Eine wissenschaftliche Erfolgsgeschichte

Die International Max Planck Research School on Astrophysics feiert in diesen Tagen ihren 20. Geburtstag.

6. Dezember 2021

Vor zwanzig Jahren wurde die IMPRS on Astrophysics in Garching ins Leben gerufen, und nicht nur anhand der Zahlen zeigt sich: Damals wurde der Grundstein für eine wissenschaftliche Erfolgsgeschichte gelegt. Höchste Zeit also, um eine Bilanz zu ziehen. Hier erinnern sich ehemalige Weggefährten an die Anfänge, erläutern Direktoren und Dozentinnen den Wert der IMPRS für ihre Institution, und berichten Doktorandinnen und Doktoranden von den Vorzügen der Research School. 

Die „International Max Planck Research School for Astrophysics at the University of Munich“, kurz IMPRS for Astrophysics, hat das Ziel, hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt auszubilden. Und nach zwanzig Jahren und rund 350 erfolgreich abgeschlossener Promotionen lässt sich festhalten: Dieses Versprechen wurde erfüllt. Doch bis dahin war es ein durchaus beschwerlicher Weg.

Joachim Trümper, der von 1998 bis 2001 geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) war, erinnert sich an die Anfänge: „Die Idee einer solchen Einrichtung wurde von Hubert Markl, damals Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), auf der Festversammlung zum 50-jährigen Bestehen der MPG am 26. Februar 1998 in Göttingen angekündigt. Ich war von dieser Idee fasziniert und schrieb zwei Wochen später einen Brief an die astrophysikalischen Institute und Forschungsgruppen im Raum Garching-München, in dem ich vorschlug, eine Internationale Graduiertenschule einzurichten, die ihre Ausbildungskapazitäten erhöhen und Studenten aus der ganzen Welt anziehen würde“.

Am 12. November 1999 reichte Trümper den ersten Vorschlag bei der Max-Planck-Gesellschaft ein, beteiligen sollten sich die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), die Technische Universität (TU), das MPI für Astrophysik (MPA), die Europäische Südsternwarte (ESO) sowie das MPE. „Es dauerte dann eine Weile, bis eine Einigung zwischen der MPG und der Hochschulrektorenkonferenz über das Konzept und den Namen der neuen Einrichtung (IMPRS) erzielt wurde“, berichtet Trümper. Der endgültige Antrag folgte am 27. Juni 2000 und wurde drei Monate später zusammen mit neun anderen International Max Planck Research Schools aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen genehmigt. Und nur ein Jahr später begann die erste Runde von 23 Studentinnen und Studenten aus 12 Ländern mit ihren Promotionsprojekten.

In den Vorlesungen werden alle Aspekte der Astrophysik gelehrt

Einer dieser IMPRS-Pioniere: Jens Chluba. Mittlerweile als Professor für Kosmologie an der Universität Manchester tätig, erinnert er sich noch sehr gut an seine Zeit als IMPRS-Student: „Das Miteinander und die gegenseitige Motivation waren etwas ganz Besonderes an der IMPRS. Und das ist etwas, das ich immer versucht habe, in meiner weiteren Laufbahn fortzusetzen: Menschen zusammenzubringen und eine Art von Zusammengehörigkeit zu schaffen. Gemeinsam lernen und voneinander lernen. Sich gegenseitig unterstützen. Diese Werte lebt die IMPRS vor.“

Besonders gern erinnert sich Chluba an die große Auswahl an Vorlesungen und Seminaren, denn in der IMPRS lehren Dozentinnen und Dozenten aller teilnehmenden Institutionen, wodurch die Promovierenden einen sehr guten Überblick zu den verschiedensten Fachbereichen der Astrophysik erhalten – von Sternen und dem interstellaren Medium über Kosmologie und Supernova-Überresten bis hin zu schwarzen Löchern.

„Durch das thematisch breit gefächerte Angebot an Lehrveranstaltungen wird den Doktoranden ein besseres Grundlagenwissen vermittelt“, bestätigt Ralf Bender. Er kann als eine Art Bindeglied zwischen MPI und Universität angesehen werden, ist er doch sowohl Direktor der Abteilung Optische und Interpretative Astronomie am MPE als auch Dekan der Fakultät für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Die Einführung unserer IMPRS on Astrophysics hat von Anfang an zu mehreren positiven Effekten geführt. Dank der IMPRS kam eine stetig steigende Zahl von internationalen Bewerbern nach München, durch die gemeinsamen Veranstaltungen und sozialen Aktivitäten wurde der Zusammenhalt innerhalb der Doktoranden gestärkt, und nicht zuletzt wurde mit der Gründung der IMPRS der Grundstein für Kooperationen und Netzwerke gelegt, die noch lange Bestand haben werden", sagt Bender.

Die Möglichkeit, institutsübergreifende Netzwerke zu knüpfen, stellt auch Paola Andreani, Leiterin des Wissenschaftsbüros der ESO, als besonders großen Vorteil der IMPRS heraus. Sie sei zwar erst seit 2018 dabei und daher nicht im Detail mit den Beweggründen vertraut, wonach sich die ESO der Garchinger Graduiertenschule 2001 angeschlossen hat. Fakt sei jedoch, dass die ESO ganz enorm von einer engeren Zusammenarbeit mit Max-Planck sowie den Universitäten profitiere. „Es hilft uns, die Kooperation mit den Nachbarinstituten am Garchinger Campus zu verbessern. Nicht zuletzt durch die IMPRS können die ESO-Mitarbeiter jetzt besser mit Projekten der Exzellenzcluster zusammenarbeiten, die von der DFG gefördert werden“ sagt Andreani und fügt hinzu: „ESO ist keine akademische Einrichtung; dennoch kam aus der Belegschaft der Wunsch, Doktoranden auszubilden. trotzdem möchten unsere Mitarbeiter gern Doktoranden betreuen“. Die IMPRS macht dies möglich; pro Jahr werden von der Europäischen Südsternwarte zwischen drei und vier Doktorandinnen und Doktoranden betreut.

Für viele ist die IMPRS der Start einer erfolgreichen Wissenschaftskarriere

Insgesamt haben sich bis heute 4251 Studentinnen und Studenten aus 103 Ländern um eine Doktorandenstelle bei der IMPRS beworben. 350 haben ihre Promotion erfolgreich abgeschlossen und viele davon anschließend eine gelungene Karriere in der Wissenschaft eingeschlagen. Gegenwärtig arbeiten 108 Studierende in verschiedenen Phasen an ihren Promotionsprojekten; mit 83 Prozent promoviert die überwiegende Mehrheit davon an der LMU. 14 Prozent promovieren an der TU München und 3 Prozent an anderen europäischen Universitäten. Die Nachwuchswissenschaftler betreiben ihre Forschungsarbeit an den an der IMPRS beteiligten Instituten, legen aber ihre Promotion an den beteiligten Universtäten vor, die dann auch den Doktortitel verleihen.

Von den pro Jahrgang durchschnittlich etwa 25 IMPRS-Studentinnen und -Studenten werden die meisten am MPE betreut, dicht gefolgt vom Nachbarinstitut MPI für Astrophysik. Dessen Direktor Eiichiro Komatsu hebt besonders den Prozess der IMPRS, neue Doktoranden anzuwerben, positiv hervor: „Als ich im August 2012 Direktor am MPA wurde, hörte ich zum ersten Mal von der IMPRS und erkannte schon bald das Potenzial als „Gamechanger“ in Bezug auf der Rekrutierung von Studenten. Persönlich habe ich von diesem System profitiert, indem ich Studenten aus der ganzen Welt gewinnen konnte und einige vielversprechende Talente gefunden habe, die wichtige Aufgaben in meiner Forschungsgruppe übernommen haben”, sagt Komatsu.

Bei der Auswahl der IMPRS-Kandidaten komme es schon mal vor, dass mehrere Institute um einen besonders qualifizierten Bewerber oder eine Bewerberin konkurrieren – oder sich innerhalb eines Instituts mehrere Abteilungen für einen bestimmten Kandidaten interessieren, erzählt Komatsu. Durchschnittlich betreut das MPA etwa acht IMPRS-Studenten pro Jahr, was nach Ansicht des Direktors auch „mehr als genug” sei. Das MPA könnte ansonsten keine ausreichende Betreuung mehr garantieren.

Natürlich gebe es auch nach 20 Jahren immer noch Dinge zu verbessern, sagt Komatsu. So haben Studenten beispielsweise mokiert, manche Vorlesungen seien zu trocken; statt Frontalunterricht wünschten sie sich mehr interaktive Elemente. Auch bei der durch die Corona-Pandemie nötig gewordenen Transformation der Vorlesungen in Online-Veranstaltungen gebe es durchaus noch Luft nach oben. Dabei handele es sich aber eher um Jammern auf hohem Niveau, betont Komatsu. “Im Allgemeinen ist das Feedback, das ich erhalte, sehr positiv. Und ich bin sicher nicht der Einzige mit dieser Meinung, aber für mich ist die IMPRS eine großartige Erfindung und ich bin sehr dankbar, daran teilhaben zu dürfen.“

„An der IMPRS zu promovieren ist eine einzigartige Erfahrung"

Die teilnehmenden Einrichtungen bzw. deren Vertreter blicken also allesamt sehr wohlwollend auf die vergangenen 20 Jahre. Doch wie bewerten die aktuellen Studierenden die Bedingungen der IMPRS? Diese Frage kann Riccardo Seppi beantworten, der 2019 seine Doktorarbeit am MPE begann. „An der IMPRS zu promovieren ist eine einzigartige Erfahrung, da man hier sehr eng mit den besten Experten auf unterschiedlichen Gebieten arbeiten kann. Studenten, die astronomische Beobachtungen durchführen, können dabei Zugang zu den größten Teleskopen der Welt bekommen und ihre Forschungsarbeiten direkt vor Ort ausüben“, sagt er. Darüber hinaus organisieren sie regelmäßige Treffen, wo sie den Fortschritt ihrer Doktorarbeit mit Mitgliedern des Thesis Komitees besprechen und „sehr nützliche Anregungen“ erhalten. Zudem gehören dem Komitee auch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, und „die Möglichkeit, unsere Projekte im Detail mit ihnen zu diskutieren ist eine großartige Chance, sich als Forscher weiterzuentwickeln“, sagt Seppi.

Ein echtes Highlight sei darüber hinaus das zweimal jährlich stattfindende IMPRS-Symposium, das von den Doktorandinnen und Doktoranden selbst organisiert wird. Dabei geben die Studenten wissenschaftliche Vorträge und berichten dabei von ihren aktuellen Projekten, wobei sie detailliertes Feedback von einem Konsortium erfahrener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten. Dies sei „eine großartige Möglichkeit, seine Präsentationsfähigkeiten zu verbessern und neue Forschungsbereiche kennenzulernen“, sagt Seppi.

Als einer von zwei jährlich gewählten IMPRS-Studentenvertretern weiß Seppi darüber hinaus auch sehr gut Bescheid, welche Ängste, Sorgen oder Probleme die Doktorandinnen und Doktoranden aktuell bewegt. Besonders die Corona-Pandemie habe dem Seelenheil alles andere als gutgetan, verrät er. Doch während die Tatsache, dass sämtliche Vorlesungen nur mehr online stattfanden, noch halbwegs zu verschmerzen gewesen sei, mussten mit Beginn der Pandemie-Beschränkungen auch nahezu jegliche Art von gemeinsamen Aktivitäten gestrichen werden. Und dies traf die Studenten besonders hart, schließlich sei damit auch die womöglich wichtigste Tradition überhaupt weggefallen, wie Seppi erklärt: „Normalerweise treffen wir uns immer Freitagabend, um das Ende der Woche zu feiern und gemeinsam Zeit zu verbringen – und das natürlich in typischer Münchner Tradition: mit Bier!“

Fast jedes Max-Planck-Institut ist mittlerweile an einer IMPRS beteiligt

Die IMPRS verbindet also exzellente Forschungsbedingungen mit einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Studentinnen und Studenten. Kein Wunder also, dass die Zahl der Graduiertenprogramme immer weiter steigt. Mittlerweile gibt es 65 dieser Research Schools im Max-Planck-Kosmos, die meisten der 86 Max Planck-Institute sind an einer internationalen Doktorandenschule beteiligt. Und ein Ende des erfolgreichen Programms ist vorerst nicht in Sicht: 2019 hat die Max-Planck-Gesellschaft beschlossen, die IMPRS-on-Astrophysics-Initiative bis mindestens 2025 weiterhin finanziell zu fördern.

Eine Entscheidung, die auch Paola Caselli, Sprecherin der IMPRS und geschäftsführende Direktorin des MPE, sichtlich freut: „Die IMPRS lockt hervorragende junge Wissenschaftler aus der ganzen Welt an und bringt sie zusammen in lebendigen Instituten. Diese Kombination erlaubt den unerlässlichen Austausch neuer Ideen und die Entwicklung von Fähigkeiten, die den Studenten sicherlich viele Türen in ihrer zukünftigen Karriere öffnen werden.“

Werner Becker geht sogar noch einen Schritt weiter. „Am Ende des Tages muss sich die IMPRS vor den Graduiertenprogrammen der amerikanischen Hochschulen keineswegs verstecken“, sagt Becker, und wenn das einer seriös einschätzen kann, dann er, schließlich ist Becker nicht nur seit Tag 1 Koordinator der IMPRS on Astrophysics, sondern war bereits vor mehr als 20 Jahren entscheidend daran beteiligt, die IMPRS erfolgreich zu etablieren. So entwickelte er zusammen mit Joachim Trümper und Ralf Bender die grundlegenden Strukturen und Konzepte der Garchinger IMPRS und sorgte über die 20 Jahre hinweg für die nötige Kontinuität, die so ein internationales Programm braucht. In diesem Interview spricht er ausführlich über die Anfänge, kuriose Anekdoten und wohin die IMPRS in Zukunft steuern könnte.

Tobias Herrmann

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