Ein Appetitanreger für die vollständige Himmelsdurchmusterung

Die ersten Daten des eROSITA-Röntgenteleskops werden für die Öffentlichkeit frei zugänglich.

28. Juni 2021
Die deutsche eROSITA-Kollaboration veröffentlich den ersten Satz von Daten, die mit dem eROSITA-Röntgenteleskop an Bord des SRG-Observatoriums aufgenommen wurden, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der diesjährigen Konferenz der Europäischen Astronomischen Gesellschaft bekannt gaben. Zum ersten Mal werden Astronominnen und Astronomen auf der ganzen Welt die Möglichkeit haben, Daten dieses neuen leistungsstarken Teleskops herunterzuladen und zu analysieren. Gleichzeitig mit dem sogenannten „Early Data Release“ erscheinen 35 eROSITA-Veröffentlichungen durch das deutsche eROSITA-Konsortium bereits vorab auf der Plattform arXiv. Diese und weitere Beiträge werden in einer kommenden Sonderausgabe der Zeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ veröffentlicht.

„Wir machen nun zum ersten Mal SRG/eROSITA-Daten frei zugänglich“, sagt Andrea Merloni , der leitende Wissenschaftler von eROSITA. „Seit Beginn der Beobachtungen Ende 2019 sind wir beeindruckt von den qualitativ hochwertigen Daten, die bereits zu zahlreichen neuen astronomischen Entdeckungen und Durchbrüchen geführt haben. Jetzt ist es an der Zeit, Astronomen weltweit einen ersten Vorgeschmack auf das zu geben, was in den nächsten Jahren kommen wird. Ein ganz neues Universum an Möglichkeiten tut sich auf.“

Die Beobachtungen, die jetzt im Early Data Release (EDR) veröffentlich werden, entstanden während der sogenannten „Phase der Kalibration und Leistungsverifizierung“, die etwa von Mitte September bis Mitte Dezember 2019 dauerte. Seitdem scannt das eROSITA-Röntgenteleskop an Bord der SRG-Raumsonde den gesamten Himmel ab und erstellt empfindliche Röntgenkartierungen des gesamten Himmels. Diese Durchmusterung dauert noch bis Ende 2023 an. eROSITA ist das erste fokussierende Röntgenteleskop, das dank seines großen Gesichtsfeldes, seiner hochwertigen Spiegel und seiner empfindlichen CCD-Kameras für Himmelsdurchmusterungen optimiert ist.

Der EDR enthält fast 100 Einzelbeobachtungen von 29 verschiedenen Feldern, die vor dem Start der Himmelsdurchmusterung aufgenommen wurden. Sie decken ein breites Spektrum an astronomischen Objekten ab wie etwa galaktische Neutronensterne oderGalaxienhaufen (siehe ein Beispiel in Abbildung 2) und zeigen das Potenzial und die Vielseitigkeit des eROSITA-Teleskops für Bildgebung, Spektroskopie und die Analyse von veränderlichen Phänomenen.

„Diese ersten eROSITA-Daten umfassend und verständlich zu organisieren, war eine große Herausforderung“, sagt Miriam Ramos-Ceja vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), die Hauptkoordinatorin des EDR. „Zuerst mussten wir die Daten auf einheitliche Weise bündeln und verarbeiten und sie dann anschließend überprüfen und validieren, um so sicherzustellen, dass wir eine hohe Datenqualität erreichen“. Zusätzlich zu den Daten selbst wird das MPE-geführte Team auch eine spezielle Software zur Verfügung stellen, die zur Reduzierung und Analyse der eROSITA-Daten entwickelt wurde. „Wir haben großen Wert darauf gelegt, alle relevanten Schritte zu dokumentieren, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt die Daten und die Software einfach nutzen können“, ergänzt Ramos-Ceja.

Unter den Datensätzen, die jetzt veröffentlicht wurden, nimmt die Minivermessung namens "eFEDS" (eROSITA Final Equatorial Depth Survey) einen besonderen Platz ein. eFEDS wurde als Vorschau auf die finale Himmelsdurchmusterung konzipiert und deckt gleichmäßig einen Bereich von etwa 140 Quadratgrad am Himmels ab (etwa 1/300 der All-Sky-Durchmusterung). Dadurch vermittelt es einen Eindruck davon, wie der gesamte extragalaktische Himmel im Röntgenlicht aussehen könnte, wenn eROSITA seine vollständige Himmelsdurchmusterung im Jahr 2023 abgeschlossen hat. In nur vier Tagen eFEDS-Beobachtungen entdeckte eROSITA die erstaunliche Anzahl von fast 30.000 Quellen – mehr als in jedem anderen zusammenhängenden Feld einer Röntgendurchmusterung bis heute gefunden wurde. Die Veröffentlichung umfasst nicht nur die Enddaten, sondern auch mehrere Kataloge der Eigenschaften von eROSITA-Quellen bei Röntgen- und anderen Wellenlängen.

„Wir haben uns nicht mit der Röntgenstrahlung begnügt, sondern die eROSITA-Röntgendaten mit UV-, optischen und Infrarotdaten von vielen verschiedenen Instrumenten sowohl am Boden als auch im Weltraum kombiniert“, erklärt Mara Salvato, eROSITA-Sprecherin und Vorsitzende der Arbeitsgruppe zur Nachverfolgung von eROSITA-Quellen. „Die Koordinaten des eFEDS-Feldes wurden unter anderem deshalb gewählt, weil hier ein großer Satz anderer Beobachtungen von leistungsstarken Teleskopen über den größten Teil des elektromagnetischen Spektrums verfügbar ist. Dieser Schritt ist entscheidend, um die von eROSITA entdeckten Röntgenquellen zu klassifizieren und ihre physikalischen Eigenschaften herauszuarbeiten. Es ist aufregend zu sehen, wie dies alles in eFEDS zusammenkommt. Es ist der Beweis dafür, dass wir dies für alle Quellen tun können, die die vollständige Himmelsdurchmusterung bringen wird – auch wenn wir noch eine Mammutaufgabe vor uns haben.“

Die 35 Arbeiten unter der Leitung des deutschen eROSITA-Konsortiums, die gleichzeitig mit dem EDR veröffentlicht werden, konzentrieren sich hauptsächlich auf diese EDR-Beobachtungen, enthalten aber auch einige spannende Highlights aus der laufenden Himmeldurchmusterung. Die untersuchten Objekte reichen von Sternen und diffuser Emission in unserer eigenen Milchstraße oder der benachbarten Großen Magellanschen Wolke über Aktive Galaktische Kerne (AGN), die supermassereiche Schwarze Löcher beherbergen, bis hin zu riesigen Galaxienhaufen. „Neben der bahnbrechenden Wissenschaft macht es mich wirklich stolz, dass rund 40% der Veröffentlichungen, die die Datenfreigabe begleiten, von Wissenschaftlerinnen geleitet wurden“, fügt Salvato hinzu. „Die eROSITA-Kollaboration wird sich weiter dafür einsetzen, Wissenschaft für alle zugänglich zu machen.“

Natürlich hat COVID-19 auch die Arbeit des eROSITA-Teams erschwert. „Nur sechs Monate nach dem Start der wissenschaftlichen Beobachtungen von eROSITA zwang uns die weltweite Pandemie dazu, unsere Herangehensweise massiv zu verändern“, sagt Andrea Merloni. Sogar der Betrieb des 1,5 Millionen Kilometer entfernten Teleskops musste von zu Hause aus aufrechterhalten werden. „Ich würde gerne glauben, dass die einzigartige Gelegenheit, mit einer brandneuen ‚Entdeckungsmaschine‘ zu arbeiten, vielen von uns geholfen hat, den Fokus zu bewahren – zumindest tat es das für mich“, sagt Merloni. „eROSITA hat uns viele Gründe zum Feiern gegeben, und wir freuen uns alle darauf, bald eine richtige Party zu feiern!“

Weitere Informationen

eROSITA ist das Instrument für die weiche Röntgenstrahlung an Bord von Spektrum-RG (SRG), einer gemeinsamen russisch-deutschen Wissenschaftsmission, die von der Russischen Raumfahrtagentur (Roskosmos) im Interesse der Russischen Akademie der Wissenschaften, vertreten durch ihr Institut für Weltraumforschung (IKI), und der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt wird. Die SRG-Raumsonde wurde von der Lavochkin Association (NPOL) und ihren Auftragnehmern gebaut und wird von NPOL mit Unterstützung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) betrieben.

Das Teleskop wurde am 13. Juli 2019 an Bord der SRG-Mission ins All gebracht. Seine große Sammelfläche und sein weites Sichtfeld sind für eine tiefe Durchmusterung des gesamten Himmels im Röntgenbereich ausgelegt. Über sechs Monate hinweg (Dezember 2019 – Juni 2020) hat SRG/eROSITA die erste Durchmusterung des gesamten Himmels bei Energien von 0,2-8 keV abgeschlossen. Dies ist deutlich tiefer als die einzige bisher existierende Durchmusterung des gesamten Himmels mit einem Röntgenteleskop, die 1990 von ROSAT bei Energien von 0,1-2,4 keV durchgeführt wurde.

Die Entwicklung und der Bau des eROSITA-Röntgeninstruments wurde vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) geleitet, mit Beiträgen der Dr. Karl Remeis-Sternwarte Bamberg, der Sternwarte der Universität Hamburg, des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) und des Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen, mit Unterstützung des DLR und der Max-Planck-Gesellschaft. Das Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn und die Ludwig-Maximilians-Universität München waren ebenfalls an der wissenschaftlichen Vorbereitung für eROSITA beteiligt.

Die eROSITA-Daten werden mit dem vom deutschen eROSITA-Konsortium entwickelten Softwaresystem eSASS verarbeitet.

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