Kaltes Plasma erfolgreich gegen Krebszellen des Gehirns eingesetzt
Düstere Aussichten für Patienten, bei denen ein Gehirntumor der Art Glioblastom diagnostiziert wird: die mittlere Überlebenszeit beträgt nur wenig mehr als ein Jahr und weniger als 16% der Patienten überleben länger als drei Jahre. Bisher weiß man nicht, wie dieser Krebs ausgelöst wird - nur ein paar seltene genetische Faktoren wurden bisher identifiziert - und die Behandlung beschränkt sich weitgehend auf palliative Maßnahmen, um die Symptome zu lindern und das Leben des Patienten zu verlängern. Die Standard-Therapie erfolgt dabei in drei Schritten: Mit Hilfe eines MRT-Scans wird der Tumor chirurgisch entfernt, darauf folgt eine Strahlen-und Chemotherapie. Aber selbst wenn die Behandlung anfangs erfolgreich ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein späteres Wiederauftreten des Tumors.
Eine neu entwickelte Behandlungsart könnte nun Hoffnung bieten. Kaltes atmosphärisches Plasma, oder kurz CAP (vom englischen „cold atmospheric plasma“), erwies sich bereits erfolgreich darin Bakterien, Pilze, Viren und Sporen zu inaktivieren, während gesundes Gewebe weitgehend unversehrt blieb. Anwendungen wie die Sterilisation von chirurgischen Instrumenten, die Desinfektion von Haut oder Wunden ebneten den Weg in die Medizin. Neuerdings wurden auch einige CAP-Quellen entwickelt, die sich sogar in der Behandlung von Krebszellen wirksam zeigten.
"Bei vielen Patienten ist die Standardbehandlung einfach nicht erfolgreich, weil die Hirntumore eine Untergruppe von Zellen enthalten, bei denen Chemotherapie nicht anschlägt", sagt Julia Zimmermann, Managerin der Plasma-Healthcare-Gruppe am MPE. "Deshalb hat uns besonders interessiert, ob die Anwendung von CAP wirksam gegen diese resistenten Tumorzellen ist - und es hat in der Tat funktioniert!"
Für die Studie benutzten die Forscher Glioblastom-Zellen, die sie in Zellkulturschalen wachsen ließen und unterschiedlichen Behandlungskombinationen unterzogen. Sowohl bei normalen wie auch bei resistenten Zelllinien war das Wachstum der Tumorzellen nach der Plasmabehandlung im Vergleich zur Chemotherapie allein deutlich gehemmt. Der größte Effekt konnte für eine Anwendung von 120 Sekunden Dauer erzielt werden, eine Zeitspanne, die sich später mit einem geeigneten Gerät leicht in die klinische Behandlung integrieren ließe.
Außerdem stellten die Forscher fest, dass CAP den Zellzyklus stoppt, und dass die einzelnen Zellen ihre Fähigkeit verlieren, sich selbst zu klonen. Eine kombinierte Therapie von CAP-Behandlung und Chemotherapie gemeinsam war hierbei am erfolgreichsten, wobei die Menge des Chemotherapeutikums deutlich herabgesetzt werden konnte, um den gleichen Effekt wie mit Chemotherapie allein zu erzielen. Bisher wurden keinerlei Resistenzen gegen die CAP-Behandlung beobachtet. Zudem stellte sich heraus, dass sogar jene Zelllinien, die ursprünglich resistent gegen die Chemotherapie waren, nach der Vorbehandlung durch CAP wieder auf die Medikamente ansprachen.
"Die CAP-Behandlung erwies sich insbesondere auch bei den resistenten Zelllinien als effektiv und somit besteht die Hoffnung jetzt eine Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit schlechter Prognose, d.h. resistenten Zellpopulationen im Tumor, zu finden“, erklärt Julia Köritzer, Hauptautorin der Studie. Eine Behandlungsoption für resistente Zellen ist dringend notwendig, da ca. 40% der Patienten nicht von einer Chemotherapie profitieren. Sie ergänzt: "Es ist ein erster Schritt, nun müssen wir die erzielten Effekte aus der Zellkultur weiterentwickeln und versuchen in eine Anwendung einfließen zu lassen."
Damit bietet sich nun eine vielversprechende neue Möglichkeit zur Krebsbehandlung, auch wenn es noch ein weiter Weg ist, bevor CAP tatsächlich im Krankenhaus angewendet werden kann. So könnte es eines Tages nach der Operation eingesetzt werden, möglicherweise mit Endoskop-ähnlichen Geräten, die im Moment untersucht und entwickelt werden, um das Gewebe rund um den entfernten Tumor zu behandeln. Dort können einzelne Krebszellen zurückbleiben, die zu einem Wiederauftreten des Tumors führen.