Weltraumteleskop Euclid liefert erste wissenschaftliche Bilder

Die Beteiligten am MPE sind begeistert und können die ersten Ergebnisse kaum erwarten.

7. November 2023

Euclid, das neueste Weltraumteleskop der ESA mit starker deutscher Beteiligung, hat heute seine ersten Farbfotos aus dem Weltall veröffentlicht. Noch nie zuvor konnte ein Teleskop so scharfe astronomische Bilder über einen so großen Himmelsbereich anfertigen und gleichzeitig so tief ins entfernte Universum blicken. Die fünf Bilder verdeutlichen, dass das Teleskop bereit ist, die umfangreichste 3D-Karte des Universums zu erstellen, um einige seiner dunklen Geheimnisse aufzudecken. Das MPE steuerte die Optik des NISP-Instruments bei und beherbergt eines der neun Science Data Center des Euclid-Konsortiums, um die Daten zu analysieren und aufzubereiten.

Euclids wichtigste Aufgabe ist es, die detaillierteste 3D-Kartierung des dunklen Universums vorzunehmen, die es je gab. Diese bildet die Grundlage dafür herauszufinden, wie Dunkle Materie und Dunkle Energie unser Universum so aussehen lassen, wie es heute der Fall ist. 95 % unseres Kosmos scheint aus diesen mysteriösen „dunklen“ Zutaten zu bestehen. Während die Dunkle Materie die Gravitationswirkung zwischen und innerhalb von Galaxien wesentlich bestimmt und zunächst für eine Abbremsung der Ausdehnung des Weltalls sorgte, ist die Dunkle Energie für die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums als Ganzes verantwortlich. Allerdings verstehen wir noch nicht, woraus Dunkle Materie und Dunkle Energie bestehen, da ihre Anwesenheit nur sehr subtile Veränderungen im Aussehen und in den Bewegungen der Objekte verursacht, die wir sehen können.

Um den „dunklen“ Einfluss auf das sichtbare Universum aufzuspüren, wird Euclid mit seinen beiden Instrumenten VIS (Visible Instrument) und NISP (Nah-Infrarot Spektrograf und Photometer) in den nächsten sechs Jahren die Formen, Entfernungen und Bewegungen von Milliarden von Galaxien bis zu 10 Milliarden Lichtjahren Entfernung beobachten. Dadurch wird Euclid die umfangreichste kosmische 3D-Karte erstellen, die jemals angefertigt wurde.

Mit den ersten wissenschaftlichen Bildern und der hervorragenden Bildqualität, vor allem auch unseres Instruments NISP, sind wir froh und stolz zu diesen tollen Ergebnissen beigetragen zu haben“, sagt Frank Grupp (LMU/MPE), unter dessen Leitung am MPE die Optik des NISP-Instruments entwickelt und gebaut wurde. Euclid enthält die größten optischen Linsen, die jemals für eine wissenschaftliche Weltraummission entwickelt wurden. Grupp fügt hinzu: „Wir danken hier vor allem auch der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn für ihre kontinuierliche Unterstützung in allen Projektphasen.

Euclids erster Blick auf den Kosmos ist nicht nur schön, sondern auch von großem Wert für die Wissenschaft. Erstens zeigt er, dass das Euclid-Teleskop und die Instrumente extrem gut funktionieren und dass die Astronomen Euclid nutzen können, um die Verteilung der Materie im Universum und seine Entwicklung auf den größten Entfernungen zu untersuchen. Zweitens enthält jedes einzelne Bild eine Fülle von neuen Informationen über das nahe Universum. Auf diese Weise liefern uns diese Bilder nicht nur fundamentale Erkenntnisse über Dunkle Materie und Dunkle Energie, sie eröffnen auch fantastische Möglichkeiten für die statistische Untersuchung von Sternen, Galaxien und massereichen schwarzen Löchern.

Als Beispiel für solche Beobachtungen steht das neue Bild des Perseus-Galaxienhaufens, das im Rahmen des Early Release Objects-Programm (ERO) aufgenommen und nun veröffentlicht wurde. Dazu erläutert Matthias Kluge (MPE/LMU): „Mit Euclids riesigem Bildfeld und seiner hohen Empfindlichkeit lassen sich die Galaxien im Perseus-Galaxienhaufen bis an ihre äußersten und leuchtschwächsten Regionen vermessen. Zusammen mit den zahlreichen Kugelsternhaufen, die wir in den gestochen scharfen Bildern entdecken, gewinnen wir damit neue Erkenntnisse über die späten Stadien der Galaxienentwicklung, wenn Galaxien miteinander kollidieren und verschmelzen.

Was Euclids Sicht auf das Universum besonders macht, ist seine Fähigkeit, in nur einem Durchgang ein bemerkenswert scharfes sichtbares und Infrarotbild über einen großen Teil des Himmels zu erstellen. „Euclid wird am Ende seiner Mission 14 000 Quadratgrad beobachtet haben – 35 % des Gesamthimmels“, führt Maximilian Fabricius (MPE/LMU) aus. „Das Teleskop wird dabei enorme Datenmengen sammeln und um Größenordnungen mehr Objekte finden als bisher möglich.“ In Kombination mit Bilddaten von bodengebundenen Teleskopen wird der größte und präziseste Multiwellenlängenkatalog der extragalaktischen Astronomie entstehen.

Am MPE wurde hierzu unter Leitung von Maximilian Fabricius eines der neun Science Data Center von Euclid aufgebaut, das neben der Computing-Hardware auch Pipelines zur Verfügung stellt, um die Bilddaten zu prozessieren. Die Kernelemente stellen dabei zum einen die Identifikation der Objekte bzw. die Bestimmung ihrer Entfernung und räumlichen Verteilung dar, was es den Wissenschaftlern erlaubt, die beschleunigte Expansion und Dunkle Energie zu analysieren. Zum anderen ermöglicht eine genaue statistische Vermessung der Formen der Galaxien mittels des sogenannten „Weak Lensing“-Effekt die Verteilung der Dunklen Materie zu bestimmen.

Nun gilt es, in den kommenden Monaten und Jahren die Fülle von Daten auszuwerten, was schließlich in einer stattlichen Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen münden wird. Zudem werden Euclids Ergebnisse weitere Nachfolgebeobachtungen mit anderen Teleskopen nach sich ziehen, um die Kenntnisse über die einzelnen Objekte zu vervollständigen.

 

Für weitere Bilder siehe hier:

Hintergrundinformationen

Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur (ESA) mit Beiträgen der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Im „Cosmic Vision“-Programm der ESA ist es die zweite M-Klasse-Mission.

VIS und NISP wurden von einem Konsortium aus Wissenschaftlern und Ingenieurinnen aus 17 Ländern entwickelt und gebaut, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Aus Deutschland beteiligen sich das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, die Universität Bonn (UB), die Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.

Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert die deutschen ESA-Beiträge und stellt darüber hinaus aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm Fördermittel in Höhe von 60 Millionen Euro für die beteiligten deutschen Forschungsinstitute zur Verfügung.

Deutschland ist mit rund 21 Prozent der größte Beitragszahler im ESA-Wissenschaftsprogramm.

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