Den Himmel mit Röntgenaugen im Blick

ROSAT wurde vor 25 Jahren gestartet

15. Juni 2015

Am 1. Juni 1990 wurde der unter der wissenschaftlichen Leitung des MPE gebaute Röntgensatellit ROSAT vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral gestartet und lieferte sein erstes Bild nur zwei Wochen später. Im Laufe des ersten halben Jahres führte ROSAT die erste tiefe, vollständige Himmelsdurchmusterung mit einem abbildenden Teleskop im Röntgenbereich durch und entdeckte dabei mehr als 100.000 neue Quellen. Anschließend wurde ROSAT weitere acht Jahre lang für gezielte Beobachtungen von ausgewählten Quellen eingesetzt. Insgesamt gelang mit ROSAT eine Vielzahl von Entdeckungen. Bis heute gibt es mehr als 4.200 referierte wissenschaftliche Veröffentlichungen, die mehr als 150.000 mal zitiert wurden, bei denen ROSAT-Daten verwendet wurden bzw. eine wesentliche Rolle spielten.

ROSAT war das größte Projekt am MPE. Die Idee für ein großes Röntgenteleskop entstand bereits in den frühen 1970er Jahren und 1975 wurde der vom MPE vorgeschlagene Röntgensatellit vom Großprojekte-Ausschuß des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) zum Bau empfohlen. Anschließend wurde in Industriestudien das technische Konzept entwickelt und am MPE mit der Entwicklung der Fokalinstrumente begonnen. Nachdem das BMFT 1980 verfügt hatte, daß nationale Großprojekte eine substantielle internationale Beteiligung aufweisen müssten, wurden die NASA für die Übernahme des Starts und die Beistellung eines Fokalinstruments sowie die University of Leicester für die Teilnahme mit einem kleineren Teleskop gewonnen.

So bestand die Nutzlast von ROSAT aus zwei bildgebenden Wolter-Teleskopen für weiche Röntgenstrahlung (0.1-2.4 keV) und extremes Ultraviolett (0.06-0.2 keV). In der Brennebene des Röntgenteleskops befanden sich auf einem Karussell zwei spektral auflösende Röntgenkameras (PSPC) vom MPE, sowie eine räumlich hochauflösende Kamera (HRI) von der Harvard University. Die Integration und die Tests der gesamten Fokalinstrumentierung erfolgte am MPE, ebenso wie die Tests der beiden Teleskope in der Instituts-eigenen Testanlage „Panter“. Auch das Hauptdatenzentrum befindet sich noch am MPE; alle ROSAT-Daten wurden kalibriert, archiviert und sind weiterhin am MPE verfügbar.

Als ROSAT im Februar 1999 die Orientierung verlor, wurde er abgeschaltet und stürzte schließlich im Oktober 2011 über dem Indischen Ozean ab.

Die von ROSAT untersuchten Objekte reichten von nahen Himmelskörpern im Sonnensystem über Sterne und ihre Überreste in der Milchstraße sowie in nahen Galaxien bis hin zu Galaxienhaufen und Quasaren in kosmologischen Entfernungen. Aufgrund seiner viel höheren Empfindlichkeit und Auflösung im Vergleich mit früheren Instrumenten, gelang ROSAT eine Fülle an Entdeckungen:

  • erstes Röntgenbild des Mondes, und der Schatten, den er auf die kosmische Hintergrundstrahlung wirft;  
  • Die Röntgenstrahlung von Kometen;  
  • Röntgenemission von Mars und Venus;
  • Röntgenemission von Braunen Zwergen;
  • eine neue Klasse von extrem weichen und hellen Röntgenquellen in nahen Galaxien, die als Weiße Zwergsterne in Doppelsternsystemen mit nuklearem Brennen auf ihrer Oberfläche identifiziert werden konnten;                    
  • der erste Millisekundenpulsar im Röntgenlicht;
  • rein thermisch strahlende Neutronensterne ( die „Glorreichen Sieben“); 
  • „Schrapnells“ im Vela Supernova-Überrest, die als Bruchstücke der Stern-Explosion gedeutet werden;      
  • Bestimmung des Anteils der Dunklen  Materie in Galaxienhaufen anhand der Messung ihrer Intensitäts- und Temperaturverteilung;
  • der gewaltige Jet aus dem aktiven Kern der Galaxie NGC 1275, der riesige Blasen in das intergalaktische Medium des Perseus Galaxienhaufens bläst;
  • Einfang von Sternen durch Schwarze Löcher in den Zentren normaler Galaxien

und viele mehr. Er konnte auch das Rätsel des kosmischen Röntgenhintergrundes lösen, das von seinem Entdecker Riccardo Giacconi als der „heilige Gral der Röntgenastronomie“ bezeichnet worden war. ROSAT konnte 80% dieser diffusen Emission in einzelne Quellen auflösen, zum größten Teil aktive galaktische Kerne. Seine Hauptkamera, das PSPC, war das erste Instrument, das den Röntgenhintergrund direkt abbilden konnte. Die Fülle an wissenschaftlichen Ergebnissen mit ROSAT-Daten führte zu mehr als 4.200 referierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen bis heute, die mehr als 150.000 mal zitiert wurden.

Die Erfahrungen, die MPE-Mitarbeiter beim Bau von ROSAT und der Auswertung seiner Daten sammeln konnten, flossen dann auch in die nächsten Generationen von Röntgenteleskopen ein, an denen das MPE ebenfalls beteiligt war: Derzeit befinden sich der ESA-Satellit XMM-Newton und der NASA-Satellit Chandra im All und führen die Beobachtungen im Röntgenbereich fort; in Zukunft wird sich das MPE mit dem Röntgenteleskop eROSITA an der russisch-deutschen Mission Spektrum-X-Gamma beteiligen. eROSITA soll ab 2017 eine Himmelsdurchmusterung durchführen, die etwa 25-mal empfindlicher ist als die von ROSAT. Außerdem ist das MPE maßgebend an der Planung für die ESA-Röntgenmission Athena beteiligt, die 2028 gestartet werden soll.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht