Euclid nimmt letzte Hürde: Weg frei für den Blick ins Dunkle Universum
„Wir haben es geschafft“, sagt Yannick Mellier vom Institut d‘Astrophysique de Paris (IAP), der das heute ausgewählte Euclid-Konsortium (EC) leitet. „Die ESA und das Euclid-Konsortium haben seit über fünf Jahren daran gearbeitet, das zu erreichen, und nun wurden wir tatsächlich formell ausgewählt zu dieser aufregenden Weltraummission beizutragen.“ Die ESA verabschiedete heute auch ein multilaterales Abkommen zwischen 13 europäischen Raumfahrtagenturen, der NASA sowie dem Euclid-Konsortium zum Bau der wichtigsten Elemente für den Euclid-Satelliten, insbesondere der Instrumente an Bord, der Software zur Datenanalyse und der wissenschaftlichen Leitung für den Satelliten.
„Fast 1000 Wissenschaftler aus ganz Europa und anderen Teilen der Welt arbeiten zusammen, um diese Mission zu ermöglichen“, so Mellier. „Unser fantastisches Team umfasst Experten aus allen Feldern der Astronomie, der Physik, des Satelliten- und Software-Designs.“ Das Euclid-Konsortium wird zwei Instrumente beisteuern, eine abbildende Kamera für den sichtbaren Teil des Lichts, VIS, und einen abbildenden Nahinfrarot-Spektrographen NISP. Mit ihrem großen Sichtfeld werden diese hochmodernen Instrumente eine Unmenge an Daten in außergewöhnlich hoher Qualität liefern und einen Großteil des Himmels abdecken.
Wissenschaftler am MPE sind dabei für das optische Gesamtdesign des Nahinfrarot-Instruments zuständig; außerdem wird das MPE alle Linsen sowie ihre Befestigungen bereitstellen und die entsprechenden Funktionalitätstests durchführen. Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ist federführend an der Vorbereitung der ergänzenden bodengebundenen Daten beteiligt sowie ihrer Zusammenführung mit den optischen und Infrarot-Daten von Euclid. Beide Institute sind außerdem in mehreren wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, dem Euclid Konsortiumsrat und dem ESA Wissenschaftsteam vertreten. Ebenfalls beteiligt sind das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg mit der Entwicklung und dem Bau der Breitbandfilter und dem Aufbau des wissenschaftlichen Datenzentrums sowie das Argelander Institut für Astronomie (AIfA) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit missionsrelevanten Beiträgen zur Softwareentwicklung und zum wissenschaftlichen Datenzentrum.
„Euclid wird uns eine Fülle an Daten über die dreidimensionale Verteilung der Materie im Universum liefern“, erklärt Ralf Bender vom MPE, der deutsche Vertreter im Euclid-Board. „Damit bekommen wir nicht nur interessante Einblicke in die Entwicklung von Galaxien und Galaxienhaufen, sondern wir werden auch die beschleunigte Ausdehnung des Universums besser verstehen und damit hoffentlich einen großen Schritt bei der Lösung des Rätsels um die Dunkle Energie vorankommen.“
Euclid wird mit seinem 1,2-Meter-Spiegel und den beiden Instrumenten die drei-dimensionale Verteilung von etwa zwei Milliarden Galaxien vermessen sowie die Dunkle Materie, die diese umgibt. Das Projekt wird etwa ein Drittel des Himmels und zehn Milliarden Lichtjahre abdecken; damit liefert die Mission ein Bild der Strukturentwicklung über drei Viertel der Geschichte des Universums.
Euclid ist mit der heutigen Genehmigung eine offizielle ESA-Mission und bestärkt damit das Euclid-Konsortium an der Spitze der weltweiten Forschung über das "dunkle Universum". Die deutschen Beiträge zur Euclid-Mission werden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in erheblichem Maße gefördert.
Ergänzende Informationen:
Euclid-Mission
Euclid ist eine Klasse-M-Mission und Teil des ESA-Programms „Cosmic Vision 2015-2025“. Das 1,2m-Weltraumteleskop wird sich am 2. großen Lagrange-Punkt des Systems Sonne-Erde befinden und zwei große Himmelsdurchmusterungen über mindestens fünf Jahre hinweg durchführen. Damit wird 40% des gesamten Himmels abgedeckt werden, wobei hauptsächlich die Positionen und Formen von Milliarden Galaxien vermessen werden. Zusätzlich wird eine Tiefenaufnahme einen kleineren Himmelsbereich (etwa 100 mal so groß wie der Vollmond oder 15 000 mal größer als das Hubble Ultra Deep Field) verstärkt untersuchen, um damit in bisher unerreichte Entfernungen vorzustoßen. Diese Kombination von Tiefe und Himmelsabdeckung wird es Euclid ermöglichen, sehr seltene Quellen nachzuweisen, wie Quasare bei extrem hoher Rotverschiebung, und möglicherweise die ersten Galaxien zu sehen, die sich im Universum gebildet haben.
Die ESA steuert zur Euclid-Mission die Raumsonde bei (gebaut von Industriepartnern), den Start mit einer Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Guyana, den Betrieb für mindestens sechs Jahre, sowie das Missionsarchiv. Das EC wird die wissenschaftlichen Instrumente bereitstellen (VIS & NISP), die Datenverarbeitung und die wissenschaftliche Analyse-Software und Archivierung übernehmen, sowie die wissenschaftliche Leitung für die Mission inne haben. Das EC besteht aus fast 1000 Wissenschaftlern aus Hunderten von Institutionen in Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Rumänien, Spanien, Schweiz und dem Vereinigten Königreich, und umfasst auch Beiträge aus Labors in den USA.
Das Dunkle Universum
Seit fast 80 Jahren kennen die Astronomen die „Dunkle Materie“, die Licht weder reflektiert noch emittiert und sich nur durch ihre gravitative Wirkung bemerkbar macht. Wissenschaftler wissen immer noch nicht, was diese Dunkle Materie konkret ist, ihre Existenz aber wurde in den letzten Jahrzehnten mehrfach bestätigt. Im Jahr 1998 fanden Astronomen Hinweise auf eine noch seltsamere Komponente im dunklen Universum, nämlich die "Dunkle Energie", die scheinbar dafür sorgt, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Diese Entdeckung wurde 2011 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die "Dunkle Energie" macht etwa drei Viertel des Energie-Budgets des Universums aus – etwa dreimal so viel wie die Energiedichte der Dunklen Materie und über 15 Mal so viel wie die Energiedichte in normaler Materie wie Atomen. Zwar gibt es mehrere Theorien, um was es sich dabei handeln könnte, bisher aber keine überzeugende Erklärung für die Existenz und die grundlegende Natur dieser mysteriösen Substanz im Universum. Astrophysiker glauben, dass eine Antwort auf diese Frage die Grundlagen der Physik und unsere Kenntnis der physikalischen Naturgesetze revolutionieren wird.