Auf frischer Tat ertappt: Kollision zweier Galaxienhaufen endet fast tödlich
Galaxienhaufen sind die größten Bausteine des Universums, und sie wachsen immer noch weiter - vor allem durch Kollisionen mit anderen Galaxienhaufen. Neben hunderten oder tausenden von Galaxien enthalten diese Haufen auch ein heißes Gas, das hochenergetische Röntgenstrahlung aussendet; diese Strahlung bildet die Struktur dieser riesigen Systeme perfekt ab.
"Röntgenbeobachtungen geben uns die besten Einblicke in die Struktur von Galaxienhaufen", sagt Prof. Hans Böhringer, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). Hunderte von Galaxienhaufen sind mittlerweile mit den modernen Röntgenteleskopen auf Satelliten der ESA (XMM-Newton) und NASA (Chandra) beobachtet worden. "Ungefähr in einem von zwanzig oder dreißig Systemen finden wir klare Beweise dafür, dass diese Galaxienhaufen derzeit eine Verschmelzung erleben." Allerdings zeigte keine der bisherigen Beobachtungen ein derart interessantes Bild von einer Fusion wie die neuen Daten des Galaxienhaufens RXCJ2359.5-6042 (auch Abell 4067 genannt).
Dieses Objekt wurde im Rahmen einer systematischen Suche nach Galaxienhaufen (REFLEX II) am Südhimmel der ROSAT Himmelsdurchmusterung im Röntgenbereich gefunden, die in den 1990er Jahren durchgeführt worden war. Neue, detailliertere Röntgenbeobachtungen der beiden MPE-Astrophysiker Gayoung Chon und Hans Böhringer zeigten, dass RXCJ2359.5-6042 – der sich in einem Abstand von 1,35 Milliarden Lichtjahren befindet – Anzeichen einer Verschmelzung von einem kleinen, kompakten Haufen mit einem großen, weniger dichten System aufweist. Das neue Röntgenbild des Systems ist in Abb. 1 dargestellt.
Der große, ausgedehntere und weniger dichte Haufen zeigt sich in der schwächeren Röntgenemission, die sich hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung erstreckt. Eingebettet in diesen Haufen ist eine sehr kompakte Röntgenquelle, die einen Schweif auf der Westseite nach sich zieht.
"Dies kann als die Überbleibsel eines kleinen, dichten Galaxienhaufens interpretiert werden, der in den größeren Haupthaufen gefallen ist", erklärt Dr. Chon. "Die sehr helle Quelle ist eindeutig ausgedehnt und ihr Röntgenspektrum stimmt mit relativ kühlem Gas bei einer Temperatur von weniger als 20 Millionen Grad (etwa 1,5 keV) überein. Demgegenüber hat das Gas des Haupthaufens eine Temperatur von etwa 40 Millionen Grad (rund 3,5 keV)."
Beim Eindringen des kleineren Systems in den größeren Galaxienhaufen wurde die äußere Gashülle abgestreift und in die Länge gezogen; die äußeren Bereiche haben sich zum Teil bereits mit dem Gas des Haupthaufens vermischt. Der kompakte, kühle Kern des einfallenden Systems – ursprünglich das Zentrum des kleinen Galaxienhaufens - hat die Kollision aber bisher überlebt. Diese Interpretation der Röntgendaten wird auch durch optische Aufnahmen des Systems (siehe Abb. 2) gestützt, bei denen eine große Galaxie in der Mitte der kompakten Überrests zu sehen ist - wie sie in den meisten Fällen im Zentrum von Galaxienhaufen gefunden wird.
"Wir können den Prozess der Verschmelzung hier sehr deutlich beobachten, da die Kollision fast in der Himmelsebene passiert", betont Dr. Chon. "Und wir können sogar das wahrscheinliche Schicksal dieser Verschmelzung in den nächsten Milliarden Jahren vorhersagen: Das Gas im Schweif wird sich mit dem Gas des Haupthaufens vermischen und der kühle Kern wird schließlich durch die Schwerkraft seinen Weg zur Mitte des Gesamtsystems finden, um dort den zentralen, kühlen Kern eines noch massereicheren Galaxienhaufens zu bilden. "
Weitere Einsichten dazu, wie die äußeren Bereiche des einfallenden Haufens abgestreift werden und wie sich das Gas aus den beiden Komponenten mischt, erhoffen sich Dr. Chon und Prof. Böhringer von siebenfach tieferen Beobachtungen dieses Objekts, wofür ihnen bereits Zeit mit dem XMM-Newton-Observatorium gewährt wurde. Ein besseres Verständnis der Prozesse in diesem leicht durchschaubaren System wird dazu beitragen, das Wachstum von Galaxienhaufen im Allgemeinen besser zu verstehen.