Yasuo Tanaka 1931-2018

Nachruf von Joachim Trümper

30. Januar 2018
Yasuo Tanaka verstarb am 18. Januar 2018 in Tokio an einem Herzinfarkt, nur drei Monate nachdem er von einem 23-jährigen Aufenthalt am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in sein Heimatland zurückgekehrt war. Am MPE hatte er den größten Teil seines reichhaltigen Lebenswerkes auf dem Gebiet der Hochenergie-Astrophysik vollendet und den wissenschaftlichen Austausch zwischen Japan und Deutschland/Europa gefördert. Er hinterlässt seine Frau Toshiko und drei Söhne mit ihren Familien.

Yasuo Tanaka wurde 1931 in der Nähe von Osaka, Japan, als mittlerer von drei Söhnen geboren. Während des Zweiten Weltkrieges musste er als Kind in einer Fabrik arbeiten und schwere Bombardierungen ertragen, aber auch in den folgenden Jahren litt er Not und Hunger. Er trat 1950 in die Physikabteilung der Universität Osaka ein und promovierte 1961 in Physik, als er gleichzeitig bereits Mitglied einer Arbeitsgruppe um Minoru Oda an dem Luftschauerexperiment am Institute for Nuclear Study (University of Tokyo) war.

Wir trafen uns zum ersten Mal im August 1961 auf der Cosmic Ray-Konferenz in Kyoto; im Anschluss daran zeigte er mir die sehr beeindruckende Luftschaueranlage in Tokio. 1962 nahm er ein Angebot von Satio Hayakawa an, Assistenzprofessor an der Nagoya University zu werden, und nur ein Jahr später folgte er einer Einladung von Jan Oort, in die Niederlande zu kommen. Es war sein erster Kontakt mit der westlichen Astronomie-Gemeinschaft, und später sagte er oft, dass diese vier Jahre sein Leben verändert hätten. Gespräche mit den berühmten Astrophysikern Jan Oort und Henk van de Hulst eröffneten dem jungen Wissenschaftler neue Horizonte, und die fast gleichaltrigen Lo Woltjer und Johann Bleeker wurden zu seinen lebenslangen Freunden. Zusammen mit Bleeker startete er die Nagoya-Leiden-Kollaboration, die das Ziel hatte, Elektronen der kosmischen Strahlung mit Ballon-getragenen Detektoren zu messen. 

Zur gleichen Zeit, 1962, entdeckten Riccardo Giacconi und seine Gruppe die erste extrasolare Röntgenquelle Sco X-1 und die weiche Röntgen-Hintergrundstrahlung und veränderten damit das Leben vieler Wissenschaftler, die bisher die kosmische Strahlung untersucht hatten. Dies traf auch auf Tanaka und Bleeker zu, die den Fokus ihres gemeinsamen Ballonprogramms von Elektronen auf den harten Röntgenhintergrund verlagerten. Diese Pionierarbeit wurde fortgesetzt, nachdem Tanaka 1967 nach Nagoya zurückkehrte, wo er sich an dem von seinem Lehrer Oda an der Universität Tokio initiierten Röntgensatellitenprogramm beteiligte.

1974 wechselte Tanaka als Professor an das Institute of Space and Aeronautical Engineering (ISAS), das zur zentralen Einrichtung für Raumfahrtforschung in Japan geworden war. Während seiner 20 Jahre am ISAS gestaltete er das Forschungsprogramm in der Röntgenastronomie. Er war Principal Investigator für vier Röntgensatelliten: Hakucho (gestartet 1979), Tenma (1983), Ginga (1987) und ASCA (1993). Für zwei weitere Missionen, die Beobachtungen der Sonne galten, Hinotori (1981) und Yohkoh war er ein Berater.

Diese eindrucksvolle Serie von Röntgensatelliten führte zu einer langen Liste wichtiger wissenschaftlicher Ergebnisse und Entdeckungen auf verschiedenen Gebieten der Astrophysik. Tanakas eigenes Interesse galt in erster Linie der Beobachtung von Materie-akkretierenden stellaren und massereichen Schwarzen Löchern. Er war Mitautor einer Reihe von Übersichtsarbeiten zu diesem Thema und Hauptautor eines bahnbrechenden Artikels in der Fachzeitschrift Nature, der auf der Entdeckung der breiten und unsymmetrischen Eisen-Ka-Linie im Spektrum der aktiven Galaxie MCG-6-30-15 mit Ginga basierte und eine völlig neue Diagnostik der Akkretionsscheibe nahe am Schwarzen Loch eröffnete. Auch die folgende Mission ASCA war ein großer Erfolg. ROSAT und ASCA, die sich durch ihre komplementären Eigenschaften hervorragend ergänzten, dominierten die Röntgenastronomie in den neunziger Jahren. Tanakas große Leistungen am ISAS waren das Ergebnis seiner organisatorischen Fähigkeiten, gepaart mit Weitsicht und Entschlossenheit.

Nach seiner Pensionierung bei ISAS im Jahr 1994 folgte Tanaka einer Einladung an das MPE, die durch einen Humboldt-Preis finanziert wurde. Während seiner 23 Jahre am MPE setzte er seine wissenschaftlichen Forschungen zusammen mit Wissenschaftlern des MPE, dem MPA und seinen ehemaligen Kollegen in Japan fort. 1995 wurde er zum Direktor des europäisch-deutschen Büros der Japanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (JSPS) in Bonn ernannt, dessen Arbeit er von 1995 bis 2008 weitgehend vom MPE aus leitete.

Für seine Leistungen erhielt Tanaka zahlreiche Auszeichnungen von nationalen und internationalen Organisationen. In Deutschland wurde er mit dem Humboldt-Preis (1994), dem Eugen- und Ilse-Seibold-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1999) und dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Im Jahr 2001 wurde er zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied des MPE ernannt. Die letzte und wichtigste Anerkennung war für ihn die Wahl zur renommierten Japan-Akademie 2012.

Bis zuletzt nahm Tanaka am wissenschaftlichen Leben am MPE und MPA rege teil. Jeden Morgen kam er in das Institut und blieb bis zum späten Abend. Bei unseren täglichen Mittagessen genossen wir es, uns über die neuesten Fortschritte in der Astrophysik und über Themen der Weltpolitik zu unterhalten. Zwischen dem Ehepaar Tanaka und den Ehepaaren einiger MPE- und MPA-Kollegen entwickelten sich enge Freundschaften mit vielen gemeinsamen Treffen. Yasuo Tanaka und seine Frau Toshiko liebten die nahegelegenen Berge und Seen; sie reisten in den Ferien durch ganz Deutschland und an Wochenenden durch Bayern. Sie genossen die reiche Münchner Kulturszene und verbrachten den Jahreswechsel oft in Wien, wobei sie vor allem die "Fledermaus" von Johann Strauss beeindruckte.

In den letzten Jahren verschlechterte sich Tanakas Gesundheitszustand erheblich und er beschloss schließlich nach langem Kampf, nach Japan zurückzukehren. Anfang Oktober 2017 flogen sie in ihre Heimat zu ihrem Haus in Tokio und zu ihren Söhnen.

Mit Yasuo Tanaka verlieren unser Institut und die astrophysikalische Gemeinschaft einen großen Wissenschaftler und einen Freund mit einer warmen und großzügigen Persönlichkeit. Er wird seinen Kollegen, Freunden und Astronomen auf der ganzen Welt in bester Erinnerung bleiben.

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