Ein Blick hinter den Kulissen bei der Entstehung protostellarer Scheiben

11. Juli 2016
Lange Zeit widersetzte sich die Entstehung von protostellaren Scheiben - eine Voraussetzung für das Entstehen von Planetensystemen um junge Sterne – den theoretischen Astrophysikern: In einer dichten, kollabierenden Wolke aus Gas und Staub würde auch das Magnetfeld mit ins Zentrum gezogen werden und dort seine Bremswirkung entfalten. Eine rotationsgestützte Scheibe kann kaum auf diese Art und Weise entstehen - es sei denn, die winzigen Staubkörner werden aus der Wolke entfernt, indem sie sich zu größeren Körnern zusammenklumpen. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik und anderen Institutionen. Die realistischeren Simulationen berücksichtigen nun auch nicht-ideale Magneto-Hydrodynamik sowie die Chemie der Ionisierung, um eine rotationsgestützte protostellare Scheibe zu bilden.

Obwohl rotationsgestützte Scheiben um junge Sterne häufig beobachtet werden, war es für theoretische Studien bisher schwer, derartige Scheiben nachzubilden. Das Hauptproblem ist dabei das Magnetfeld der interstellaren Materie, das zur so genannten "magnetischen Bremskatastrophe" führt und zwar schon für mittlere Magnetfeldstärken. Bei Modellen mit idealer Magnetohydrodynamik (MHD) wird das Gas in das Magnetfeld "eingefroren" und die Feldlinien werden durch das kollabierende Gas in Richtung Mitte gezogen, so dass das Magnetfeld die Form einer Sanduhr erhält. Die stark zusammengepressten Feldlinien verbinden Materialien aus der unmittelbaren Nähe des Sterns mit Material viel weiter außen und übertragen Drehimpuls vom Zentrum weg. Selbst in nicht-idealen MHD-Modellen, bei denen neutrale Materie relativ zum Magnetfeld wandern kann, bleibt die Entstehung von rotationsgestützten Scheiben schwierig, wenn Standard-Chemie zur Beschreibung der Ionisierung bei der Berechnung der nicht-idealen MHD-Effekte verwendet wird.

"Das Problem sind winzige Staubkörner; wenn sie nicht da sind, erhalten wir eine rotationsgestützte Scheibe", sagt Bo Zhao, Hauptautor der Studie, die jetzt in MNRAS veröffentlicht wurde. "Diese winzigen Körner, die leicht durch die Absorption von Ionen und Elektronen elektrisch aufgeladen werden können, koppeln effektiv sowohl mit dem Magnetfeld als auch in Kollisionen mit den umgebenden Molekülen. Anders gesagt: auch die neutrale Materie ist aufgrund dieser winzigen Körner noch relativ gut mit dem Magnetfeld gekoppelt. Wenn wir diese nun aber entfernen, so koppeln die größeren Körner nicht so effektiv, so dass sich die neutrale Materie der Wolke viel schneller durch die Magnetfeldlinien schleichen kann und schließlich eine Scheibe bildet, die ausreichend Rotationsunterstützung besitzt. "

Interstellare Molekülwolken bestehen aus Gas und Staubkörnern mit einer "Standardverteilung" der Korngrößen, die auch eine große Menge an Körnchen in Nanometer-Größe enthält. Eine derartige Größenverteilung muss aber nicht unbedingt den dichteren Bereich der molekularen Wolke korrekt wiedergeben. In kalten und dichten Molekülwolken können sich die winzigen Körner mit Nanometer-Größe wie große Moleküle verhalten und auf der Oberfläche von größeren Staubteilchen einfrieren. Eine weitere Unterstützung für diese Idee kommt von Beobachtungen bei Zentimeter-Wellenlängen, die versuchen Strahlung von rotierenden Staubkörnern nachzuweisen; auch sie zeigen, dass kleine Körner mit einer Größe unter wenigen Nanometern in dichten Molekülwolken fehlen.

"Wenn die Körner meist größer als 0,1 Mikrometer sind, können die rotationsgestützten Scheiben massereich genug werden, um selbst-gravitierend zu sein und Ringe zu bilden", sagt Zhao. "Eine solche Struktur in 3D könnte leicht in mehrere Sternsysteme fragmentieren, was auch die hohe Vielzahl der Sterne in unserer Milchstraße erklären könnte."

"Es ist sehr überraschend, dass die Entfernung der kleinen Staubkörnchen, die"magnetische Bremskatastrophe" bei der Scheibenbildung verhindern kann", sagt Paola Caselli, Co-Autorin der Studie. "Dies ist ein Durchbruch in unserem Verständnis, wie sich protoplanetare Scheiben bilden. Zugleich zeigt es, dass die Chemie und Mikrophysik für die grundlegenden Prozesse im Bereich der Stern- und Planetenentstehung von entscheidender Bedeutung sind."

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