Warum unser Trinkwasser mehrere Milliarden Jahre alt ist
Ein neuer Übersichtsartikel beschreibt, wie Wasser aus interstellaren Wolken zu Planeten gelangt
Wie und wo entsteht Wasser im interstellaren Raum? Wie gelangt es schließlich auf Planeten wie der Erde? Diese Fragen waren vor zehn Jahren noch nicht gut verstanden. Ein Grund besteht darin, dass Beobachtungen mit bodengebundenen Teleskopen durch den Wasserdampf in unserer eigenen Atmosphäre beeinflusst werden. Im Jahr 2009 startete die ESA das Weltraumteleskop Herschel, das im fernen Infrarotbereich beobachten konnte und bis 2013 im Einsatz war. Eines der Hauptziele von Herschel war die Erforschung von Wasser im Weltraum. In den letzten Jahren wurden Dutzende von wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht, die auf Daten von Herschel über Wasser basieren. Nun wurden diese Ergebnisse zusammengefasst und um neue Erkenntnisse erweitert.
Der neue Übersichtsartikel beschreibt den Weg des Wassers während des gesamten Sternentstehungsprozesses, einschließlich der Zwischenstadien, die bisher wenig Beachtung gefunden hatten. Das meiste Wasser bildet sich als Eis auf winzigen Staubpartikeln in kalten und dünnen interstellaren Wolken vor der Sternentstehung, wie eine Arbeit, die von MPE-Direktorin Paola Caselli geleitet wurde, zeigte. Kollabiert eine solche Wolke zu neuen Sternen und Planeten, bleibt dieses Wasser weitgehend erhalten und wird schnell in Staubpartikeln, die so groß wie Kieselsteine werden können, verankert. In der rotierenden Scheibe um den jungen Stern bilden diese Kieselsteine dann die Bausteine für neue Planeten.
Außerdem haben die Forscher berechnet, dass die meisten neuen Sonnensysteme mit genügend Wasser geboren werden, um mehrere tausend Ozeane zu füllen. Ewine van Dishoeck: "Es ist faszinierend zu erkennen, was in einem Glas Wasser steckt, das man trinkt. Die meisten dieser Moleküle entstanden vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren in der Wolke, aus der sich unsere Sonne und die Planeten gebildet haben."
Viele der früheren Herschel-Ergebnisse konzentrierten sich auf heißen Wasserdampf, der in der Nähe von neu entstehenden Sternen deutlich sichtbar ist und reichlich produziert wird. Aber dieses heiße Wasser geht durch starke Ausströmungen des jungen Sterns ins All verloren. Während die Forscher den Übersichtsartikel verfassten, gewannen sie mehr und mehr Einblick in die Chemie des kalten Wasserdampfes und des Eises. So konnten sie beispielsweise zeigen, dass interstellares Eis Schicht für Schicht auf Staubpartikeln wächst. Diesen Schluss zogen sie aufgrund der schwachen Signale von schwerem Wasser (HDO und D2O statt H2O).
Für die Zukunft hoffen die Forscher, mehr Wasser im Universum untersuchen zu können, vor allem in gerade entstehenden Planetensystemen. Das könnte allerdings noch eine Weile dauern, da das nächste mit Herschel vergleichbare Weltraumteleskop frühestens im Jahr 2040 starten soll. Ewine van Dishoeck: "Es gab eine Chance, dass ein 'Wasserteleskop' um 2030 ins All gehen würde, aber dieses Projekt wurde gestrichen. Das ist schade, aber es war ein zusätzlicher Grund für unser Team, den Übersichtsartikel über Wasser zu schreiben. Auf diese Weise haben wir ein kollektives Gedächtnis, wenn eine neue Mission ansteht."
Außerdem wird Ende 2021 das James Webb Weltraumteleskop gestartet, mit dem in einer europäisch-amerikanischen Kollaboration gebauten MIRI-Instrument an Bord. Dieses soll in der Lage sein, warmen Wasserdampf in den innersten Zonen von Staubscheiben aufzuspüren und somit einen Teil des bisher unerreichbaren Wassers zu beobachten. Und die ALMA-Teleskope in Chile können vom Boden aus Wasserdampf im All beobachten. Dazu gehört auch Wasser in fernen Galaxien, das sich bei im Vergleich zur Erdatmosphäre verschobenen Wellenlängen beobachten lässt.
Über das Herschel-Weltraumteleskop
Herschel war ein Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), das in Zusammenarbeit mit der NASA gebaut wurde. Seine Instrumente HIFI und PACS wurden für die Wasserforschung eingesetzt. HIFI wurde von einem Konsortium von Instituten und Universitätsabteilungen aus ganz Europa, Kanada und den Vereinigten Staaten unter der Leitung des SRON Netherlands Institute for Space Research, Niederlande, entwickelt und gebaut, mit wichtigen Beiträgen aus Deutschland, Frankreich und den USA. Das PACS-Instrument wurde von einem Konsortium von Instituten und Universitäten aus ganz Europa unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Deutschland entwickelt. Ewine van Dishoeck leitete die Wasserforschung im Rahmen des WISH-Programms (Water in Star-forming regions with Herschel).