Erster Datensatz des Euclid-Weltraumteleskops
Umfassender wissenschaftlicher Datensatz setzt Maßstäbe und ermöglicht Einblicke in die Tiefen des Universums - auch dank starker deutscher Beteiligung
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- Erste große Datenveröffentlichung: Die Europäische Weltraumorganisation hat den ersten großen Datensatz des im Juli 2023 gestarteten Euclid Weltraumteleskops veröffentlicht
- Eine Rekordzahl an Galaxien entdeckt: Nach wenigen Jahren den Betriebs hat Euclid bereits 26 Millionen Galaxien gefunden. In einem Zeitraum von sechs Jahren soll es Bilder von mehr als 1,5 Milliarden Galaxien aufnehmen und täglich etwa 100 Gigabyte Daten zur Erde senden.
- Hohe Empfindlichkeit und großer Blickwinkel: Euclid hat die 26 Millionen Galaxien auf nur 0.1 Prozent des Himmels gefunden. Nach sechs Jahren soll Euclid ein Viertel des Himmels beobachtet haben. Zum Vergleich: SDSS, eine der bisher umfassendsten Himmelsdurchmusterungen, hat mit einem bodengebundenen Teleskop auf einer beobachteten Fläche von 35 Prozent des Himmels etwa 15 Millionen Galaxien entdeckt.
- Die Form von 380.000 Galaxien: Neben der hohen Zahl an Galaxien, hat Euclid bei vielen der Galaxien auch feinste Strukturen einzelner Galaxien ausgemacht. Bei bisher 380.000 Galaxien gelang die Bestimmung derer Form und Entfernung.
- Auf den Spuren der dunlen Materie: In den kommenden Jahren wird Euclid Milliarden von Galaxien der letzten 10 Milliarden Jahren kosmischer Geschichte messen und erstmals in 3D kartieren, wie sich die dunkle Materie im Universum verteilt.
Die neu veröffentlichten Daten decken ein vergleichsweise großes Himmelsgebiet von 63 Quadratgrad durch drei Bilder ab, die jeweils aus Einzelaufnahmen bestehen. Am Ende der Mission sollen etwa ein Drittel des gesamten Himmels beobachtet sein. Die aktuellen Daten beinhalten zahlreiche Galaxienhaufen, aktive galaktische Kerne und veränderliche Phänomene. Diese ersten Durchmusterungsdaten sind eine wahre Fundgrube an Informationen für Forschende, die damit einige der faszinierendsten Fragen der modernen Wissenschaft angehen können. Mit Euclid können Astronominnen und Astronomen die kosmische Geschichte und die unsichtbaren Kräfte erforschen, die das Universum formen und in den Daten ergeben sich bereits erste Hinweise auf die großräumige Verteilung der Galaxien im kosmischen Netz.
Euclid ist ein Weltraumteleskop mit einem außergewöhnlich großen Gesichtsfeld. In einer einzigen Aufnahme erfasst es einen 240-mal größeren Bereich als das Hubble-Weltraumteleskop. Es liefert zudem eine hervorragende Bildqualität sowohl im sichtbaren als auch im infraroten Lichtspektrum. Das Hubble-Teleskop wurde gebaut, um möglichst tief in vergleichsweise kleine Himmelsausschnitte einzutauchen. Euclid ist etwas weniger empfindlich und sieht also bei gleicher Belichtungszeit weniger der besonders weit entfernten und daher extrem schwach leuchtenden Galaxien. Dieser Kompromiss ermöglicht Euclid aber, um auf möglichst großer Fläche gerade so viele Galaxien zu finden, die theoretische Astrophysikerinnen und Astrophysiker brauchen, um ihre kosmologischen Modelle zu testen und sich einen Reim auf die darin enthaltene dunkle Materie und dunkle Energie zu machen. Trotzdem wird es sich um mehr Daten und Informationen handeln, als bisher. „Wir werden uns alle an die Fülle der Informationen gewöhnen müssen, die Euclid Kosmologinnen und Kosmologen liefern wird“, sagt Knud Jahnke vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Entscheidende Beiträge aus Deutschland

Beim Betrachten des Bildes kann man einen Blick auf die großräumige Struktur des Universums werfen. Dies ist die Organisation der Galaxien entlang des sogenannten „kosmischen Netzes“. Dieses Netz besteht aus riesigen Galaxienhaufen, die durch Stränge aus Gas und unsichtbarer dunkler Materie miteinander verbunden sind.
Das „Euclid Deep Field South“ umfasst 28,1 Quadratgrad im südlichen Sternbild Horologium, der Pendeluhr. Dieses Feld wurde bisher von keiner Himmelsdurchmusterung abgedeckt und bietet daher ein enormes Potenzial für neue, aufregende Entdeckungen.
Eine besondere Stärke von Euclid ist seine Optik, die für die Beobachtung von Infrarotlicht gebaut wurde. Das Teleskop trägt in seinem Inneren die größte Linse, die je in den Weltraum geschickt wurde. „Ein großes Gesichtsfeld bedeutet eine große Optik“, sagt Knud Jahnke vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching haben die Heidelberger entscheidende Komponenten für Euclids Infrarot-Instrumente geliefert. Das Infrarotlicht durchläuft vier Linsen, ein Filter und einen Strahlteiler. Dennoch erzielt Euclid einen außerordentlich hohen Kontrast. „Die Anforderungen an die Vermeidung von Geisterbildern werden um das Hundertfache übertroffen. Das optische Design und die präzise Ausführung der Optik durch beide Institute setzen neue Maßstäbe für Bildschärfe und Kontrast“, sagt Frank Grupp, der die Entwicklung der Nahinfrarot-Optik am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik leitete.
Ferner trägt das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik zur Erforschung der Galaxienentwicklung bei. „Wir haben einen Katalog mit über 70.000 spektroskopischen Rotverschiebungen aus verschiedenen Himmelsdurchmusterungen zusammengestellt und mit den Euclid-Daten verknüpft“, erklärt Christoph Saulder, der diesen Teil des Projekts leitete. „Damit lassen sich die Entfernungen präzise bestimmen und zahlreiche Galaxien sowie Quasare in den hochaufgelösten Euclid-Bildern eindeutig identifizieren. Der Katalog bildet eine wichtige Grundlage, um diese Objekte, ihre Verteilung und ihre Eigenschaften besser zu verstehen.“
„Wir verwenden die neuen Daten, um die Techniken zur Messung der optischen Verzerrung auf kosmischen Skalen und zur Kalibrierung der Rotverschiebung zu testen. Diese Methoden wenden wir später auf die viel größeren Euclid-Datensätze an, um das wichtigste wissenschaftliche Ziel zu erreichen – die Präzisionsmessung der dunklen Energie“, sagt Hendrik Hildebrandt von der Ruhr-Universität Bochum. Er leitet das Schlüsselprojekt zur Messung der kosmischen Scherung und die Arbeitsgruppe zur Kalibrierung der Rotverschiebung.
Weiterhin haben Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität in München Methoden zur Identifizierung und Charakterisierung von Galaxienüberdichten getestet, ein entscheidender Schritt bei der Rekonstruktion der großräumigen Struktur des Universums. „Unsere Methoden zur Aufspürung von Galaxienhaufen sind der Schlüssel zur vollständigen Auswertung von Euclids riesigen Datenmengen. Sie verbessern die Identifizierung von Haufen und tragen zu einem tieferen Verständnis der kosmischen Strukturbildung bei. Gleichzeitig helfen sie, bisher unerforschte Bereiche im nahen Infrarot mit einer statistisch signifikanten Auswahl von Objekten zu erkunden“, sagt Barbara Sartoris von der Ludwig-Maximilians-Universität.
Bei zahlreichen Euclid-Studien spielen auch die Forschenden des Max-Planck-Institut für Astronomie eine führende Rolle. Sie nutzen die Daten, um zu ergründen, wie supermassereiche schwarze Löcher wachsen, wie sich Galaxien entwickeln und wie sich das Licht stark variabler Himmelsobjekte über die Zeit verändert.
Auf den Spuren des kosmischen Netzes

Euclid hat die drei Gebiete am Himmel untersucht, die schließlich die tiefsten Beobachtungen seiner Mission liefern werden. Die Forschenden sammelten mit Euclid also besonders lange Licht aus diesen Himmelsbereichen, was sehr weit entfernte Galaxien sichtbar macht. Nach nur einer Woche hat Euclid bereits 26 Millionen Galaxien entdeckt. Die weitesten von ihnen sind bis zu 10,5 Milliarden Lichtjahre entfernt. Die Felder erstrecken sich über eine Fläche, die mehr als dem 300-fachen des Vollmonds entspricht.
Für die Erforschung der kosmischen Geheimnisse vermisst Euclid mit seiner hochauflösenden Kamera für das sichtbare Licht (Vis) präzise die verschiedenen Formen und die Verteilung von Milliarden von Galaxien. Mit dem Nahinfrarot-Instrument (Nisp) bestimmen die Astronominnen und Astronomen, wie weit die Galaxien jeweils entfernt und wie schwer sie sind.
Das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik war für den Entwurf und die Konstruktion der Nahinfrarot-Optik des Nisp verantwortlich. Entscheidende Aufgaben bei der Kalibrierung von Nisp übernimmt wiederum das Max-Planck-Institut für Astronomie. Ingenieure und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Institut für Astronomie sind verantwortlich für die Kalibrierung der Nahinfrarotkamera Nisp, führen Simulationen und fortlaufend technische Analysen des Instruments durch.
Verarbeitung großer Datenmengen dank KI

Das Euclid-Konsortium hat ein europäisches Netz von neun Datenzentren aufgebaut, darunter das deutsche Wissenschaftsdatenzentrum (SDC-DE) am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Es ist mit 7.000 Prozessoren ausgestattet und verarbeitet zehn Prozent der aufgenommenen Daten. Ein Team von mindestens zehn Experten sorgt für eine reibungslose und konsistente Verarbeitung der astronomischen Bilddaten. Max Fabricius vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der das SDC-DE leitet, sagt: „Täglich werden etwa 100 GB an Rohdaten praktisch in Echtzeit verarbeitet. Die Anforderungen an die fotometrische Präzision sind enorm und erfordern einen gänzlich neuen Ansatz bei den Methoden zur Kalibrierung der Daten.“
Das Team nutzt maschinelles Lernen, kombiniert mit der Unterstützung Tausender Freiwilliger und Experten aus der Bürgerwissenschaft, um all die Galaxien in den Daten zu finden, sie zu analysieren und zu katalogisieren. Auf diesem Weg stellt der erste detaillierte Katalog von mehr als 380.000 Galaxien einen wichtigen Meilenstein dar. Hier wurden die charakteristischen Merkmale all dieser Galaxien erfasst, wie etwa ihre Spiralarmen, zentralen Balken und Schweife, die auf verschmelzende Galaxien hinweisen. Der endgültige Katalog wird die detaillierte Gestalt von mindestens einer Größenordnung mehr Galaxien zeigen, als jemals zuvor gesammelt wurde. Er trägt dazu bei zu ermitteln, wie sich Spiralarme bilden und supermassereiche Schwarze Löcher wachsen.
Künstliche Intelligenz findet Gravitationslinsen
Licht, das von weit entfernten Galaxien auf uns zukommt, wird durch normale und dunkle Materie im Vordergrund abgelenkt und verzerrt. Denn die enorme Schwerkraft dieser Materie krümmt die Raumzeit und Licht von einer dahinter liegenden Quelle erreicht das Teleskop auf gekrümmten Bahnen, ähnlich des Lichts, das durch eine Sammellinse läuft. Das Euclid-Konsortium will diesen Gravitationslinseneffekt nutzen, um zu kartieren, wie sich die dunkle Materie im Universum verteilt. Sind diese Verzerrungen besonders stark, führt das zu kreisrunden Lichtringen, sogenannte Einsteinringe. Auch weite Bögen und Mehrfachbilder sind möglich.
Der erste Datensatz umfasst 500 fast ausnahmslos neue Kandidaten für solche starken Gravitationslinsen. Forschende des Max-Planck-Institut für Astronomie waren an der Klassifizierung dieser Linseneffekte in den Bilddaten beteiligt, auch hier nutzten sie die künstliche Intelligenz. „Am Ende der Mission werden wir einen 200-mal größeren Himmelsbereich ausgewertet haben, hier wird KI unerlässlich sein. Die Zahl der durch den Linseneffekt verzerrten Galaxien wird wahrscheinlich in die 100.000 gehen, etwa 100-mal mehr als derzeit bekannt“, sagt Knud Jahnke vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Er ist der leitende Wissenschaftler des Nisp-Instruments.
Euclid wird auch „schwache“ Linseneffekte messen. Diese entstehen, wenn die Verzerrungen der Hintergrundquellen viel geringer sind. Solche subtilen Verzerrungen lassen sich nur durch die statistische Auswertung einer großen Anzahl von Galaxien nachweisen.
Hintergrundinformationen
- Maßstäbe setzen: Die sogenannten „Quick Releases“ von Euclid, wie die Veröffentlichung vom 19. März 2025, konzentrieren sich auf ausgewählte Bereiche und dienen der Vorstellung der erwarteten Datenprodukte künftiger, umfassenderer Veröffentlichungen. Sie ermöglichen es Forschenden, ihre Analysetools frühzeitig zu testen und zu optimieren. Die ersten kosmologischen Daten der Mission werden im Oktober 2026 öffentlich zugänglich sein. Diese Veröffentlichung umfasst auch Daten aus zusätzlichen, mehrfachen Beobachtungen der tiefen Felder.
- Status der Forschungsartikel: Die Datenveröffentlichung vom 19. März 2025 wird in mehreren wissenschaftlichen Artikeln beschrieben, die bislang nicht den Peer-Review-Prozess durchlaufen haben, aber bei der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics eingereicht werden. Die Universität Bonn beherbergt das Euclid Publication Office, in dem die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Euclid-Konsortiums koordiniert und begutachtet werden.
- Euclid wurde im Juli 2023 gestartet und begann am 14. Februar 2024 mit seinen routinemäßigen wissenschaftlichen Beobachtungen. Es handelt sich um eine europäische Mission, die von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gebaut wurde und betrieben wird, mit Beiträgen ihrer Mitgliedsstaaten und der NASA. Das Euclid-Konsortium – bestehend aus mehr als 2000 Wissenschaftlern aus 300 Instituten in 15 europäischen Ländern, den USA, Kanada und Japan – ist für die Bereitstellung der wissenschaftlichen Instrumente und die wissenschaftliche Datenanalyse verantwortlich. Die ESA wählte Thales Alenia Space als Hauptauftragnehmer für den Bau des Satelliten und seines Servicemoduls aus, während Airbus Defence and Space mit der Entwicklung des Nutzlastmoduls, einschließlich des Teleskops, beauftragt wurde. Die NASA stellte die Detektoren des Nahinfrarot-Spektrometers und -Photometers (NISP) zur Verfügung. Euclid ist eine Mittelklasse-Mission im Rahmen des Cosmic Vision Programms der ESA.
- Starke Beteiligung deutscher Forschenden: Aus Deutschland sind das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Universität Bonn, die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Bielefeld und die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn am Euclid-Projekt beteiligt.
- Die Deutsche Raumfahrt-Agentur im DLR koordiniert die deutschen ESA-Beiträge und fördert die beteiligten deutschen Forschungsinstitute mit 60 Millionen Euro aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm.
- Mit rund 21 % ist Deutschland der wichtigste Beitragszahler zum Wissenschaftsprogramm der ESA.
Diese Nachricht basiert auf einer ESA-Pressemitteilung, die zur gleichen Zeit veröffentlicht wurde. Weitere Bilder sind über diese Mitteilung verfügbar.
MN, BEU für die Redaktion der MPG