Ring um Zwergplaneten entdeckt

12. Oktober 2017
Unter der Mitwirkung von zehn Observatorien in sechs europäischen Ländern gelang es Astronomen kürzlich, eine Sternbedeckung durch den Zwergplaneten Haumea zu beobachten, bei der sie überraschenderweise auch einen schmalen und dichten Ring entdeckten, der den Zwergplaneten umgibt. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und mehr als 50 weiteren Institutionen die Größe, Form und Dichte von Haumea näher bestimmen. Die neuen Werte stimmen besser mit den theoretischen Vorhersagen überein, trotzdem bleibt die Entstehung dieses interessanten Ringsystems mit Monden rätselhaft.

In unserem Sonnensystem wimmelt es außerhalb der Neptunbahn geradezu von interessanten Objekten, den sogenannten TNOs (trans-neptunischen Objekten). Die vier größten TNOs sind als Zwergplaneten klassifiziert, mit Pluto als bekanntestem Mitglied. Der Zwergplanet Haumea ist kleiner, hat aber eine sehr langgestreckte Form, rotiert sehr schnell, ist mit kristallinem Wassereis bedeckt und hat zwei Monde. Allerdings waren viele seiner physikalischen, chemischen und thermischen Eigenschaften bislang nicht gut bekannt.

„Seit seiner Entdeckung vor mehr als zehn Jahren wussten wir, dass Haumea ein exotisches Objekt ist, aber wir wussten nur schlecht über seine Eigenschaften Bescheid trotz Beobachtungen mit den leistungsstärksten Teleskopen“, erklärt Thomas Müller vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), der eines der Projektteams für diese Studie leitete. „Es ist fantastisch zu sehen, dass eine koordinierte Kampagne von Beobachtern mit kleinen bis mittelgroßen Teleskopen nun einen derart spektakulären Beitrag zu unserem Verständnis von Haumea und der Welt der eisigen Zwergplaneten hinter Neptun erbracht hat.“

Die Astronomen nutzten die seltene Gelegenheit einer Sternbedeckung, um eine Fülle von Beobachtungsdaten zu sammeln. Solche Sternbedeckungen sind einer Sonnenfinsternis sehr ähnlich, doch anstatt des Mondes vor der Sonne läuft in diesem Fall ein kleiner Körper unseres Sonnensystems vor einem beliebigen Hintergrundstern vorbei. Aus der Messung des projizierten Schattens auf der Erde kann direkt die Größe des Objekts und seine (projizierte) Form errechnet werden.

Bereits im Jahr 2015 wurde die mögliche Bedeckung eines ausreichend hellen Sterns identifiziert und die verbesserten Positionen für mehr als eine Milliarde Sterne im Gaia-Katalog, der im September 2016 veröffentlicht wurde, machten Vorhersagen von Sternbedeckungen durch Asteroiden viel verlässlicher. Allerdings bleibt die Berechnung von Ereignissen, die durch TNOs verursacht werden, schwierig. Diese Objekte wurden erst vor relativ kurzer Zeit entdeckt und astrometrische Beobachtungen sind nur für einen kleinen Teil ihrer Umlaufbahnen verfügbar. Daher bedurfte es einer großen astrometrischen Beobachtungskampagne nahe des Zeitpunktes einer potenziellen Bedeckung, um den Pfad des Schattens zu berechnen und das Beobachternetz im Januar 2017 in Bereitschaft zu versetzen: so konnten insgesamt zehn Observatorien in sechs europäischen Ländern Daten über die Sternbedeckung erhalten.

Die Lichtkurven zeigen tiefe Einschnitte, die durch den Vorbeizug von Haumea vor dem Hintergrundstern verursacht wurden. Weil diese Einschnitte sehr abrupt sind, kann Haumea keine globale Atmosphäre haben, wie beispielsweise Pluto. Neben der großen Bedeckung gab es aber vor und nach dem größten Einschnitt in der Lichtkurve kurze Verdunkelungen.

„Wir waren sehr überrascht, diese Sekundär-Ereignisse zu sehen, was auf eine zusätzliche Struktur um den Zwergplaneten hindeutete“, sagt Ulrich Hopp vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik und der Universitätssternwarte München, die für die Beobachtungen am Wendelstein verantwortlich war. „Die Analyse zeigt, dass diese Verdunkelungen durch einen schmalen und dichten Ring um Haumea erklärt werden können, der etwa die Hälfte des ankommenden Sternenlichts absorbierte.“

Beobachtungskampagnen der letzten Jahre erhielten bereits Hinweise auf Ringe um einige kleinere Planeten in der trans-Neptun-Region, wie Chariklo und Chiron, und unerklärte Lichtkurven-Signaturen könnten darauf hindeuten, dass auch andere Objekte einen Ring oder ein ganzes Ringsystem haben könnten. Die Reflektivität des Rings um Haumea ist ähnlich zu den bisher bekannten Ringen. Der Positionswinkel des Rings stimmt mit der Rotationsachse von Haumea überein, so dass der Ring in der Äquatorebene von Haumea liegen sollte. Bisherige Beobachtungen haben bereits gezeigt, dass sich auch der Satellit Hi'iaka in der Äquatorialebene befindet, allerdings in deutlich größerer Entfernung. Der Ring liegt so nahe am stark elongierten Zwergplaneten, dass die Entstehung eines festen Körpers aus diesem Material nicht möglich ist.

Da Haumea eine tri-axiale, ellipsoide Form besitzt, reicht die Bedeckung allein nicht aus, seine dreidimensionale Form zu bestimmen. Die Messungen über mehrere Tage vor und nach der Bedeckung lieferten den Astronomen aber zusätzliche Informationen über die Rotationslichtkurve, so dass die Form des Ellipsoids sowie die Dichte des Zwergplaneten daraus abgeleitet werden konnten. Die neuen Ergebnisse sind viel besser im Einklang mit der Dichte anderer großer TNOs als bisherige Messungen. Allerdings sind die Ergebnisse nicht mit einem homogenen Körper im hydrostatischen Gleichgewicht vereinbar. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass die vereinfachte Annahme eines annähernd flüssigen Körpers nicht gültig ist und die Gesetze granularer Medien angewandt werden müssen.

„Die Anstrengungen, die wir in die Koordination und Vorbereitung dieser großen Zusammenarbeit investierten, haben sich voll ausgezahlt: In den wenigen Sekunden der Bedeckung erhielten wir eine Fülle an Informationen“, betont Thomas Müller. „Wir wissen jetzt mehr über die Form und den Aufbau von Haumea. Und die Entdeckung eines Ringes um diesen Zwergplaneten, mit einer ganz anderen dynamischen Masse und weiter entfernt als alle anderen Objekte mit Ringen, bedeutet, dass derartige Ringe wohl viel häufiger sind, als wir bisher dachten. Das ist ein neues, unerwartetes und aufregendes Forschungsfeld, in dem kleine und mittelgroße Teleskope fantastische Beiträge leisten können.“

„Unser Sonnensystem überrascht uns immer wieder aufs Neue“, staunt Paola Caselli, Direktorin am MPE. „Diese neue Entdeckung wird viel zum Verständnis der Entstehung von Zwergplaneten beitragen und damit auch Rückschlüsse auf die Frühgeschichte unseres Sonnensystems zulassen. Ich freue mich auf weitere Beobachtungen mit anderen leistungsstarken Teleskopen (einschließlich ALMA und JWST), um die Zusammensetzung des Haumea-, Ring- und Satelliten-Systems und anderer TNO-Objekte zu untersuchen.“

Hinweis:

Diese Ergebnisse basieren auf Beobachtungen mit dem 2m-Teleskop am Wendelstein-Observatorium, das von der Universitätssternwarte München betrieben wird, der Volkssternwarte München, dem 1,8m 348-Teleskop am Asiago-Observatorium, betrieben vom Observatorium Padua, dem 1,3m-Teleskop am Skalnate Pleso Observatorium, betrieben vom Astronomischen Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, dem 1m-Teleskop am Konkoly-Observatorium, betrieben vom Astrophysikalischen Institut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, dem 0,65m-Teleskop am Ondrejov-Observatorium, betrieben durch das Astronomische Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, dem 1,5m-Teleskop am Observatorium der Sierra Nevada, betrieben vom Instituto de Astrofisica de Andalucia – CSIC, dem 1,23m-Teleskop am Calar Alto-Observatorium, das gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Astronomie und dem IAA-CSIC betrieben wird, die Roque de los Muchachos Observatorium 2m Liverpool-Teleskop, betrieben vom Astrophysics Research Institute der Liverpool John Moores University, dem Roque de los Muchachos-Observatorium 2.5m NOT-Teleskop, betrieben von der Nordic Optical Telescope Scientific Association, dem 1m-Teleskop am Pic du Midi Observatorium, betrieben vom Observatoire Midi Pyrénées, und dem La Hita 0.77m-Teleskop, das gemeinsam von Astrohita und dem IAA-CSIC betrieben wird.

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