Schnelles Gas verdeckt supermassereiches Schwarzes Loch

23. Juni 2014
Ein internationales Astronomenteam, dem auch Forscher am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik angehören, hat nun entdeckt, dass das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie NGC 5548 vor kurzem ein seltsames, unerwartetes Verhalten zeigte, das bisher nur selten im Zentrum aktiver Galaxien gesehen wurde. Die Forscher sahen einen ungleichmäßigen Gasfluss, der sich schnell nach außen ausbreitet und 90 Prozent der Röntgenstrahlen blockiert, die das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie aussendet. Diese Aktivität kann den Forschern neue Einblicke liefern, wie das Zusammenspiel von supermassereichen schwarzen Löchern und ihren Galaxien funktioniert.

Diese Entdeckung wurde durch eine intensive Beobachtungskampagne mit verschiedenen großen ESA- und NASA-Weltraumobservatorien erzielt: XMM-Newton, das Hubble Weltraumteleskop, Swift, NuSTAR, Chandra und INTEGRAL. Die MPE-Forscher Gabriele Ponti, Barbara De Marco und Kirpal Nandra waren Teil des internationalen Teams, das die umfangreichste Beobachtungskampagne einer aktiven Galaxie von 2013 bis 2014 durchführte.

"Die aktive Galaxie NGC 5548 ist schon seit Jahrzehnten untersucht worden, aber dies war das erste Mal, dass wir einen derart langlebigen, klumpigen Strom von ionisiertem Gas gesehen haben", erklärt Ponti. "Mit sechs Observatorien waren wir in der Lage zu untersuchen, wie diese Winde bei verschiedenen Wellenlängen erscheinen. Die gleichzeitige Analyse der verdeckten Röntgenstrahlung und der tiefen, breiten UV-Absorptionslinien bringt uns einen wichtigen Schritt vorwärts in unserem Verständnis der Winde aus akkretierenden schwarzen Löchern."

 

Fällt Materie auf ein schwarzes Loch, so wird sie erhitzt und emittiert Röntgen- und UV-Strahlen. Diese UV-Strahlung kann zu Winden nach außen führen und diese Winde können so stark sein, dass sie das Gas wegblasen, das sonst auf das schwarze Loch gefallen wäre. Derartige Winde in aktiven Galaxien entstehen leichter, wenn ihre Ursprungsregion vor Röntgenstrahlen geschützt ist. Der neu entdeckte Gasstrom in der Seyfert-Galaxie NGC 5548 bietet genau diesen Schutz, indem er 90% der weichen Röntgenstrahlung blockiert.

 

Scheinbar dauert dieser Schutz nun bereits mindestens drei Jahre an. Aufgrund der Abschirmung erhält der Wind weit weg vom Kern weniger Strahlung und kühlt ab. "Diese Entdeckung zeigt, wie wichtig diese Gasströme für aktive Galaxien sein können – sie verändern das Erscheinungsbild der gesamten Galaxie auf Zeitskalen von Jahren", sagt Barbara De Marco, die die Zeitabhängigkeit dieses Phänomens analysiert.

 

Obwohl der Gasfluss in NGC 5548 nicht stark genug ist, um die Wirtsgalaxie weit weg von dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum zu beeinflussen, liefert er den Forschern doch einen einzigartigen Blick auf einen Mechanismus, der auch bei den viel leistungsstärkeren Quasaren eine Rolle spielen könnte.

Eine animierte Reise durch die aktive Galaxie NGC 5548.

Im Zentrum der Galaxie NGC 5548 befindet sich ein supermassereiches schwarzes Loch, das 40 Millionen Mal schwerer ist als unsere Sonne, konzentriert in einer Region, die kleiner ist als die Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Gas wirbelt um dieses schwarze Loch und während es dort hineingesaugt wird, heizt es seine Umgebung auf und produziert starke, energiereiche Röntgenstrahlung. Diese heiße Röntgenkorona wird durch eine schnell rotierende Akkretionsscheibe aufgeheizt. Die Scheibe produziert auch starke, ungleichmäßige Winde aus warmem Gas, das herausgeschleudert wird. Dichtere Bereiche könnten die Röntgenstrahlen in Richtung Erde (grüne Linie) verdecken.

Die durch den Kern abgestrahlte Energie ist so enorm, dass sie sich auf große Teile der Galaxie auswirkt. Die Galaxie hat eine Größe von hunderttausend Lichtjahren und befindet sich in einer Entfernung von 240 Millionen Lichtjahren.

 

 

 

 

Weitere Informationen

 

Team:

 

Das Team besteht aus Jelle Kaastra (SRON Utrecht, Niederlande), Jerry Kriss (Space Telescope Science Institute, Baltimore, USA), Massimo Cappi (INAF-IASF Bologna, Italien), Missagh Mehdipour (SRON Utrecht, Niederlande), Pierre- Olivier Petrucci (Univ. Grenoble Alpes, CNRS, Frankreich), Katrien Steenbrugge (Universidad Católica del Norte, Antofagasta, Chile), Nahum Arav (Virginia Tech, Blacksburg, USA), Ehud Behar (Technion-Israel Institute of Technology, Haifa, Israel ), Stefano Bianchi (Università degli Studi Roma Tre, Italien), Rozenn Boissay (Universität Genf, Schweiz), Graziella Branduardi-Raymont (MSSL / UCL, Holmbury St. Mary, UK), Carter Chamberlain (Virginia Tech, Blacksburg, USA ), Elisa Costantini (SRON Utrecht, Niederlande), Justin Ely (Space Telescope Science Institute, Baltimore, USA), Jacobo Ebrero (ESA, Spanien), Laura Di Gesu (SRON Utrecht, Niederlande), Fiona Harrison (California Institute of Technologie, Pasadena, USA), Shai Kaspi (Technion-Israel Institute of Technology, Haifa, Israel), Julien Malzac (Université de Toulouse, Frankreich), Barbara De Marco (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching, Deutschland), Giorgio Matt (Università degli Studi Roma Tre, Italien), Paul Nandra (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching, Deutschland), Stéphane Paltani (Universität Genf, Schweiz), Renaud Person (St. Jorioz, Frankreich), Brad Peterson (Ohio State University, Columbus, USA), Ciro Pinto (University of Cambridge, Großbritannien), Gabriele Ponti (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching, Deutschland), Francisco Pozo Nuñez (Ruhr-Universität Bochum, Deutschland), Alessandra De Rosa (INAF / IAPS, Roma, Italien), Hiromi Seta (Rikkyo University, Tokyo, Japan), Francesco Ursini (Universität Grenoble, CNRS, Frankreich), Cor de Vries (SRON Utrecht, Niederlande), Dom Walton (California Institute of Technology, Pasadena, USA), Megan Whewell (MSSL / UCL, Holmbury St. Mary, UK).

 

MPE Beteiligung:

Forscher am MPE waren an vorderster Front bei der Überwachung der Ereignisse beteiligt, die sich über den Sommer 2013 entfalteten, und lösten weitere Beobachtungen aus, die für das endgültige Verständnis des Phänomens wichtig waren. Derzeit leitet das MPE Studien zur Variabilität (X-ray Timing) innerhalb des internationalen Teams und ist gemeinsam mit INAF-Bologna für die Datenreduktion und -analyse der Daten der EPIC-Kamera an Bord von XMM-Newton verantwortlich. Außerdem trug das MPE 125ks Beobachtungszeit mit dem LETG-Instrument an Bord des Satelliten Chandra bei.

 

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