Eisiger Speicher für Moleküle kurz vor Stern- und Planetenentstehung

11. April 2022

Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik haben Beweise dafür gefunden, dass kurz vor Einsetzen der Sternentstehung so gut wie alle schweren Moleküle in der zentralen Region einer prästellaren Wolke an Staubkörnern einfrieren. Die ALMA-Beobachtungen der molekularen Wolke L1544 im Sternbild Stier zeigten nicht nur eine Konzentration von Staubkörnchen zum Zentrum hin, sondern auch, dass stickstoffhaltige Moleküle sowie Kohlenstoff, Sauerstoff und alle weiteren Elemente schwerer als Helium in dicken Eishüllen um die Staubkörner gespeichert sind. Diese Eishüllen sind reich an Wasser und organischen Molekülen, den Vorläufern prä-biotischer Moleküle. Die Häufigkeiten ähneln denen, die in Resten der Entstehung unseres Sonnensystems beobachtet wurden.

Eine der zentralen Fragen der modernen Astrophysik ist, wie Planeten und Sterne entstehen. Während die groben Züge bekannt sind – eine kalte Molekülwolke kollabiert unter ihrer eigenen Schwerkraft, eine Akkretionsscheibe entsteht und in ihrem Zentrum ein Protostern – steckt der Teufel im Detail. Ein entscheidender Schritt ist die Phase des so genannten prästellaren Kerns, wenn sich die interstellare Gaswolke zusammenzieht und abflacht (um schließlich eine proto-planetare Scheibe zu bilden), aber noch bevor die Gravitationskraft einen zentralen Protostern erzeugt..  

Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik haben nun mit den ALMA-Radioteleskopen einen solchen prästellaren Kern mit der Bezeichnung L1544 im Sternbild Stier in noch nie dagewesener Auflösung beobachtet. „Studien von prästellaren Kernen in nahen Wolken haben bereits Hinweise auf ihre physikalische und chemische Struktur geliefert, aber es war immer noch unklar, was im Zentrum passiert“, erklärt Paola Caselli, Hauptautorin der jetzt im Astrophysical Journal veröffentlichten Studie. „Jetzt können wir die Strukturen innerhalb der zentralen 2000 Astronomischen Einheiten (AE) untersuchen, wo das zukünftige Sternsystem entstehen wird.“ Zum Vergleich: Neptun, der äußerste bekannte Planet in unserem eigenen Sonnensystem befindet sich in einer Entfernung von 30 AE zur Sonne, während sich der Kuiper-Gürtel und die so genannten transneptunischen Objekte, kurzlebige Kometen und andere Eiskörper, auf etwa 200 AE erstrecken.

Die Beobachtungen umfassten sowohl die Kontinuumsemission von Staubkörnchen in diesem prästellaren Kern als auch Beobachtungen der Spektrallinien von deuteriertem Ammoniak, d. h. einem Molekül aus Stickstoff und Wasserstoff, bei dem ein Wasserstoffatom durch ein Deuteriumatom ersetzt ist (NH2D). Während die Kontinuumsemission des Staubes eine kompakte zentrale Region mit einer Masse von etwa 1/6 der Masse unserer Sonne erkennen ließ, war die Analyse der Moleküllinien die eigentliche Überraschung. Zum ersten Mal lieferten die Beobachtungen Beweise für ein fast vollständiges Ausfrieren: so gut wie alle (99,99%) Moleküle und Atome, die schwerer als Helium sind, verschwinden aus dem Gas und kondensieren auf den Staubkörnchen in den zentralen 2000 AE.

„Dies deutet auf eine ‚vollständige Leerzone‘ hin, in Übereinstimmung mit Vorhersagen astrochemischer Modelle für den prästellaren Kern“, führt Olli Sipilä aus, der die theoretische Modellierung durchführte. Das hochmoderne chemische Modell sagt voraus, dass das Ausfrieren bereits bei 7000 AE beginnt und dass Strahlungstransfereffekte dafür sorgen, dass die Emission einiger Moleküle auf das Zentrum konzentriert zu sein scheint. „Dies hat verhindert, dass das Ausfrieren in früheren Beobachtungen, bei denen das Zentrum nicht aufgelöst werden konnte, entdeckt wurde“, fügt er hinzu.

Die Staubkörner in einem solchen prästellaren Kern sind also von dicken Eishüllen umgeben, reich an Wasser und organischen Molekülen, welche die Bausteine für zukünftige Planeten bilden. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung des Kometen 67P/CG zeigte tatsächlich, dass die relativen Häufigkeiten der Moleküle dort ähnlich sind zu denen von prästellaren Kernen und jungen Sternentstehungsgebieten.

„Wir konnten zeigen, dass prästellare Moleküle vor der Bildung eines Sternsystems ähnlich dem unserem im Eis ‚gespeichert‘ werden“, betont Jaime Pineda, Zweitautor der Studie. Einige dieser prästellaren Eiskörper, insbesondere die Eiskörnchen im äußeren Teil der Scheibe, könnten spätere Stadien der Planetenbildung überleben und die chemische Signatur dieser frühen Phasen kurz vor dem Aufleuchten eines neuen Sterns konservieren. „Eisige Objekte an den Rändern unseres Sonnensystems könnten tatsächlich die ‚eingefrorene‘ chemische Geschichte unseres präsolaren Kerns enthalten, der Wolke, aus der alles entstanden ist, was wir heute in unserem Sonnensystem sehen – einschließlich uns selbst“, fasst Paola Caselli abschließend zusammen. „Da wir wissen, dass im jungen Sonnensystem einige der eisigen Körnchen in Richtung der Entstehungszone der terrestrischen Planeten gedriftet sind, könnten diese sogar zu den flüchtigen Molekülen, einschließlich Wasser und organischen Stoffen, auf unserer Erde beigetragen haben. D. h. sie könnten wertvolle Zutaten für den Ursprung des Lebens auf unserem Planeten geliefert haben.“

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