Junge Sterne lassen Galaxien wie beim Feuerwerk glitzern
Die Entstehung von Sternen in interstellaren Gaswolken verläuft sehr schnell, aber auch sehr ineffizient. Durch die Strahlung der Sterne wird ein Großteil des Gases zerstreut, was zu einem heftigen Wechselspiel führt: die Sternentstehungsregionen funkeln wie beim Feuerwerk. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik anhand von Beobachtungen der Spiralgalaxie NGC300.
Eine der großen verbleibenden Herausforderungen der Astrophysik besteht darin, die physikalischen Prozesse zu bestimmen, auf denen die Entstehung von Sternen beruht. Ein Forscherteam unter der Leitung der Astrophysiker Dr. Diederik Kruijssen von der Universität Heidelberg und Dr. Andreas Schruba vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching ist es erstmals gelungen, die Entwicklung von interstellaren Wolken aus Gas und Staub, sogenannten Molekülwolken, und die in ihnen stattfindende Sternentstehung im Laufe der Zeit zu rekonstruieren. Anhand neuer Beobachtungen der Spiralgalaxie NGC300 konnte das Forscherteam feststellen, dass Sternentstehung sehr schnell abläuft, doch auch sehr ineffizient ist. Das meiste Gas wird nicht in Sterne verbaut, sondern durch die Strahlung neugeborener Sterne wieder zerstreut. Molekülwolken sind kurzlebige Phänomene, die einen schnellen Lebenszyklus durchlaufen, und nur kurz wie das Glitzern eines Feuerwerks aufleuchten. Galaxien, die aus einer Vielzahl solcher Regionen bestehen, verändern somit ständig ihr Erscheinungsbild.
Es gibt zwei Ansätze, Sternentstehung in Moleülwolken zu erklären. Entweder sind Moleülwolken langlebig und ihre gesamte Materie wirdüber einen langen Zeitraum hinweg in Sterne umgewandelt. In diesem Fall müssten die jungen Sterne am gleichen Ort zu finden sein wie die Molekülwolke, aus denen sie sich einst gebildet haben. Oder aber die Sterne entstehen sehr schnell innerhalb der Molekülwolken aus einem Bruchteil des Gases und zerstreuen das restliche Gas durch ihre intensive Strahlung. Ist dies der Fall, müssten sich die jungen Sterne und die Molekülwolken bis auf den kurzen Augenblick ihrer Entstehung an unterschiedlichen Orten befinden.
Um die Frage zu klären, welcher Ansatz für die Entwicklung von Molekülwolken zutreffend ist, kombinierten die Wissenschaftler verschiedene Beobachtungen der Galaxie NGC300, die rund sechs Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt ist. Die erste Beobachtung ist eine Karte des von Kohlenmonoxid emittierten Lichts und zeigt, wo sich Molekülwolken befinden; die zweite Karte zeigt heißen, ionisierten Wasserstoff um junge, massereiche Sterne. Diese Beobachtungen entstanden unter der Leitung von Dr. Schruba mithilfe des Atacama Large Millimeter Array (ALMA) der Europäischen Südsternwarte (ESO) und des 2,2-Meter Teleskops der Max-Planck-Gesellschaft und der ESO.
Die Wissenschaftler analysierten die Daten mit einer neuen statistischen Methode, die den Zusammenhang von molekularem Gas und Sternentstehung auf unterschiedlichen Größenskalen ermittelt. Mit dieser Methode ist es erstmals möglich, die Position von Molekülwolken und der jungen Sterne in Relation zueinander mit großer Genauigkeit zu quantifizieren. Die Auswertung der Daten lässt nach Angabe der Wissenschaftler keine Zweifel, dass die Position von Molekülwolken und jungen, massereichen Sternen selten übereinstimmt. Je kleiner die betrachteten Größenskalen waren, desto stärker war dieser Effekt. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass Sterne sehr schnell entstehen und „ihre“ Molekülwolke umgehend zerstören, so dass Gas und Sterne aufeinanderfolgende Phasen im Lebenszyklus der Molekülwolken darstellen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Entstehung von Sternen sehr schnell und zugleich sehr ineffizient verläuft“, so Dr. Kruijssen von der Universität Heidelberg. „Molekülwolken in NGC300 haben eine Lebensspanne von etwa 10 Millionen Jahren und werden innerhalb von nur 1,5 Millionen Jahren zerstört, lange bevor die massereichsten Sterne ihr Lebensende erreicht haben und als Supernova explodieren.“ Dr. Schruba vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik ergänzt: „ALMA liefert uns beeindruckende und detailreiche Bilder von nahen Galaxien. Anhand dieser Aufnahmen können wir direkt sehen, dass Galaxien sehr dynamische Gebilde aus Sternentstehungsregionen sind, die unentwegt ihr Erscheinungsbild verändern.“
Die Wissenschaftler wollen die neue statistische Methode nun auf Beobachtungsdaten einer weit größeren Anzahl naher und ferner Galaxien anwenden, um die Entstehung von Sternen in Molekülwolken im Verlauf der Geschichte unseres Universums nach zu verfolgen.