VIRUS-W beobachtet zum ersten Mal eine Spiralgalaxie
Das neue astronomische Beobachtungsinstrument VIRUS-W, gebaut in Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Universitätssternwarte München, beobachtete am 10. November zum ersten Mal am Harlan J. Smith Teleskop des McDonald Observatoriums in Texas eine Spiralgalaxie, die etwa 30 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Diese ersten Aufnahmen bestätigen eindrucksvoll, dass VIRUS-W die Bewegung der Sterne in benachbarten Galaxien auf wenige Kilometer pro Sekunde genau bestimmen kann.
Als sogenannter Feldspektrograph kann VIRUS-W mit seinen Glasfasern das Bild eines beobachteten astronomischen Objektes in 267 Einzelspektren zerlegen. Durch die Auffächerung des Lichtes in seine unterschiedlichen Farbkomponenten können die Astronomen damit beispielsweise die Geschwindigkeitsverteilung der Sterne in einer Galaxie untersuchen. Dabei machen sie sich die sogenannte Dopplerverschiebung zunutze, die dafür verantwortlich ist, dass das Licht von Sternen, die sich auf uns zu bzw. weg bewegen, ins Blaue bzw. Rote (zu höheren bzw. niedrigeren Frequenzen) verschoben wird. Dies ist genau der gleiche Effekt, den wir auf der Erde erfahren, wenn ein schnelles Fahrzeug, wie zum Beispiel ein Rennwagen an uns vorbeifährt: wenn er sich auf uns zu bewegt, erscheint der Ton höher, wenn er sich von uns entfernt, erscheint der Ton tiefer.
Das Besondere an VIRUS-W ist nun die Kombination eines großen Sichtfeldes von etwa 1 x 2 Bogenminuten mit einer relativ großen spektralen Auflösung. Das große Sichtfeld erlaubt es den Astronomen, benachbarte Galaxien in einer einzigen oder nur sehr wenigen Aufnahmen zu untersuchen, während die große spektrale Auflösung gleichzeitig eine sehr genaue Messung der Geschwindigkeitsverteilungen in den beobachteten Objekten ermöglicht. Die Astronomen erhalten damit ein Bild der großräumigen kinematischen Struktur benachbarter Spiralgalaxien, was wiederum wichtige Rückschlüsse auf deren Entstehungsgeschichte liefert.
Da die meisten Galaxien zu weit entfernt sind und damit der scheinbare Abstand der Abermilliarden Sterne in einer Galaxie am Himmel viel zu klein ist, um ihn selbst mit den modernsten Instrumenten auflösen zu können, können die Astronomen keine einzelnen Sterne untersuchen, sondern nur die mittlere Bewegung aller Sterne entlang einer bestimmten Sichtlinie.
Die dabei gemessenen Geschwindigkeitsverteilungen zeichnen sich hauptsächlich durch zwei unterschiedliche Größen aus: Die mittlere Geschwindigkeit verrät den Wissenschaftlern etwas über die großräumige Bewegung der Sterne in einer Galaxie. Die Geschwindigkeitsdispersion besagt, wie stark die Geschwindigkeiten der einzelnen Sterne von dieser mittleren Geschwindigkeit abweichen, ob die Sterne also alle in etwa die gleiche Geschwindigkeit haben (eine schmale Verteilung) oder ob sie sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten haben (eine breite Verteilung). Spiralgalaxien, bei denen die Sterne in einer Scheibe auf relativ ordentlichen Kreisbahnen unterwegs sind, haben im Allgemeinen eine schmale Geschwindigkeitsverteilung, wohingegen die Bewegung der Sterne in Elliptischen Galaxien recht ungeordnet ist und diese deshalb eine relativ breite Verteilung haben.
Durch die hohe spektrale Auflösung von VIRUS-W können die Astronomen Geschwindigkeitsverteilungen von relativ kleiner Breite untersuchen, bis hin zu etwa 20 km/s. Dies wurde nun durch die ersten Aufnahmen der benachbarten Spiralgalaxie NGC2903 eindrucksvoll unter Beweis gestellt (siehe Abb.). "Als wir VIRUS-W so gegen Mitternacht am 10. November zum ersten Mal am 2,7m-Teleskop anbrachten, waren wir sehr froh zu sehen, dass die Daten praktisch vom ersten Moment an von exzellenter Qualität waren", berichtet Maximilian Fabricius vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. "Als erstes Objekt hatten wir uns die Galaxie NGC2903 mit einem ausgeprägten Balken ausgesucht, bei einer Entfernung von etwa 30 Millionen Lichtjahren befindet sich diese praktisch vor unserer Haustüre. Unsere Beobachtungsdaten zeigen, dass die Geschwindigkeitsdispersion im Sichtfeld unseres Instruments von etwa 80 km/s auf 120 km/s ansteigt. Ein sehr aufregender Moment für uns, der nur durch die gute Teamarbeit bei der Inbetriebnahme und die große Unterstützung durch die Mitarbeiter vor Ort am Teleskop möglich war." Die Beobachtungszeit am Teleskop für das "First Light" wurde VIRUS-W vom VENGA-Projekt zur Verfügung gestellt. VIRUS-W wird ab Anfang 2011 an VENGA teilnehmen und detaillierte kinematische Daten zu dieser Studie liefern.
Das Hauptinstrument für das VENGA-Projekt ist VIRUS-P, ein Spektrograph der bereits seit 2007 am 2,7-Meter Harlan J. Smith-Teleskop des McDonald-Observatoriums im Einsatz ist. Dies ist ein Prototyp des VIRUS-Spektrographen, der ab 2012 in dem von der Texas-Universität in Austin betriebenen HETDEX-Projekt die großräumige Verteilung von Galaxien untersuchen wird. HETDEX wird etwa 100 dieser Spektrographen am 9.2-Meter Hobby-Eberly-Teleskop des McDonald-Observatoriums in Texas zu einem einzigen großen Instrument kombinieren. VIRUS-W (der Zusatz W bezieht sich auf einen später geplanten Einsatz am Wendelstein-Observatorium der Münchner Universitätssternwarte) baut genau wie VIRUS-P auf dem Design der VIRUS-Spektrographen auf. Aufgrund seiner größeren spektralen Abdeckung kann bereits der Prototyp - trotz seiner deutlich niedrigeren Auflösung - Einblicke in das Alter und die chemische Zusammensetzung der Sterne und des interstellaren Mediums, sowie Informationen über die Sternentstehungsrate liefern.