das Team in naher Zukunft in der Lage sein, äußerst präzise Positionsmessungen des umlaufenden Sterns zu erhalten, und damit zu überprüfen, ob die Bewegung um das schwarze Loch den Gesetzen der allgemeinen Relativitätstheorie folgt - oder auch nicht. Die jetzigen Beobachtungen zeigen, dass das galaktische Zentrum wie erhofft, das ideale Labor ist.

Nur 25.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt, im Sternbild Schütze, liegt das Zentrum der Milchstraße mit einem schwarzen Loch, das 4 Millionen mal so schwer ist wie die Sonne. Seine Existenz ist seit 2002 bekannt, als die Umlaufbahn des Sterns S2 bestimmt werden konnte: Im Laufe von 16 Jahren zieht der Stern eine winzige Ellipse am Himmel mit einer Größe von nur 0,2 Bogensekunden. Wenn man ein Fußballstadion auf dem Mond platzieren würde, schiene es ebenso groß - oder so klein - wenn man von der Erde darauf blickt. Zwar konnten die Astronomen mit bisherigen Instrumenten die Umlaufbahn genau genug vermessen, um die Masse des Schwarzen Lochs zu bestimmen; um aber die allgemeine Relativitätstheorie zu testen muss man viel genauer messen - so genau als ob man Objekte auf dem Mond zentimetergenau im imaginären Stadion ausfindig machen muss.

Das neue Instrument GRAVITY - entwickelt in einer Zusammenarbeit der Max-Planck-Institute für extraterrestrische Physik (MPE) und Astronomie (MPIA), LESIA am Observatorium von Paris und IPAG an der Université Grenoble Alpes/CNRS, der Universität zu Köln, Centro Multidisciplinar de Astrofísica Lisbon and Porto (SIM) und der Europäischen Südsternwarte (ESO) - ist speziell für diesen Zweck entwickelt worden. GRAVITY ist ein Interferometer und kombiniert das Licht der vier 8-Meter-Teleskope des VLT auf dem Gipfel des Berges Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste. Um die Empfindlichkeit GRAVITY in dichten und vom Staub verhüllten Regionen wie dem galaktischen Zentrum weiter zu verbessern, wird außerdem jedes der 8-Meter-Teleskope mit einem neuen Coudé Infrarot Adaptive Optics (CIAO) System ausgerüstet.

Kombiniert man das Licht interferometrisch ergibt sich eine effektive Auflösung, die derjenigen eines virtuellen Teleskops mit 130 Meter Durchmesser entspricht. Daraus ergibt sich eine Verbesserung von einem Faktor 15 bei Auflösung und Präzision gegenüber den 8-Meter-Teleskopen, und dies macht es möglich Einsteins Theorie im galaktischen Zentrum zu überprüfen. Nachdem in den letzten zehn Jahren diese ultrapräzise Maschine entwickelt und gebaut wurde, stand das Team nun vor zwei entscheidenden Fragen: Wird GRAVITY die erforderliche Empfindlichkeit für die Beobachtung der schwachen Sterne um das galaktische Zentrum erreichen? Und würde das galaktische Zentrum als Labor kooperieren und saubere "Testteilchen" bieten, damit die vorhergesagten Auswirkungen von der Allgemeinen Relativitätstheorie tatsächlich gemessen werden könnten?

"Es war ein großartiger Moment für das ganze Team, als sich das Licht des Sterns S2 zum ersten Mal überlagerte", sagt der leitende Wissenschaftler für GRAVITY, Frank Eisenhauer vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München, Deutschland, begeistert. "Zuerst stabilisierten wir aktiv die Interferenz an einem hellen, nahe gelegenen Stern, und nur wenige Minuten später konnten wir tatsächlich die Interferenz des schwachen Sterns S2 sehen – wir haben es geschafft!" Auf den ersten Blick zeigen weder der Referenzstern noch S2 helle und massereiche Begleiter, die Beobachtung und Analyse erschweren würden. "Es sind ideale Probekörper", erklärt Eisenhauer.

Es war aber nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern auch ein Wettlauf gegen die Zeit: Die GRAVITY-Beobachtungen sind dringend jetzt notwendig, weil der Stern dem Schwarzen Loch 2018 am nächsten kommen wird, wo die gesuchten relativistischen Effekte am stärksten ausgeprägt sind. An diesem Punkt wird sich der Stern dem schwarzen Loch auf eine Entfernung von nur 17 Lichtstunden nähern, und mit einer Geschwindigkeit von fast 8000 km/s oder 2,5% der Lichtgeschwindigkeit daran vorbei sausen. Das ist tausendmal schneller als die internationale Raumstation ISS die Erde umkreist. Im Jahr 2018 wird die S2-Ellipse ihre Orientierung aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie ändern und sich in ihrer Ebene um etwa 0,2° drehen. Dieser relativistische Effekt ist um viele Größenordnungen stärker als etwa bei der Umlaufbahn des Merkur, des innersten Planeten im Sonnensystem. Die nächste Gelegenheit nach 2018, einen nahen Vorbeiflug von S2 um das schwarze Loch zu beobachten, wird erst 2033 sein.

Aufregende Zeiten warten auf Forscher am schwarzen Loch!

Flug durch GRAVITY

Diese Animation zeigt den Weg eines einfallenden Lichtstrahls im GRAVITY-Instrument. Beachten Sie das aufwändige Design und das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten für die vier Teleskope. Damit Interferometrie funktioniert, müssen die Lichtwege mit einer Genauigkeit von einem Bruchteil der Wellenlänge überlagert werden - weniger als 1 Mikrometer.

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