Cluster und Double Star: eine Flotte von 6 Satelliten zur Erforschung der Magnetosphäre der Erde

Forschungsbericht (importiert) 2004 - Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

Autoren
Berndt Klecker; Matthias Förster, Edita, Georgescu, Stein Haaland, Arpad Kis, Goetz Paschmann, Manfred Scholer, Hans Vaith
Abteilungen
Weltraumplasmaphysik (Dr. Götz Paschmann)
MPI für extraterrestrische Physik, Garching
Zusammenfassung
Die Missionen Cluster und Double Star ermöglichen erstmals koordinierte Messungen in der Magnetosphäre der Erde mit bis zu 6 Satelliten. Cluster liefert dabei Daten von 4 in einer Tetraeder-Formation fliegenden Satelliten für Abstände von ~100 bis ~20000 km. Diese werden durch die beiden Double Star-Satelliten in polarer und äquatorialer Umlaufbahn ergänzt.

Die Cluster Mission

Die Cluster-Mission ([1], [2]) ist einer der Eckpfeiler des ESA-Wissenschaftsprogramms „Horizon 2000“. Sie besteht aus 4 Satelliten mit je 11 identischen Instrumenten zur Erforschung der Magnetosphäre der Erde und ihrer Grenzschichten. Dazu messen die Experimente die magnetischen und elektrischen Felder, sowie Plasma und energetische Ionen und Elektronen. Die Umlaufbahn ist stark exzentrisch mit einer Höhe zwischen 25.000 und 125.000 km und führt von der erdnahen Magnetophäre bis in den solaren Wind (Abb. 1). Der Abstand der 4 Satelliten wird entsprechend der wissenschaftlichen Zielsetzung zwischen ~100 und ~20.000 km variiert, wobei die 4 Satelliten im jeweiligen Zielgebiet in einer Tetraeder-Konfiguration angeordnet sind. Durch den Einsatz von 4 Satelliten ist es mit Cluster erstmals möglich, Plasmastrukturen und Grenzschichten der Magnetosphäre in 3 Dimensionen zu studieren. Cluster wurde im Juli / August 2000 gestartet. Am 1.2.2001 wurde der wissenschaftliche Betrieb aufgenommen, die Laufzeit der Mission wurde in diesem Jahr bis Ende 2009 verlängert, wobei in 2007 eine weitere Beurteilung der Mission vorgesehen ist.

Die Mission Double Star

Mit der Mission Double Star wurde die Cluster-Flotte um zwei weitere Satelliten erweitert. Die Mission wurde im Rahmen eines Kooperationsvertrages zwischen ESA und CNSA (Chinese National Space Administration) durchgeführt. Der erste Satellit, Double Star TC-1, wurde am 29. Dezember 2003 mit einer Rakete vom Typ Langer Marsch 2C/SM erfolgreich in Xichuan in eine äquatoriale Umlaufbahn (570 x 78970 km) gestartet. Die Nutzlast von Double Star TC-1 besteht aus insgesamt 8 Experimenten, wobei 5 der Sensoren Ersatzexperimente der Cluster-Mission sind. Der zweite Satellit mit ebenfalls 8 Experimenten, davon ein Experiment aus der Cluster-Serie, wurde am 25. Juli 2004 in eine polare Umlaufbahn (690 x 38230 km) gestartet. Mit den vier Cluster Satelliten und den beiden Double Star-Satelliten können nun erstmals koordinierte Messungen in der Magnetosphäre der Erde mit bis zu 6 Satelliten durchgeführt werden.

Die Experimente EDI und CIS auf Cluster

Das MPE ist maßgeblich an den beiden Experimenten EDI (Electron Drift Experiment) und CIS (Cluster Ion Spectrometer) beteiligt. Das EDI- Experiment [3] misst die Ablenkung eines schwachen Strahls (+, He2+, He+, und O+ gestattet. Der Sensor HIA kommt auch auf dem Satelliten TC1 von Double Star zum Einsatz.

Diffuse Ionen vor der Bugstoßwelle der Erde

Cluster erlaubt zum ersten Mal die gleichzeitige Messung von energetischen Ionen vor der Bugstoßwelle der Erde bei verschiedenen Abständen. Es wurde in der Vergangenheit gezeigt, dass solche Ionen immer gleichzeitig mit niederfrequenten hydromagnetischen Wellen auftreten: Die Wellen werden durch die Strömung der Teilchen erzeugt, und diese Wellen streuen die Teilchen wieder. Dies führt zu einem diffusiven räumlichen Transport. Mit den Plasma-Sensoren auf Cluster 1 und 3 wurde die Dichte der Ionen im Energiebereich von 10 bis 32 keV gemessen [5] (Abb. 2 - links). Aus deren Differenz lässt sich mit den bekannten Abständen der Satelliten der Dichtegradient bestimmen. Unter Benutzung eines Modells für die Geometrie der Bugstoßwelle wurde dann der Gradient der Teilchen bei verschiedenen Abständen von der Bugstoßwelle berechnet. Der Gradient fällt in dem untersuchten Energiebereich exponentiell ab, die Abfalllänge liegt zwischen 0.5 und 2.8 Erdradien und steigt linear mit der Energie der Ionen an (Abb. 2 - rechts). Aus der Abfalllänge lässt sich die freie Weglänge, l, und die charakteristische Zeit tacc für Stoßwellenbeschleunigung berechnen. Für 30 keV- Ionen ist die freie Weglänge etwa 2.4 Erdradien groß, und die charakteristische Beschleunigungszeit liegt bei 120 sec. Dies zeigt, dass der Transport der Ionen vor der Bugstoßwelle diffusiv ist, und dass die Beschleunigung an der Bugstoßwelle sehr effizient ist.

Bestimmung von Dicke und Geschwindigkeit der Magnetopause

Die Magnetopause ist eine dünne Stromschicht, die den Sonnenwind vom Magnetfeld der Erde trennt. Wenn sich diese Schicht über einen Satelliten hinweg bewegt, dann zeigen dessen Instrumente abrupte Änderungen in den Magnetfeld- und Plasmaeigenschaften. Da die Geschwindigkeit dieser Bewegung a-priori unbekannt ist, kann man die Dicke der Schicht aus den Messungen mit nur einem Satelliten nicht bestimmen. Cluster erlaubt nun aber, aus den Durchgangszeiten der Magnetopause bei den vier Satelliten, deren Orientierung und Geschwindigkeit, und damit auch deren Dicke, direkt zu berechnen [6]. Abbildung 3 zeigt für 96 Magnetopausendurchgänge an der morgenseitigen Flanke der Magnetosphäre die Verteilung der Fälle auf bestimmte Intervalle von Dicke und Geschwindigkeit.

Auffallend ist der große Bereich der Magnetopausendicke, von Hunderten bis Tausenden von km. In einfachen Modellen sollte die Dicke durch den Gyrationsradius der Ionen gegeben sein, denn dieser bestimmt, wie tief die Ionen in das Erdmagnetfeld eindringen können. Der Gyrationsradius betrug in den untersuchten Fällen aber nur etwa 50 km. Die Magnetopause ist also meist sehr viel dicker als einfache Überlegungen erwarten lassen. Auffallenderweise korrelieren die Dickenvariationen auch nicht mit irgendeiner der Größen des Sonnenwindes oder des interplanetaren Magnetfeldes.

Abbildung 3 (rechts) zeigt den großen Bereich der Magnetopausengeschwindigkeit, von weniger als 10 km/s bis zu einigen Hundert km/s. Daraus wird deutlich, dass man aus der Dauer des Magnetopausendurchgangs allein nicht auf deren Dicke schließen kann.

Konvektion in der polaren Magnetosphäre

Die Sonne sendet kontinuierlich einen Strom geladener Teilchen, hauptsächlich Elektronen und Protonen, aus. Für diesen Sonnenwind stellt das Erdmagnetfeld ein Hindernis dar, welches er umströmen muss. Besonders wenn das interplanetare Magnetfeld (IMF), das vom Sonnenwind mitgeführt wird, eine südwärts gerichtete Komponente hat, kann es an der tagseitigen Magnetopause zu einer Verschmelzung mit dem Erdmagnetfeld kommen (Rekonnexion). Als Folge dieser Rekonnexion werden die nun mit dem interplanetaren Magnetfeld verbundenen Feldlinien des Erdmagnetfeldes vom Sonnenwind über beide Pole der Erde hinweg in Richtung des Schweifes der Magnetosphäre gezogen. Wegen der hohen Leitfähigkeit des Plasmas ist dieses im Inneren der Magnetosphäre an das Magnetfeld gekoppelt und gezwungen, die Konvektionsbewegung mitzumachen. Eine weitere Möglichkeit für Rekonnexion bei nordwärts gerichtetem IMF besteht schweifwärts der magnetischen Cusp (der Einkerbung, die tagseitige von nachtseitigen Feldlinien trennt, s.a. Abb. 1).

Mit dem Elektronen-Drift Instrument (EDI) auf den vier Cluster-Satelliten lässt sich die Konvektionsge-schwindigkeit des magnetosphärischen Plasmas über den Polkappen im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden, deren Genauigkeit unter der typischerweise geringen Plasmadichte in diesem Bereich leidet, besonders gut messen. Es wurden 20 Überquerungen der Polkappen statistisch untersucht [7].

Abbildung 4 zeigt 10-Minuten Mittel der Komponente der Konvektionsgeschwindigkeit in der (X,Z)-Ebene, deren Vorzeichen den „Sinn“ der Konvektion – sonnenwärts (+) oder schweifwärts (-) – angibt, als Funktion der z-Komponente des interplanetaren Magnetfeldes (IMF Bz). Da die Höhe der Satelliten bei der Überquerung der Polkappe nicht konstant ist und die Konvektionsgeschwindigkeit wegen der Divergenz der Feldlinien mit zunehmender Höhe ansteigen muss, wurden die Konvektionsgeschwindigkeiten auf eine einheitliche ionosphärische Höhe von etwa 100 km – entsprechend einem Magnetfeld von 50 Mikro Tesla – normiert, um die Höhenabhängigkeit zu eliminieren. Wie erwartet ist die Konvektion in Schweifrichtung umso stärker, je negativer IMF Bz ist. Auch bei positivem IMF Bz findet man eine im Durchschnitt schweifwärts gerichtete Konvektionsbewegung, jedoch treten hier verstärkt auch Fälle sonnenwärts gerichteter Konvektion auf. Die Ursache dafür liegt in den komplizierteren Konvektionsmustern, die bei Rekonnexion schweifwärts der Cusp für nordwärts gerichtetes IMF (Bz > 0) auftreten.

Mit der Mission Cluster mit ihren 4 in variabler Konfiguration fliegenden Satelliten konnten erstmals zeitliche und räumliche Variationen an Grenzschichten der Magnetosphäre der Erde detailliert untersucht werden. Mit der Erweiterung der Mission durch Double Star sind weitere wesentliche Fortschritte im Verständis der physikalischen Prozesse insbesondere an der Bugstoßwelle und im Schweif der Magnetosphäre der Erde zu erwarten. Darüberhinaus sind Cluster und Double Star richtungsweisend für zukünftige Multi-Satelliten-Missionen, wie z.B. die Magnetospheric Multi Scale (MMS) Mission der NASA, für die in diesem Jahr das Auswahlverfahren abgeschlossen wurde.

Originalveröffentlichungen

1.
Escoubet, C.P., R. Schmidt, and M.L. Goldstein
Cluster – Science and Mission Overview
Space Science Review 79, No. 1-2, 11-32 ( 1997).
2.
Credland, J., G. Mecker and J. Ellwood
The Cluster Mission: ESA’s Spacefleet to the Magnetosphere
Space Science Review 79, 33-64 (1997).
3.
Paschmann, G., et al.
The Electron Drift Instrument for Cluster
Space Science Review 79, 233-269 (1997).
4.
Rème, H., et al.
The Cluster Ion Spectrometry (CIS) Experiment
Space Science Review 79, 303-350 (1997).
5.
Kis, A., M. Scholer, B. Klecker, E. Möbius, E. A. Lucek, H. Rème, J. M. Bosqued, L. M. Kistler, and H. Kucharek
Multi-spacecraft observations of diffuse ions upstream of Earth’s bow shock
Geophysical Research Letters 31, L20801 (2004).
6.
Vaith, H., G. Paschmann, J. Quinn, M. Förster, E. Georgescu, S. Haaland, B. Klecker, C. Kletzing, P. Puhl-Quinn, H. Rème and R. Torbert
Plasma convection across the polar cap, plasma mantle and cusp: Cluster EDI observations
Annales Geophysicae 22, 2451-2461 (2004).
7.
G. Paschmann, S. Haaland, B.U. ¨ O. Sonnerup, H. Hasegawa, E. Georgescu, B. Klecker, T.D. Phan, H. Rème, and A. Vaivads
Characteristics of the near-tail dawn magnetopause and boundary layer
Annales Geophysicae 23, 1481-1497 (2005).
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