In memoriam Reimar Lüst (1923 – 2020)
Der Gründungsdirektor des MPE, Reimar Lüst, würde dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiern.
In den 1960er Jahren wurde der Theoretiker Reimar Lüst gebeten, eine experimentelle Gruppe für Weltraumforschung im Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik aufzubauen. Raketen hatten den Weg zu einem neuen Forschungsfeld eröffnet, und die Max-Planck-Gesellschaft wollte sich daran beteiligen. Der Name des MPE leitet sich von seinen Forschungsgegenständen und -methoden ab, die anfangs ausschließlich extraterrestrisch waren.
Zu den ersten Experimenten im Weltraum gehörten künstliche Plasmawolken. Anfang der 1950er Jahre hatte Ludwig Biermann entdeckt, dass Kometen einen Schweif aus ionisierten Teilchen haben, die von der Korpuskularstrahlung der Sonne (dem Sonnenwind) beeinflusst werden. Ludwig Biermann, Reimar Lüst und seine Frau Rhea Lüst überlegten zusammen mit anderen Forschenden, wie sie einen künstlichen Kometen erzeugen und untersuchen könnten.
Am 15. Mai 1963, dem Tag, an dem der MPG-Senat der Gründung des MPE zustimmte, flog das erste erfolgreiche Experiment des Instituts von einer französischen Startrampe bei Hammaguir in der algerischen Wüste. Eine Ladung Barium wurde verdampft und bildete eine Wolke in 155 Kilometern Höhe.
Während sich die wissenschaftliche Arbeit des Instituts in den ersten Jahren auf extraterrestrische Plasmen und die Magnetosphäre der Erde konzentrierte, kamen bald weitere Bereiche hinzu: bestimmte astrophysikalische Beobachtungen können von der Erdoberfläche aus nicht durchgeführt werden, weil die Wellenlängen dieser elektromagnetischen Strahlung von der Atmosphäre absorbiert werden. Diese Beobachtungen reichen heute von der Radio- und Infrarotastronomie bis hin zur Röntgen- und Gammastrahlenastronomie. Seit den 1990er Jahren sind Satelliten wegen ihres günstigen Verhältnisses zwischen Beobachtungszeit und Kosten die bevorzugten Beobachtungsplattformen. Darüber hinaus wird inzwischen ein Teil der Arbeiten auch auf der Erde durchgeführt, entweder im Labor oder mit bodengebundenen Teleskopen.
Lüst hielt stets engen Kontakt zu „seinem Institut“ und besuchte Garching gerne, auch nachdem er mehr als Wissenschaftsmanager tätig war. 1972 wurde er Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und richtete den Senatsplanungsausschuss ein, der über die Schließung von Instituten und die Eröffnung neuer Institute entscheiden sollte. Nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit als MPG-Präsident im Jahr 1984 stand eine neue Herausforderung vor der Tür: Er wurde Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Paris, ein Amt, das er sechs Jahre lang innehatte. 1989 wurde er zum Präsidenten der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ernannt, einer der wichtigsten deutschen Institutionen zur Förderung exzellenter ausländischer Postdoktoranden. Seine nächste Herausforderung war der Aufbau einer privaten Universität, der International University Bremen (IUB, heute Jacobs University), die im Februar 1999 offiziell gegründet wurde.