Erste detaillierte Beobachtungen von Materie in nahem Orbit um schwarzes Loch

GRAVITY-Instrument findet weitere Hinweise darauf, dass sich im Zentrum der Milchstraße ein Schwarzes Loch befindet.

31. Oktober 2018
Das neuartige Instrument "GRAVITY", das das Licht aller vier Teleskope des ESO VLT zu einem "Superteleskop" mit einem effektiven Durchmesser von 130 m vereint, ist einen großen Schritt weiter zu bestätigen, dass sich ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum unserer Milchstraße (und den meisten anderen massereichen Galaxien) befindet. Die Beobachtungen zeigen Gaswolken, die mit etwa 30% der Lichtgeschwindigkeit auf einer kreisförmigen Umlaufbahn außerhalb der innersten stabilen Umlaufbahn eines Schwarzen Lochs mit vier Millionen Sonnenmassen herumwirbeln.

Wissenschaftler aus einem internationalen Konsortium veröffentlichen am 31. Oktober 2018 ihre Beobachtungen von Strahlungsausbrüchen im Infrarotbereich aus dem Zentrum der Milchstraße. Diese Beobachtungen waren dem Konsortium aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), den Observatorien von Paris und Grenoble, der Universität Köln, dem Max-Planck-Institut für Astronomie, und den Universitäten Lissabon sowie Porto nur möglich mit dem GRAVITY-VLTI-Instrument.

Die Strahlungsausbrüche stammen aus der Akkretionsscheibe rund um Sagittarius A*, einem Ring aus Gas mit einem Durchmesser von etwa 10 Lichtminuten, der sich mit relativistischen Geschwindigkeiten um das galaktische Zentrum dreht. Die Materie kann dabei gefahrlos kreisen, solange sie dem Schwarzen Loch nicht zu nahe kommt – alles innerhalb des Ereignishorizonts kann der enormen Schwerkraft aber nicht mehr entkommen. Die jetzt beobachteten Strahlungsausbrüche stammen von Materie, die sich in einem Orbit nahe dieses Ereignishorizonts befindet.  

"Es ist wirklich umwerfend, dass wir tatsächlich sehen können, wie Materie ein riesiges Schwarzes Loch mit einer Geschwindigkeit von 30% der Lichtgeschwindigkeit umkreist", staunt Oliver Pfuhl, Postdoc-Forscher am MPE. "GRAVITY und seine enorme Empfindlichkeit erlaubten es uns, die Akkretionsprozesse in Echtzeit zu beobachten und zwar mit noch nie dagewesener Detailschärfe."

Die 10- bis 20-fach höhere Winkelauflösung und astrometrische Messgenauigkeit von GRAVITY sowie die Präzisionsspektroskopie mit der Integralfeldkamera SINFONI am VLT erlaubten dem gleichen Team bereits Anfang des Jahres, den nahen Vorbeiflug des Sterns S2 nahe an dem mutmaßlichen Schwarzen Loch Sagittarius A* zu messen. Bei der Analyse dieser Bahnbewegung entdeckten die Wissenschaftler Abweichungen von der Newton‘schen Dynamik, wie sie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wurden.

Während dieser Messungen erfasste das GRAVITY-Team auch starke Infrarotstrahlung von drei auffälligen hellen Flares, die von sehr energiereichen Elektronen noch viel näher am Schwarzen Loch stammen. Man geht davon aus, dass diese Emission in kompakten "magnetischen Gewittern" – analog zu den Sonneneruptionen – entsteht, in dem sehr heißen Gas, das um Sagittarius A* kreist. Die Bewegung der drei im galaktischen Zentrum beobachteten Flares lässt sich durch ein einfaches Orbitmodell erklären, dessen Radius drei- bis fünfmal größer ist als der Ereignishorizont.

Damit bestätigten diese Beobachtungen exakt die theoretischen Vorhersagen für derartige ‚heiße Flecken‘, die nahe der innersten stabilen Umlaufbahn kreisen. “Nimmt man all unsere Beobachtungen zusammen, dann haben wir einen deutlichen Beleg dafür, dass sich hier tatsächlich Materie auf einer Umlaufbahn nahe dem Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs mit vier Millionen Sonnenmassen befindet,” fasst Jason Dexter, einer der Hauptautoren vom MPE, zusammen.

Reinhard Genzel vom MPE, der die Studie leitete, erklärte: "Diese Beobachtungen waren für uns schon immer ein Traum, aber wir wagten nicht zu hoffen, dass es tatsächlich so schnell Realität werden würde, mit so eindeutigen Ergebnissen." In Bezug auf die Überzeugung, dass Sagittarius A* tatsächlich ein supermassereiches Schwarzes Loch ist, kommt Genzel zu dem Schluss, dass "dieses Ergebnis eine überwältigende Bestätigung des Paradigmas vom massereichen Schwarzen Loch ist".

Anmerkungen:

1. Wenn Sie eine Interviewanfrage haben, wenden Sie sich bitte per E-Mail direkt an die einzelnen Wissenschaftler oder an das Gruppensekretariat am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (siehe Kontaktdaten unten), da das gesamte Team diese Woche an einer Konferenz teilnimmt. Das Sekretariat wird sein Möglichstes tun sicherzustellen, dass Sie von einem der Wissenschaftler rechtzeitig eine Antwort erhalten.

2. Diese hochpräzisen Messungen wurden von einem internationalen Team unter der Leitung von Reinhard Genzel (MPE) in Garching, Deutschland, in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern auf der ganzen Welt, am Pariser Observatorium-PSL, an der Université Grenoble Alpes, CNRS, am Max-Planck-Institut für Astronomie, an der Universität Köln, am portugiesischen CENTRA - Centro de Astrofisica e Gravitação und an der ESO durchgeführt. Die Beobachtungen sind der Höhepunkt einer 26-jährigen Serie von immer genaueren Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße mit ESO-Instrumenten.

Die Ergebnisse wurden in einem Artikel der GRAVITY Kollaboration veröffentlicht: R. Abuter (ESO, Garching, Germany), A. Amorim (Universidade de Lisboa, Lisbon, Portugal), M. Bauböck (Max Planck Institute for Extraterrestrial Physics, Garching, Germany [MPE]), J.P. Berger (Univ. Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, France [IPAG]; ESO, Garching, Germany), H. Bonnet (ESO, Garching, Germany), W. Brandner (Max Planck Institute for Astronomy, Heidelberg, Germany [MPIA]), Y. Clénet (LESIA, Observatoire de Paris, PSL Research University, CNRS, Sorbonne Universités, UPMC Univ. Paris 06, Univ. Paris Diderot, Meudon, France [LESIA])), V. Coudé du Foresto (LESIA), P. T. de Zeeuw (Sterrewacht Leiden, Leiden University, Leiden, The Netherlands; MPE), C. Deen (MPE), J. Dexter (MPE), G. Duvert (IPAG), A. Eckart (University of Cologne, Cologne, Germany; Max Planck Institute for Radio Astronomy, Bonn, Germany), F. Eisenhauer (MPE), N.M. Förster Schreiber (MPE), P. Garcia (Universidade do Porto, Porto, Portugal; Universidade de Lisboa Lisboa, Portugal), F. Gao (MPE), E. Gendron (LESIA), R. Genzel (MPE; University of California, Berkeley, California, USA), S. Gillessen (MPE), P. Guajardo (ESO, Santiago, Chile), M. Habibi (MPE), X. Haubois (ESO, Santiago, Chile), Th. Henning (MPIA), S. Hippler (MPIA), M. Horrobin (University of Cologne, Cologne, Germany), A. Huber (MPIA), A. Jimenez Rosales (MPE), L. Jocou (IPAG), P. Kervella (LESIA; MPIA), S. Lacour (LESIA), V. Lapeyrère (LESIA), B. Lazareff (IPAG), J.-B. Le Bouquin (IPAG), P. Léna (LESIA), M. Lippa (MPE), T. Ott (MPE), J. Panduro (MPIA), T. Paumard (LESIA), K. Perraut (IPAG), G. Perrin (LESIA), O. Pfuhl (MPE), P.M. Plewa (MPE), S. Rabien (MPE), G. Rodríguez-Coira (LESIA), G. Rousset (LESIA), A. Sternberg (School of Physics and Astronomy, Tel Aviv University, Tel Aviv, Israel, Center for Computational Astrophysics, Flatiron Institute, New York, USA), O. Straub (LESIA), C. Straubmeier (University of Cologne, Cologne, Germany), E. Sturm (MPE), L.J. Tacconi (MPE), F. Vincent (LESIA), S. von Fellenberg (MPE), I. Waisberg (MPE), F. Widmann (MPE), E. Wieprecht (MPE), E. Wiezorrek (MPE), J. Woillez (ESO, Garching, Germany), S. Yazici (MPE; University of Cologne, Cologne, Germany).

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